Foto: Evangelische Kirchengemeinde Nieder-Roden
Pfarrer Felipe Blanco Wißmann als Luther, Pfarrerin Yvonne Blanco Wißmann als Katharina von Bora: 95 Thesen gegen den Ablasshandel und für die Liebe Gottes.
Aus saurem Halloween wird süße Reformation
Ärgern wir uns darüber, dass kaum jemand den Reformationstag beachtet und dafür scharenweise Kinder als Monster verkleidet durch die Gegend rennen? Dass Johann Tetzels Ablassbriefe und Martin Luthers Wirken unbekannt sind, dafür aber beleuchtete Kürbisse übermäßigen Süßigkeiten-Konsum erhellen? Ein Pfarrer-Ehepaar aus Nieder-Roden trotzt dem Vergessen und etabliert eine neue Party am Reformationsabend: "Hello-Marteen".

Der Ablassprediger Johann Tetzel trifft am Halloween-Abend in Nieder-Roden auf Theologie-Professor Martin Luther. Tetzel verspricht den Menschen, dass sie dem Fegefeuer entgehen, sobald sie der Kirche ihr Geld spenden. Martin Luther hält dagegen, dass wir für die Liebe Gottes keine Leistung erbringen müssen.

Auf dem Puiseauxplatz im hessischen Nieder-Roden werden kleine Monster und Prinzessinnen mit ihren Eltern dem Theaterstück einer Laien-Schauspielgruppe folgen, das die evangelische Kirchengemeinde Nieder-Roden organisiert hat. So war es schon im vergangenen Jahr 2014. Das Pfarrer-Ehepaar Yvonne und Felipe Blanco Wißmann haben sich eine "Hello Marteen"-Party ausgedacht. Da sie in der Gemeinde gut angenommen wurde, nun also wieder: "Den übermäßigen Konsum, den es an Halloween auch gibt, lehne ich ab", sagt Yvonne Blanco Wißmann. Doch bei diesem neudeutschen Fest hat die Pfarrerin auch etwas beobachtet, das ihr gefällt.

"Martin Luther spricht: 'Fürchte dich nicht. Gott hat dich lieb, so wie du bist'"

"Als ich vor zwei Jahren mit meinen Kindern mitlief, hat mich beeindruckt, wie viel Mühe sich manche Menschen machen, Halloween schön zu gestalten", sagt sie. Daraus sei ihre Idee entsprungen, dass die Kinder doch statt des Schlachtrufes "Süßes sonst gibt es Saures" auch etwas an diese Menschen zurückgeben könnten.

Am Ende des "Luther gegen Tetzel"-Theaterstücks werden die Kinder, wie im Vorjahr, ein Segenslied einüben: "Martin Luther spricht: 'Fürchte dich nicht. Gott hat dich lieb, so wie du bist.'" Der Segen soll eine Alternative zum Schreien, Beleidigen und Eier und Tomaten werfen sein, die mancherorts auch dazu gehören können. "Die Kinder haben das Segenslied vergangenes Jahr auch wirklich an jeder Haustür gesungen", sagt Yvonne Blanco Wißmann. Viele Leute hätten sich darüber gefreut, hätten gesagt, wie schön sie es fänden, dass die Kinder noch etwas über die Reformation wüssten.

40 Kinder seien vergangenes Jahr in verschiedenen Kleingruppen von Haustür zu Haustür gelaufen. Auch für dieses Jahr hätten sich schon einige Kinder und Eltern angemeldet. "Doch wir erwarten auch viele, die spontan dazukommen", sagt Yvonne Blanco Wißmann.

Die Idee des Gebens, wenn die Kinder etwas nehmen, gefällt auch Kai Funkschmidt von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW). "Eigentlich gefällt mir die Tradition, die sich die vergangenen Jahre eingenistet hat, gar nicht", sagt er, da sie bisher fast ausschließlich kommerziell sei. Er halte auch nichts davon, die eigenen Feste an bestehende "anzubiedern". Doch er gibt auch zu bedenken, dass man sehr kaltherzig sein müsse, wenn man seinen Kindern verbiete an Halloween mitzulaufen.

Seit etwas mehr als einem Jahrzehnt ist das Halloween-Fest nun auch in Deutschland angekommen. Ursprünglich ist Halloween eine angelsächsische Tradition, da sie ihre Wurzeln im keltischen Kult und in Irland hat.

Am 31. Oktober ab 17 Uhr feiert die evangelische Gemeinde auf dem Puiseauxplatz in Nieder-Roden eine Mini-Andacht und das Theaterstück rund um den Reformator Martin Luther, der die Liebe entdeckt, wird gezeigt. Jeder darf dazu verkleidet vorbeikommen. Süßes wird es auch dort schon geben.

Mehr Informationen: www.eknr.de