Abraham Kratzsch aus Lossen bei Altenburg gilt als der erste bekannte Täufling, der das Sakrament nach den Regeln der evangelischen Kirche empfangen hat. Das genaue Datum sei nicht überliefert, berichtet die Altenburger Superintendentin Annette von Biela. Es habe damals noch keine Kirchenbücher gegeben. Aber Zeitraum und Ort seien bekannt: "Irgendwann im Sommer 1524 im Deutschen Bach."
Die Taufe unter offenem Himmel sei damals ein Kompromiss im Streit mit der katholischen Kirche gewesen. Da der zuständige, katholische Pfarrer in Gödern sein Gotteshaus nicht für diesen Zweck habe öffnen wollen, habe der Bauer Manfred Kratzsch seinen Bruder Bartholomäus, Pfarrer im nahegelegenen Tegkwitz, um Hilfe bei der Taufe seines Kindes gebeten. Erst wenige Monate vor diesem Ereignis hatte der Reformator Martin Luther (1483-1546) die Regeln hierfür in seiner Schrift "Von der Ordnung des Gottesdiensts" beschrieben.
Die Tegkwitzer Kirchenchronik berichtet erst einige Jahrhunderte später über das, was von diesem Tag damals in Erinnerung geblieben war. Demnach begab sich Pfarrer Kratzsch damals "daher nach Lossen, ließ daselbst in dem Ort ein Brett über den Bach legen, auf welches er trat, und taufte nach vorgängiger Belehrung der Anwesenden (...) das ihm dargebrachte Kind, welches den Namen Abraham erhielt, (...) nach lutherischer Weise und in deutscher Sprache."
Es soll sich den Überlieferungen zufolge schon damals um ein viel beachtetes Ereignis gehandelt haben. Jedenfalls seien viele Einwohner des Dorfes als Augenzeugen vor Ort gewesen.
"Die Taufe im Kleinen Jordan"
"Unser Tauffest im wenige Kilometer entfernten Göhren erinnert an dieses Ereignis", sagt Annette von Biela. Mit einer so großen Zahl an interessierten Taufwilligen hatte die Superintendentin allerdings nicht gerechnet. Dabei spiele das 500. Jubiläum und der Ort der ersten evangelischen Taufe gar nicht die ausschlaggebende Rolle, berichtet sie. Es sei vor allem der Rahmen mit Familienfest und Flusstaufe gewesen, der auf großen Zuspruch gestoßen sei. Selbst aus dem 35 Kilometer entfernten sächsischen Zwickau werde eine Familie anreisen.
Eingebettet sei der Gottesdienst in einen ökumenischen Festtag mit Vorträgen, einem Familienfest, einem abendlichen Konzert und einem besonderen Theaterstück. Etwa 25 Laienspieler aus der Region wirkten daran mit, auch sie übernehme eine kleine Rolle, berichtet die Superintendentin. Die Kostüme leihe das Theater Gera-Altenburg aus.
Geschrieben hat das szenische Spiel in vier Akten "Die Taufe im Kleinen Jordan" die 1954 in Altenburg geborene Arnhild Kump. Am Samstag hat es seine Uraufführung. Die frühere Papst-Pilgerin und heutige Leiterin des Ökumenischen Pilgerzentrums in Wien hat bis 2002 selbst in Tegkwitz gewohnt. Ihr Geburtsname Ratsch leitet sich wohl von Kratzsch ab.
Was aus dem ersten evangelischen Täufling Abraham Kratzsch später wurde, ist den Überlieferungen zufolge unbekannt. Auch über den Verbleib seines Onkels Bartholomäus gibt es demnach kaum belastbare biografische Fakten.
Gesichert überliefert ist allerdings 1539 eine Verbindung mit seiner Person in eher unrühmlicher Angelegenheit. In den Akten des Hauptstaatsarchivs in Weimar liegt eine Beschuldigung gegen ihn über einen angeblich begangenen Ehebruch. Manche Historiker vermuten, er sei daraufhin fortgezogen und habe anschließend beim Aufbau der evangelischen Kirche in Böhmen mitgewirkt. Andere vermuteten Bartholomäus Kratzsch später im Großraum Leipzig.
Bis heute weitaus präsenter im Bewusstsein der Altenburger ist der Ort der Taufe. Er erhielt neben seiner ursprünglichen Bezeichnung "Deutscher Bach" einen zweiten offiziellen Namen. In Anlehnung an den biblischen Taufort von Jesus Christus heißt der Fließ seit damals auch "Kleiner Jordan".