Erika Gitt vom Verein "Aktion für verfolgte Christen und Notleidende" (AVC) aus Nidda im hessischen Wetteraukreis schildert einen Fall, den ein christliches Ehepaar aus dem Iran in einer Flüchtlingsunterkunft in dem Landkreis erlebt habe.
Es habe sich dabei um Konvertiten gehandelt, die bereits im Iran zum christlichen Glauben gefunden hatten, berichtet Gitt. Da der Abfall vom islamischen Glauben im Iran verboten ist und mit dem Tod bestraft werden kann, flohen die beiden nach Deutschland. "Im Heim ist wohl durchgesickert, dass sie Christen sind", sagt Gitt. Nach ersten Mobbing-Aktionen flatterten zwei Mal Morddrohungen unter der Tür ins Zimmer des Paares.
Die Situation sei eskaliert, als der Mann eines Tages die Bewohner des Nebenzimmers um Ruhe bat. Die feierten dort, es floss Alkohol. Sie sahen nicht ein, leiser zu sein. Dann habe einer der Zimmernachbarn den Iraner als Christen beschimpft und ein Messer
gezogen. "Es ist Gott sei Dank nichts Schlimmes passiert", sagt Gitt. "Der Täter wurde danach in eine andere Unterkunft verlegt."
Berichte über Übergriffe auf Christen in den Notunterkünften sind kein Einzelfall. Gitt vermutet dabei noch eine hohe Dunkelziffer: "Wir haben erfahren, dass viele Opfer sich aus Angst vor weiteren Attacken nicht offenbaren wollen." Von ähnlichen Erfahrungen berichtet auch Paulus Kurt, Leiter des Arbeitskreises Flüchtlinge des Zentralrats orientalischer Christen in Deutschland. Über eine Hotline und Facebook-Gruppen erfahre er bundesweit von diesen Fällen.
Christen in Asylunterkünften erlebten Mobbing, sexuelle Belästigung und körperliche Gewalt, sagt Kurt. "Sie hören jeden Tag, dass sie kuffar, also Ungläubige seien, sie trauen sich nicht mehr, ein Kreuz offen zu tragen", schildert er. "In der Küche werden sie kontrolliert, damit sie kein Schweinefleisch zubereiten." Es sei typisch, dass christliche Flüchtlinge Angriffe verschwiegen, weil sie Angst vor weiterer Gewalt hätten.
Kurt sieht die christlichen Asylbewerber als Versuchskaninchen in einem gesellschaftlichen Experiment. An ihnen sollten muslimische Neuankömmlinge Toleranz lernen. "Auch die Muslime werden sich hier integrieren", sagt er, "aber wir wissen nicht, wie schnell das gehen
wird. Im Moment sind die Probleme jedenfalls da." Der Arbeitskreisleiter beklagt, es sei "unverständlich, warum man hier nicht reagiert" und fordert, christliche Flüchtlinge separat von muslimischen unterzubringen.
Christen und Muslime separat unterbringen?
Dieser Forderung kann Andreas Lipsch, Vorsitzender des Fördervereins Pro Asyl und Interkultureller Beauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau sowie der Diakonie Hessen, nur wenig abgewinnen. "Wir hören zwar immer wieder, dass solche Angriffe vorkommen", sagt er. Ein flächendeckendes Phänomen sei das aber nicht, das habe eine Umfrage der Diakonie in den von ihr betreuten Unterkünften ergeben. Man könne nur schlecht unterscheiden, welche Konflikte sich am Christsein der Betroffenen entzündeten und welche ihren Grund in persönlichen Differenzen hätten.
Für Arne Dembek, den Beauftragten der Evangelischen Kirche der Pfalz für Christen anderer Sprache und Herkunft, geht es bei solchen Angriffen oft nicht um Religion, sondern um soziale Ungleichheiten. In Syrien etwa zählten die Christen unter dem Assad-Regime zu den privilegierten Minderheiten. Man müsse aufpassen, in den verworrenen Konflikten nicht die Übersicht zu verlieren.
Außerdem berichtet Dembek, dass manche christliche Flüchtlinge nicht verstünden, warum sie hier muslimischen Flüchtlingen gleichgestellt seien. Schließlich seien die meisten vor muslimischen Tätern geflohen. "Wir müssen die Beschwerden über Angriffe ernst nehmen, denn die Christen haben oft eine Leidensgeschichte", betont er. "Wir müssen aber auch erklären, warum wir uns genauso um die Muslime kümmern."
Der AVC sammelt mittlerweile Fälle und dokumentiert sie. Dazu hat der Verein nach Gitts Worten einen Fragebogen entwickelt. Bundesweit
habe man bereits rund 30 Fälle erfasst. Allerdings müsse man in jedem Fall mit den Betroffenen sprechen, um differenzieren zu können. "Wir
schauen, ob es sich bloß um persönliche Konflikte oder um einen Lagerkoller handelt, bei dem die Situation wegen der beengten Lebensbedingungen in den Unterkünften eskaliert, oder ob es um echten Hass gegen Christen geht", sagt Gitt.