(Dieser Artikel erschien bereits am 11. April 2016 auf evangelisch.de.)
Die Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz endete Anfang April versöhnlich. Die Argumente pro und contra wurden höflich und kollegial ausgetauscht. Emotionale Ausbrüche blieben - für manche erstaunlich - aus. Am Ende stimmten 66 gegen 31 Synodale der Vergabe eines zinslosen Darlehens in Höhe von 3,25 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche zu.
"Es hat sich bewährt, dass die Kirchenleitung das Thema nicht alleine entschieden hat, obwohl wir nach der Grundordnung gemeinsam mit dem Haushaltsausschuss die Möglichkeit dazu gehabt hätten", sagt der evangelische Landesbischof Markus Dröge. "Das Versöhnungszentrum in der Garnisonkirche wird immer ein Ort der Auseinandersetzung sein."
"Die Kirche muss es selbst wissen"
Viel Versöhnung wird auch nötig sein, denn von Anfang an gab es Streit um den Wiederaufbau der preußischen Militärkirche, vor deren Pforten sich einst Reichspräsident Paul von Hindenburg und der frisch ernannte Reichskanzler Adolf Hitler die Hand reichten. Bis heute gilt der "Tag von Potsdam", der 21. März 1933, als Symbol für den Zusammenschluss der national-konservativen, preußisch-militaristischen und faschistischen Kräfte im neuen Dritten Reich.
Im Krieg wurde die Kirche schwer beschädigt, 1968 schließlich wurde sie ganz abgerissen. Schon in den 1980er Jahren sammelte ein Bundeswehr-Offizier aus dem Sauerland und seine "Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel" Millionen für ein neues Geläut. 2004 dann folgte der "Ruf aus Potsdam" zum Wiederaufbau. Im Juni 2008 schließlich gründete sich um den Berliner Altbischof Wolfgang Huber die kirchliche Stiftung Garnisonkirche Potsdam.
Im Gegenzug meldete die Bürgerinitiative "Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche" Protest an. Vor zwei Jahren organisierte sie sogar eine Unterschriftensammlung. "Es gab ein erfolgreiches Bürgerbegehren mit mehr als 14.000 gültigen Unterschriften gegen dieses Bauprojekt. Die Kirche muss selbst wissen, ob sie sich damit einen Gefallen tut, gegen den Willen der Bevölkerung einen solchen Symbolort in den Raum zu stellen", mahnt BI-Sprecher Lutz Boede.
Turm ohne Kanonen
Außerdem gründete sich vor zwei Jahren die Initiative "Christen brauchen keine Garnisonkirche". Der Biologe und Theologe Hans Misselwitz ist einer ihrer Sprecher: "In der Zwischenzeit erleben wir Kriege an allen Orten, an denen auch Bundeswehrsoldaten beteiligt sind", sagt er. "Wir müssen uns überlegen, welches Zeichen wir als Kirche in dieser Welt setzen, in der Kriege mehr und mehr auch zum Brot deutscher Soldaten werden."
Doch genau solches Nachdenken über Krieg und Frieden in der Welt soll in Potsdam künftig stattfinden. Die Stiftung ist offensichtlich nicht nur auf Grund ausbleibender Spenden, sondern auch auf Bitten der Landeskirche von ihren ursprünglichen Plänen des originalgetreuen Wiederaufbaus abgerückt. Jetzt soll nur noch der Turm errichtet werden und der auch ohne Kanonen, Säbel und anderes militärische Gepränge. Denn Bischof Markus Dröge forderte bereits im letzten Jahr, dass ein neuer Geist eben auch ein erkennbar neues Haus brauche. Schon jetzt steht auf dem künftigen Baugelände eine provisorische Kapelle, die - mit dem Versöhnungs-Nagelkreuz aus Coventry geschmückt - dem Dialog und der Geschichtsaufarbeitung dienen soll.
Für die Befürworter des Wiederaufbaus war die Garnisonkirche ein Hort des Widerstandes gegen Hitler. Viele Männer des 20. Juli 1944 seien Gemeindeglieder aus dem nahen Infanterieregiment 9 gewesen. Die Kritiker haben in den alten Kirchenakten aber andere Belege gefunden. "Diese genannten 20 Personen sind im Laufe der Zeit irgendwann mal in Potsdam stationiert gewesen. Aber man muss sagen, trotz dieser Kirche gab es diesen Widerstand", sagt Hans Misselwitz. "Es war kein Ort, an dem Widerstand bedacht oder gepredigt wurde, sondern ein Ort, an dem NS-Fahnenweihen und andere Veranstaltungen der Wehrmacht stattfanden, die zur Zurüstung zum Krieg gedient haben." Schon in der Vorkriegszeit sei die Kirche ein Versammlungsort reaktionärer Gruppen gegen die Weimarer Demokratie gewesen.
"Von herausragendem touristischen Interesse"
Dem aber widerspricht Wieland Eschenburg von der Garnisonkirchenstiftung vehement. Er erinnert zum Beispiel an den Kantor, Organisten und Glockenspieler Otto Becker, der etwa in den 1940er Jahren vom Turm der Garnisonkirche aus verfemte jüdische Musik gespielt habe. "In vielen anderen Kirchen lag neben der Bibel in der Nazizeit 'Mein Kampf'. Das hat es in der Garnisonkirche nicht gegeben", sagt Eschenburg.
Streit gibt es auch um die Wertung der DDR-Geschichte. Die Stiftung betreibe Geschichtsklitterung, wenn der Abriss des Kirchturms durch die SED-Verantwortlichen 1968 heute als Akt der Kulturbarbarei bezeichnet werde, sagt Misselwitz. Vielmehr gebe es klare Hinweise, dass die damalige Landeskirche in der DDR selbst davon Abstand nahm, das marode Gebäude auf eigene Kosten zu renovieren.Der Streit um die Historie dürfte also auch weiterhin ausgetragen werden. Nun aber wird der Kirchen-Kredit erst einmal an die Stiftung ausgezahlt. Deren Sprecher Wieland Eschenburg ist sich sicher, dass das Darlehen an die Kirche auch zurückgezahlt werden kann: "Indem wir einen Turm mit Aussichtsplattform haben werden, der von herausragendem touristischen Interesse ist, dass wir 80.000 Besucher im Jahr mindestens haben."
Anders als ursprünglich geplant wird die Kirche zum Reformationsjubiläum 2017 noch nicht fertig werden, aber zumindest soll bis dahin der Grundstein gelegt sein. Die Kritiker halten auch diese Planung für unseriös. Sie befürchten, dass es nun alsbald trotz des kirchlichen Geldsegens eine Garnisonkirchen-Bauruine mitten in Potsdam geben wird.