Bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 war es immer wieder zu sehen: Fußball-Profis haben sich vor dem Spiel bekreuzigt, ein Amulett geküsst oder sonst ein Zeichen gemacht, das ihnen Kraft gibt. Das Ritual war den Spielern offenbar wichtig genug, um es auch vor einem Millionenpublikum zu zelebrieren. Eine ähnliche Idee hatte der Regensburger Pfarrer Thomas Klenner: Er bietet künftig für alle Interessierten eine Segenshandlung vor dem Spielanstoß an.
"Oft erleben wir Rassismus, wir haben ehrgeizige Eltern, die beleidigen und schreien. Es gibt auch viele Unsportlichkeiten auf dem Platz. Dagegen wollte ich etwas machen", sagt der ehemalige Kreisjugendleiter des Bayerischen Fußball-Verbands und Schulreferent im evangelischen Dekanat Regensburg. Sein häufiger Kontakt mit den Kindern habe ihn auf die Idee mit der Segnung gebracht. Vor allem wolle er zeigen, dass Leistung, Erfolge und Niederlagen sein müssen, "aber was vor allem sein muss, ist, dass wir mit einer gewissen Gelassenheit merken, dass Fußball nur ein Spiel ist und dass das Leben aus mehr als nur Erfolge haben besteht", sagt er.
Segen unabhängig von Konfession
Nun will der Seelsorger kurz vor dem Spielanstoß den Kindern zweier Nachwuchsmannschaften, den Eltern und auch den Trainerinnen und Trainern einen Segen zusprechen. Theologisch sei das kein Problem, sagt Klenner. Der Segen sei unabhängig vom Menschen und seiner Religion oder Konfession. "Segen kann ich genauso gut Muslimen und Menschen ohne Bekenntnis zusprechen."
Vor dem Anstoß eines jeden Spiels lädt er die Mannschaften und den Schiedsrichter zum Mittelkreis des Spielfelds ein. Dann spricht er einen kurzen Segen und ein "Fairplay-Gebet". Eine Blaupause dafür gibt es bereits. Die ghanaische Fußball-Nationalmannschaft bete es vor jedem Spiel in der Kabine, erläutert Klenner. Die Anfangszeilen lauten: "Herr, lass uns fair spielen. Lass unser Spiel in deinen Augen gut sein. Lass unser ganzes Leben ein faires Spiel sein: eine Augenweide für dich und die Mitmenschen."
Auf Wunsch Handauflegen und Kreuzzeichen
Nur auf Wunsch gebe es nach dem Gebet auch einen Einzelsegen. Dafür fragt der Theologe die Spieler, Eltern und Funktionäre, ob sie mittels Handauflegen und Kreuzzeichen oder Zuspruch gesegnet werden wollen. Zehn Minuten, so schätzt Klenner, dauert das Ganze. Zudem möchte er auch noch Fairplay-Karten verteilen, auf denen Kurzbotschaften stehen wie "Danken statt Zanken", "Vergnügen statt Rügen", "Loben statt Toben", "Erlebnis statt Ergebnis" oder "Vorbild statt Fuchsteufelswild". Das Ziel des Pfarrers: dass "Fußball Freude bleibt".
Sein Anliegen hat Klenner auch mit dem Bayerischen Fußball-Verband abgesprochen. Dieser habe die Idee wohlwollend aufgenommen und sehe darin eine gute Ergänzung zu den eigenen Fairplay-Aktionen. "Wir sind offen für jede Idee, die dazu beiträgt, dass es auf unseren Sportplätzen fairer zugeht", sagt BFV-Vizepräsident Jürgen Pfau. Der Fußball-Funktionär kann sich vorstellen, diese Art von Fußballsegen sogar auf die große Bühne zu übertragen, wie zum Beispiel bei Bundesliga-Spielen. "Solange es keine Werbung für nur eine der Kirchen ist und der sportliche Aspekt im Vordergrund steht, sind wir dafür offen."
Pfau stellt fest, dass in den vergangenen Jahren nicht nur der Ton auf den Plätzen rauer geworden sei. Immer weniger werde akzeptiert, dass es Regeln gibt, die einzuhalten sind. "Es herrscht eine generelle Ich-Bezogenheit vor und man meint, den eigenen Erfolg höher werten zu können als das Miteinander." Dadurch komme es vermehrt zu Auseinandersetzungen auf den Plätzen.
Am 12. Oktober wird Klenner auf der Sportanlage des TSV Haarbach/Vilsbiburg (Kreis Landshut) zum ersten Mal eine Segenshandlung auf dem Spielfeld sprechen - beim Spiel der B-Juniorinnen (U16) gegen den VfB Straubing sowie bei den C-Junioren (U15). Der niederbayerische Verein mit seinem Trainer Alexander Ramsch hatte sich als Erstes gemeldet. "Das ist genau mein Gedanke, damit sich die Kinder weiterentwickeln, Spaß haben und fair miteinander umgehen", sagt der.
Ramsch trainiert seit mehr als 20 Jahren die Nachwuchsmannschaften. Dass bei den Spielen die Emotionen hochkochen, erlebt er immer wieder. Auch übereifrige Eltern, die ins Spielfeld schreien, wenn der Gegner foult, aber ein Foul der eigenen Mannschaft schlimm finden, kennt er zur Genüge. Dass es dabei zu handgreiflichen Ausschreitungen kommt, habe er aber in seiner Laufbahn noch nicht erlebt. Dennoch stellt er fest: "Je älter die Spieler und je höher die Klassifizierung, desto ernster wird es und der Ton entsprechend rauer."
Der Segen gilt laut Klenner für die gesamte Saison. Der Theologe will sich - falls nötig - für ganz Bayern als "mobile Segens-Eingreiftruppe" zur Verfügung stellen. Dafür sei er sogar bereit, von Ostbayern bis nach Franken zu fahren. "Segen kann es nie genug geben", sagt er.