Iraner schlagen in Teheran auf das abgerissene Wappen der Botschaft Dänemarks ein.
Foto: imago/UPI-Foto
Iraner schlagen in Teheran auf das abgerissene Wappen der Botschaft Dänemarks ein.
Zwölf Karikaturen als Funke für Gewalt
"Jyllands-Posten" löste mit Mohammed-Zeichnungen Proteststürme aus
Zusammenprall der Kulturen: Eine Serie von Karikaturen zum Islam in einer dänischen Zeitung führte vor zehn Jahren zu gewalttätigen Protesten. Die Folgen werden noch immer kontrovers diskutiert.
30.09.2015
epd
Mechthild Klein

Am 30. September 2005 erschienen in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" zwölf Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Aktion war als Provokation gedacht, sie sollte zeigen, dass die Meinungsfreiheit in der westlichen Welt höher steht als die Religion mit einem Abbildungsverbot des Propheten. Die Veröffentlichung hätte wohl kaum Beachtung gefunden, wenn nicht zwei dänische Imame Monate später die Mohammed-Karikaturen und andere drastische Zeichnungen in einem Pamphlet zusammengestellt und in mehreren islamischen Ländern gegen den Westen gehetzt hätten.

Das Ergebnis ist bekannt. Ein wütender Mob wurde auf den Straßen im Nahen Osten instrumentalisiert. Botschaftsgebäude wurden in Brand gesteckt. Mehr als 100 Menschen verloren ihr Leben infolge der Unruhen. Auf die dänischen Karikaturisten wurden Mordanschläge verübt. Bis heute steht einer von ihnen, Kurt Westergaard, unter Polizeischutz. Er zeichnete den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban.

Der "Stern"-Karikaturist Til Mette verteidigt Westergaard vehement, auch wenn er dessen Zeichnung stilistisch nicht gut findet. "Ich würde so etwas nicht selber machen", sagt er. Es sei eine "völlig brutale Agitprop-Zeichnung", die "keinerlei Sensibilität besitzt" und nur "Hau-drauf-Fantasien beflügelt". Mette stört, dass Westergaard und seine Zeichnergeneration mit dem moralischen Zeigefinger auftreten, weil sie sich als gesellschaftliche Aufklärer verstehen.

Dennoch würde Mette den Kollegen immer verteidigen: "Er kann zeichnen, was und soviel er will - das ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt." Egal wie geschmacklos man es finde. Damals zögerten einige Zeitungen, die dänischen Karikaturen nachzudrucken.

Die Unruhen vor zehn Jahren waren ein Vorgeschmack, wie ein Zusammenstoß der Kulturen aussehen könnte. Doch der Wind hat sich inzwischen offensichtlich gedreht. Als im Januar 2015 die Redaktion des Pariser Satiremagazins "Charlie Hebdo" von islamistischen Terroristen abgeschlachtet wurde, gab es keinen Tag des Zorns mehr in der islamischen Welt. Im Gegenteil, viele Muslime solidarisierten sich mit dem Bekenntnis "Je suis Charlie". Der Funke der Gewalt ist nicht mehr übergesprungen.

"Nicht immer draufhauen"

In der öffentlichen Diskussion über die Mohammed-Karikaturen bildeten sich zwei Lager. Die einen vertraten die Auffassung: Satire darf alles, weil es gesetzlich gedeckt ist, auch wenn damit Gewalt und Attentate provoziert werden könnten. Aber es gab auch Stimmen, nicht nur aus den Reihen der Muslime, die dafür werben, den Propheten Mohammed nicht zu beleidigen.

Die Berliner Islamwissenschaftlerin und Publizistin Gudrun Krämer plädiert für einen sensibleren Umgang mit Muslimen und für mehr Pragmatismus. Vielleicht sollte eine Zeit lang auf Satire über Mohammed verzichtet werden, damit "diese Wunde bei den Muslimen" endlich heilen könne. Krämer argumentiert: "Ist es nicht möglich, bestimmte überempfindliche Zonen einfach mal ruhig zu lassen und dafür die Probleme, die man sieht, in anderer Weise direkt und klar anzusprechen." Kritik am Geschlechterverhältnis oder Gewalt, die sich auf den Islam beruft, sollte direkt angesprochen, aber nicht über den Umweg der einer Karikatur oder Satire auf den Propheten, sagt Krämer.

Der evangelische Theologe Kurt Erlemann vertritt eine pragmatische Haltung. "Bloß, weil es mit der Meinungsfreiheit gedeckt ist, muss man nicht immer draufhauen", argumentiert der Wuppertaler Theologe. "Gerade weil Satire und Humor nur funktionieren, wenn es einen Grundkonsens auf beiden Seiten gibt." Den Konsens gebe es offenbar zwischen vielen Christen und Muslimen nicht. Da verfestigten sich nur die gegenseitigen Vorurteile. Von einem Verbot oder auch einer Verschärfung der Gesetzgebung hält Erlemann hingegen nichts.

Einer der dänischen Imame, die die Krise ins Rollen brachten, Ahmet Akkari, bereut seine Aktionen mittlerweile. Nach den Ausschreitungen hatte er sich nach Grönland zurückgezogen und dem Islamismus abgeschworen. Vor zwei Jahren entschuldigte er sich öffentlich bei dem inzwischen 80-jährigen Zeichner Westergaard. Der Karikaturist hat die Entschuldigung angenommen.