Der unerschrockene Jurist Fritz Bauer, der selbst von den Nazis verfolgt worden, kämpfte einen einsamen Kampf gegen alte Seilschaften und zahlreiche Gegenspieler aus Politik, Justiz und Geheimdienst, die von NS-Verbrechen und Massenmord nichts mehr hören wollten. Ulrich Noethen spielt in diesem Film von Regisseur Stephan Wagner den jüdischen Schwaben Fritz Bauer. Ulrich Noethen kam 1959 in München zur Welt, nach einem abgebrochenen Jura-Studium machte er in Stuttgart eine Schauspielausbildung. Nach einigen Jahren an wechselnden Theaterbühnen hatte er seinen Durchbruch 1997 im Kinofilm "Comedian Harmonists", er war in vielbeachteten Kino- und Fernsehproduktionen wie "Der Untergang", "Ein fliehendes Pferd" oder "Henri 4" zu sehen und erhielt zahlreiche wichtige Auszeichnungen. Seit zwei Jahren spielt er in der Krimireihe "Neben der Spur" die Hauptrolle. Ulrich Noethen lebt mit der Schriftstellerin Alina Bronsky ("Scherbenpark") und vier Kindern in Berlin.
Herr Noethen, wie würden Sie Ihren Kindern erklären, wer Fritz Bauer war?
Ulrich Noethen: Ich glaube, da würde ich erst mal beim Äußeren anfangen und ihnen erklären: Da müsst ihr euch einen Opa vorstellen mit weißen Haaren und einer dicken Brille. Ein schrulliger, knurriger und brummeliger alter Mann, eine knorrige Eiche. Und ich würde ihnen sagen: Fritz Bauer war einer von den Guten.
Als hessischer Generalstaatsanwalt trug Fritz Bauer zur Ergreifung des Nazi-Verbrechers Adolf Eichmann bei und leistete einen wichtigen Beitrag zum Zustandekommen der Frankfurter Auschwitzprozesse. Was bedeutet er Ihnen?
Noethen: Sehr viel. Es gibt nicht viele Gestalten in der deutschen Nachkriegsgeschichte, die zum Helden taugen. Fritz Bauer ist für mich ein Held und ein leuchtendes Vorbild.
Er war lange Zeit in Vergessenheit geraten, in jüngster Zeit haben sich gleich mehrere Filme mit ihm beschäftigt, darunter "Die Akte General" mit Ihnen als Fritz Bauer. Wie kommt’s?
Noethen: Vielleicht ist es jetzt einfach an der Zeit, sich mit der Nachkriegsepoche auseinanderzusetzen. Der Widerstand in der Nazizeit wurde schon häufig thematisiert, jetzt geht es um die Aufarbeitung der Nazi-Gräuel in der Nachkriegszeit – und daran hatte Fritz Bauer ja maßgeblichen Anteil.
Haben Sie sich über das Rollenangebot gefreut?
Noethen: Sehr. Ich habe mich dann intensiv mit ihm beschäftigt und bin sehr schnell in das Thema reingekommen. Das ist ja auch eine ungemein spannende Geschichte, die wie kaum eine andere einen Einblick in die Nachkriegsgesellschaft ermöglicht. Dass ein unbequemer Generalstaatsanwalt wie Fritz Bauer vom eigenen Staat observiert wird, ist doch eine Ungeheuerlichkeit. Dazu kommt natürlich die schauspielerische Herausforderung, eine Persönlichkeit wie Fritz Bauer zu spielen.
Sie treffen vor allem seine Akzentuierung und seinen schwäbischen Dialekt ausgezeichnet.
Noethen: Ich habe mich der Figur auch hauptsächlich über die Sprache angenähert. Mir ist aufgefallen, dass Fritz Bauer ähnlich wie etwa auch Herbert Wehner einzelne Worte besonders herausgehoben oder betont hat. Dazu kommt der schwäbische Tonfall, der mir ja nicht fremd ist – ich bin schließlich in Neu-Ulm und Augsburg aufgewachsen. Das Schwäbeln hat mir großen Spaß gemacht.
"Fritz Bauer gehört zu den prägendsten Gestalten der Republik"
Fritz Bauer fuhr auch mal schnell aus der Haut. Können Sie diesen Wesenszug verstehen?
Noethen: Insofern schon, als man sehen muss, dass der Mann unter einem enormen Druck stand. Kein angenehmer Wesenszug, aber man sollte das auch nicht überbewerten und jemandem wie Fritz Bauer zugestehen. Völlig fremd ist mir das übrigens nicht (lacht).
Wollte sich Fritz Bauer, der selber mehrere Monate im KZ saß und vor den Nazis ins Ausland fliehen musste, rächen?
Noethen: Ich glaube, es ging ihm nicht in erster Linie darum, mit diesen Leuten abzurechnen, das wäre ja ein hauptsächlich egoistisches Motiv. Ich glaube, er hat nicht aus einem Rachebedürfnis heraus so gehandelt, wie er gehandelt hat, sondern weil er die Hoffnung auf ein anderes Deutschland hatte. Er hat nicht nach hinten geschaut, sondern seinen Blick auf die kommenden Generationen gerichtet und sich gesagt: Es ist für das neue, demokratische Deutschland wichtig, dass wir uns mit dem Dritten Reich auseinandersetzen – und ich glaube fest, die Bundesrepublik wäre ohne Fritz Bauer eine andere.
Ist das nicht übertrieben?
Noethen: Keinesfalls, ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Fritz Bauer zu den prägenden Gestalten der Republik zählt. Er hat die Öffentlichkeit dazu gezwungen, sich mit Eichmann, Auschwitz, den ganzen Nazi-Verbrechen auseinanderzusetzen und damit einen entscheidenden Beitrag geleistet.
"Es ist wichtig, an solche Leute zu erinnern."
Er hatte auch etwas Unerbittliches.
Noethen: Stimmt, man hätte ihn ungern zum Feind gehabt. Aber er hatte nichts Eiferndes, und sein ganzes Handeln war von dem großen humanistischen Glauben an eine Gesellschaft geprägt, in der man zusammenleben kann.
Die zweite zentrale Gestalt des Films ist der wegen seiner Nazi-Vergangenheit umstrittene Kanzleramtsminister Hans Globke. Auch er war Jurist – aber das genaue Gegenteil von Fritz Bauer, oder?
Noethen: Das kann man so sagen. Alte Nazis wie Globke, der im Dritten Reich an der Entstehung der furchtbaren Nürnberger Rassengesetze mitgewirkt hat, wurden ja von den Amerikanern großzügig entnazifiziert und konnten in der Bundesrepublik steile Karriere machen. Adenauer hat an ihm festgehalten, weil Globke loyal war – genauso loyal wie er früher gegenüber seinen damaligen Herren war.
Glauben Sie, dass zeitgeschichtliche Stoffe wie der Film über Fritz Bauer etwas bewirken können?
Noethen: Das weiß ich nicht, aber ich glaube, es ist wichtig, an solche Leute zu erinnern. Ich finde zum Beispiel, dass jeder angehende Jurist mal etwas von Fritz Bauer gehört haben sollte.