Dampfende Geysire, weite, verlassene Landstriche, schroffe Vulkanformationen: Die isländische Landschaft bietet viel Raum für Mystik und Fantasie. Kein Wunder, dass sich einige Isländer auch im Glauben an Elfen und Trollen verwurzelt fühlen. Tatsächlich spielt diese Überzeugung in dem dünn besiedelten Land aber eine eher untergeordnete Rolle: "Der Elfenglaube wurde in den vergangenen Jahren immer mehr durch den Tourismus hervorgehoben - eigentlich ist er aber gar nicht so präsent", sagt Sverrir Schopka, Vorsitzender, der deutsch-isländischen Gesellschaft in Köln. Wichtiger sei den Isländern hingegen der christliche Glaube.
"Der Glaube spielt in Island eine große Rolle", sagt Schopka: "Der Hauptteil der Isländer ist evangelisch." Tatsächlich sind mehr als drei Viertel der 328.000 Einwohner Islands Mitglied in der evangelisch-lutherischen Kirche (76 Prozent). Die Glaubensgemeinschaft selbst geht derzeit von rund 243.000 Mitgliedern aus. Seit dem 17. Juni 1944 ist die evangelisch-lutherische Kirche als Staatsreligion in der Verfassung der Republik festgelegt.
Gleichzeitig garantiert diese aber auch die Glaubensfreiheit der Isländer: „Jedermann ist zur Bildung von Religionsgemeinschaften berechtigt, die seiner persönlichen Überzeugung entsprechen“, heißt es in Artikel 63. Zumindest sofern eine Predigt oder Übung nicht der öffentlichen Ordnung und Moral schadet. Einen Kirchenbeitrag müssen aber trotzdem alle Isländer zahlen: Laut Artikel 64 sind Einheimische, die keiner der anerkannten Glaubensgemeinschaften angehören, dazu verpflichtet, ihren Beitrag an die Universität Islands zu entrichten.
Glaube ja, aber nicht im Alltag
Laut der isländischen Botschaft in Berlin existieren in dem Land derzeit über 30 anerkannte Glaubensgemeinschaften. Neben den Lutheranern gehören knapp fünf Prozent der Isländer lutherischen Freikirchen an. Mit rund 12.000 Mitgliedern ist die römisch-katholische Kirche auf der Insel zwar eher unterrepräsentiert. Jedoch erfahre die katholische Gemeinde aufgrund der zunehmenden Anzahl von Einwanderern derzeit einen großen Zulauf, erklärte die isländische Botschaft. Viele der Zugezogenen stammten etwa aus Polen.
Obwohl die meisten Isländer demnach formal einer Kirche angehören, spiegele sich der Glaube jedoch kaum im Alltag der Menschen wider, sagt Island-Experte Schopka. An christlichen Feiertagen wie etwa an Ostern oder an Weihnachten seien die Kirchen zwar gut besucht. Und die meisten Kinder würden auch getauft und konfirmiert. Jedoch nähmen nur wenige Isländer auch im Alltag an Gottesdiensten teil. Deutlicher zeige sich der Glaube der Menschen hingegen bei Todesfällen: "Bei Verstorbenen werden immer ganz viele Nachrufe geschrieben, in denen der Glaube eine wichtige Rolle spielt", sagt Schopka. Zudem würden Freunde und Verwandte eines Verstorbenen auch dessen Sarg tragen.
Fortschrittliche Kirche
Warum viele Isländer ihren Glauben nicht offen praktizieren, kann sich Schopka nicht erklären. Schließlich sei das Interesse dafür schon zu spüren. Und besonders was etwa die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in der evangelisch-lutherischen Kirche angehe, sei Island sehr fortschrittlich. So seien Frauen nicht nur bereits sehr früh zu Bischöfinnen geweiht worden. Seit 2012 hat das oberste kirchliche Leitungsamt der Lutheraner auch eine Frau inne: Agnes M. Sigurdardóttir ist die erste Bischöfin der evangelisch-lutherischen Kirche Islands.
Obwohl der Glaube im Alltag der Isländer weniger ausgeprägt ist, wichtiger als der "Elfenglaube" sei er allemal, betont Schopka. Einige Isländer fühlten sich zwar zu beiden Glaubensrichtungen hingezogen. Jedoch stünden die Überzeugungen unabhängig voneinander: "Die Isländer respektieren den Glauben ihrer Mitmenschen", sagt Schopka. Doch egal ob Christentum, Elfenglaube oder eine sonstige Glaubensrichtung - klar in der Minderheit sind auf Europas am dünnsten besiedelter Insel Menschen ohne einen Glauben.