Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte in einem auf Facebook veröffentlichten Video, er sei dankbar, dass der Entwurf von Michael Brand und Kerstin Griese im Bundestag angenommen wurde. "Er macht nämlich auf der einen Seite völlig klar, dass die Hürden für den Suizid nicht gesenkt werden dürfen, dass die Selbsttötung nicht eine normale Option werden darf. Auf der anderen Seite lässt er klare Gewissensspielräume für das Arzt-Patienten-Verhältnis. Die brauchen wir, weil man nicht jeden Einzelfall rechtlich regeln kann." Bedford-Strohm lobte die wichtige und "sehr ernsthafte Debatte". Alle Entwürfe hätten sich "an ethischen Maßstäben zu orientieren versucht", das sei wichtig für die politische Kultur.
Auch die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, findet die Entscheidung des Parlamentes richtig. "Jede Form organisierter oder gar geschäftsmäßiger Beihilfe zur Selbsttötung ist strikt abzulehnen und zu unterbinden", sagte sie. Beihilfe zum Suizid dürfe keine Dienstleistung werden. "Suizid darf zwar nicht geächtet werden, aber 'gesellschaftsfähig' darf er ebenso wenig sein", findet Kurschus. Allerdings könne es "Situationen geben, in denen ein Mensch für sich selbst keinen anderen Weg sieht, als einem anderen Menschen bei der Selbsttötung zur Seite zu stehen oder ihm gar dabei zu helfen". Dann sei es gut, dass weiterhin keine Strafe droht, so die Präses. "Grenzfälle bleiben auch darin Grenzfälle, dass sich aus ihnen keine verallgemeinerbaren Regeln ableiten lassen. Eine Entscheidung im Grenzfall kann niemals zu einer ethischen oder rechtlichen Norm oder zu einem Muster erhoben werden."
Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, begrüßt die Bundestagsentscheidung ebenfalls. "Eine Hilfe zum Sterben darf nicht die Hilfe beim Sterben ersetzen", sagte Rekowski. "Aus christlicher Sicht darf die Beihilfe zum Suizid keine normale Dienstleistung werden und ein Suizid nicht den Anschein der Normalität bekommen." Gerade alte und kranke Menschen sollten "nicht unter einen gesellschaftlichen wie familiären Druck geraten, den Suizid als mögliche Alternative zu einer kostenintensiven Pflege in Erwägung zu ziehen". Er ist wie seine westfälische Amtskollegin der Meinung, dass Personen, die "im Einzelfall die Gewissensentscheidung treffen, beim Suizid zu helfen", zu Recht straffrei bleiben.
"Niemand darf Geschäfte mit der Not von Menschen machen"
Für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau äußerte sich Kirchenpräsident Volker Jung ähnlich. "Die Beihilfe zum Suizid darf nicht zu einer problemlos abrufbaren Dienstleistung oder gar einem Geschäftsmodell werden", sagte er und betonte, dass die Beihilfe nur "in absoluten Ausnahmesituationen und nach einer intensiven Abwägung in Frage kommen kann". Für die evangelische Kirche bleibe es ein zentrales Anliegen, "Leben zu schützen, zu erhalten und zum Leben zu ermutigen".
Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, erklärte in Stuttgart: "Das Geschäft mit dem Tod haben wir als Kirchen aus guten Gründen immer abgelehnt." Persönlich habe er allerdings die Debatte für "unglücklich" gehalten, "weil oft so getan wurde, als ob der assistierte Suizid der letzte Ausweg sei", sagte July. Wie viele seiner Amtskollegen wies er auf die Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativmedizin hin und machte außerdem "die Sterbebegleitung im Sinn von wirklicher Begleitung" stark.
Für die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck äußerte sich Bischof Martin Hein. Die Parlamentsentscheidung zur Sterbehilfe liege auf der Linie dessen, wofür die evangelische Kirche eintritt. Hein sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande von Synodenberatungen in Bremen, mit dem Bundestagsbeschluss werde der Raum für eine Gewissensentscheidung gewahrt. Er lobte zudem das hohe Niveau, das die Sterbehilfedebatte vor und während der abschließenden Bundestagsberatung am Freitag ausgezeichnet habe. Bischof Hein ist Mitglied des Deutschen Ethikrates.
Auch der Vorsitzende der Union Evangelischer Kirchen, der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad, begrüßte das neue Gesetz. Damit werde der geschäftsmäßigen Werbung für den Suizid und den auf Wiederholung angelegten Angeboten ein Riegel vorgeschoben. "Niemand darf Geschäfte mit der Not von Menschen machen", sagte Schad.
"Das neue Gesetz schützt vor sozialem Druck
In einer gemeinsamen Erklärung mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken wertet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) das Verbot organisierter Sterbehilfe als "Entscheidung für das Leben und für ein Sterben in Würde". Die Abgeordneten hätten ein "starkes Zeichen für den Lebensschutz und damit für die Zukunft unserer Gesellschaft und ihren Zusammenhalt gesetzt", heißt es in der Erklärung. "Das neue Gesetz schützt schwer kranke und ältere Menschen vor einem zunehmenden sozialen Druck, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden", lobten der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, der Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx, die EKD-Synodenpräses Irmgard Schwaetzer und ZdK-Präsident Alois Glück.
Auch Ärzte und Pflegekräfte würden vor der Erwartung geschützt, Suizidhilfe zu leisten. Das neue Gesetz achte das persönliche Arzt-Patient-Verhältnis und stärke die Selbstbestimmung der durch Krankheit geschwächten Menschen. "Bis zum letzten Atemzug" werde ihnen solidarische Zuwendung garantiert. "Wo das durch geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung sabotiert wird, ist auch die Anwendung des Strafrechts in engen Grenzen notwendig", so die Kirchen.
Der Bundestag hat am Freitag ein Gesetz beschlossen, das organisierte Suizidbeihilfe unter Strafe stellt. Einzelfallentscheidungen von Ärzten sollen nicht sanktioniert werden. Schon vor der Bundestagsentscheidung hatten sich Kirchenvertreter hinter die Initiative der Abgeordneten Kerstin Griese (SPD) und Michael Brand (CDU) gestellt.