Die Tische sind voll besetzt: Seit einigen Wochen kommen bis zu 20 Flüchtlinge aus dem Iran in das evangelische Pfarramt in Weiden in der Oberpfalz und sprechen über den christlichen Glauben. Nach einem mehrmonatigen Vorbereitungskurs wollen sie sich taufen lassen. Damit sind sie nicht allein. In ganz Deutschland treten muslimische Flüchtlinge zum christlichen Glauben über. Pastor Holger Rauer zum Beispiel hat in den vergangenen Jahren rund 300 Flüchtlinge und schon länger in Deutschland lebende Muslime in seiner landeskirchlichen Gemeinde in Oldenburg-Osternburg getauft.
In Berlin strömen sonntags hunderte Iraner und Afghanen in die Dreieinigkeitskirche, viele haben sich in der selbständig-lutherischen Gemeinde taufen lassen. In die Schlagzeilen kommen vor allem Pfingstkirchen wie die persischsprechende Pfingstgemeinde in Hamburg, die kürzlich 70 Flüchtlinge in einem Hallenbad taufte.
Taufe an sich ist kein Asylgrund
Wie viele muslimische Flüchtlinge genau konvertieren, kann niemand sagen. Weder die katholische noch die evangelische Kirche weisen das extra aus. Viele Landeskirchen gehen aber von gestiegenen Zahlen aus. Auch Thorsten Leißer. Der Referent für Menschenrechte und Migration bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat mit der Vereinigung evangelischer Freikirchen vor zweieinhalb Jahren die Broschüre "Zum Umgang mit Taufbegehren von Asylsuchenden" herausgegeben. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hat ihre Hinweise im Jahr 2009 veröffentlich, bezogen aber nicht ausschließlich auf Flüchtlinge, sondern allgemein auf "Taufbewerber mit muslimischem Hintergrund".
Die evangelische Broschüre enthält Hinweise zu Sprachschwierigkeiten und einem ausführlichen Taufvorbereitungsunterricht ebenso wie zum Asylverfahren. Das sei Ende 2013 auch eine Reaktion darauf gewesen, dass Gerichte und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge immer wieder bezweifelt hätten, ob die Menschen tatsächlich Christen geworden seien oder ob sie sich mit der Taufe nur bessere Chancen im Asylverfahren ausrechneten, sagt Leißer. "Aber bei den Menschen, die in den landeskirchlichen Gemeinden getauft werden, besteht kein Anlass, an der Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels zu zweifeln."
Deshalb wehren sich EKD und Freikirchen auch dagegen, dass ein Prüfer oder Richter die Zehn Gebote oder anderes Wissen abfragt. "Solche Glaubensprüfungen sind aus kirchlicher Sicht zu unterlassen", heißt es in der Broschüre. Mit dem Amt habe es intensive Gespräche gegeben, "Probleme gibt es noch mit Verwaltungsgerichten", sagt Leißer.
Nach Angaben des Bundesamts kommen solche Examina nicht mehr vor. Die Entscheider interessierten sich dafür, "welche Bedeutung die neue Religion für ihn persönlich hat", sagte eine Sprecherin dem epd. Denn die Taufe an sich ist kein Asylgrund. Der Antragsteller müsse "glaubhaft machen", dass er seine neue Religion bei einer Rückkehr in sein Heimatland ausüben würde und dass ihm "deswegen dort eine asylrelevante Verfolgung droht". Zur Einschätzung der Gefährdungslage stelle das Amt den Entscheidern Länderinformationen zur Verfügung.
Taufschein in der Heimat ein mögliches Todesurteil
Deshalb müsse auch die Kirche diesen Menschen klarmachen, dass sie mit einer Taufe nicht automatisch ihre Chancen im Asylverfahren erhöhten, sagt Leißer: "Im Gegenteil, durch eine solche Konversion riskieren manche ihr Leben, wenn sie doch abgeschoben werden." Der Sprecher der Landeskirche in Württemberg, Oliver Hoesch, drückt es drastisch aus: "Für vom Islam konvertierte Menschen bedeutet ein Taufschein in ihrer Heimat oft ein Todesurteil."
Bisher stammen die meisten Taufbewerber aus dem Iran, inzwischen kommen viele auch aus Afghanistan und dem Irak. Der islamische Glaube sei ihnen im Iran "aufgedrängt worden", sagt Saeid beim Taufunterricht in Weiden. Für die Taufbewerber sei der Islam ein Teil des politischen Systems, das sie verlassen haben. In der Auferstehungsgemeinde in Mainz hat sich ein Mann aus der Zentralafrikanischen Republik taufen lassen. "Die Taufe ist für mich wie der Beginn eines neuen Lebens", sagt er.