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Die Last mit dem Glück
Angst vor Schlangen, Spinnen oder großer Höhe kann man nachvollziehen. Aber gibt es eine Angst vor dem Glück? Psychologen sind diesem Phänomen auf der Spur - und bieten zugleich Wege und Strategien für mehr Lebensfreude an.
06.09.2015
epd
Stephan Cezanne

Nicht alle öffnen freudig ihre Tür, wenn das Glück anklopft. Manche Menschen scheinen regelrecht nach Misserfolg und Unzufriedenheit im Leben zu suchen - sie fürchten sich davor, dass es ihnen zu gut geht und dämpfen Freudengefühle. "Fear of Happiness" (Angst vor dem Glücklichsein) nennen Forscher das seelische Phänomen.

Die Angst vor dem Glück stehe in engem Zusammenhang mit einer Depression, fand der Psychiater Paul Gilbert vom britischen Kingsway Hospital 2012 heraus. Wie die US-Fachzeitschrift "Scientific American" über das Phänomen berichtet, setzen einige Menschen Glücklichsein zudem mit einer gewissen Form von Faulheit gleich: Für sie ist Glück unmoralisch.

Andere fühlten sich unwohl, wenn sie sich nicht ständig um etwas Sorgen machten. Wieder andere fürchteten, wenn sie sich über etwas sehr freuten, werde es ihnen wieder weggenommen. 

Die Furcht vor Freude am Leben sei mit dem Aberglauben verknüpft, "dass ein Mensch, der glücklich ist, mit etwas Negativem rechnen muss - quasi mit einer Bestrafung für das Glück", weiß der Salzburger Psychiater und Neurologe Manfred Stelzig: "Das kann ein Schicksalsschlag oder eine Krankheit sein, etwas, das unausweichlich Menschen, die gerade noch glücklich waren, im nächsten Moment auf eine harte Probe stellt."

Warum sind die einen glücklicher als andere? Studien zeigen, dass die Fähigkeit zum Glücklichsein zum großen Teil angeboren ist. Aber: Glücklicher zu werden kann man lernen, sind sich viele Psychologen sicher.

Sie sei immer erstaunt gewesen, dass einige Menschen selbst im Angesicht von Stress, seelischen Schocks oder Elend bemerkenswert gelassen und fröhlich blieben, erklärt die kalifornische Psychologie-Professorin Sonja Lyubomirsky. Sie habe herausgefunden, dass wirklich glückliche Menschen mit ihrer Grundeinstellung zum Leben ihr Glücklichsein verstärken ("happy habits"). Bei unglücklichen Menschen läuft der Mechanismus genau andersherum. Kurz: Glückskinder reagieren positiver auf das Leben.

Glück: "Denken, Fühlen und Handeln sind eins"

Wobei die meisten Menschen mit Glück ein optimales Wohlbefinden meinen, das das Herz wärmt, wie der Münchner Psychologe Stephan Lermer formuliert. Ein Zustand, in dem "Denken, Fühlen und Handeln eins sind. Wo man das Gefühl hat, angekommen zu sein, richtig zu sein".

Die Angst vor dem Glück könne man mit kleinen Schritten überwinden, erklärt der US-amerikanische Psychologe und Autor Peter Lambrou. Es gehe darum, allmählich kleinere positive Emotionen zuzulassen und sich in diesen auch behaglich zu fühlen. Beispiele seien die Genugtuung beim Lösen einer schwierigen Aufgabe oder die Freude an einem sonnigen Tag. Man müsse sich erst langsam daran gewöhnen, dass auf Vergnügen und Wohlgefühl in den meisten Fällen keine Katastrophe folge, schreibt Lambrou im US-amerikanischen Magazin "Psychology Today".

"Man kann erreichen, dass mehr Glücksmomente im eigenen Leben auftauchen", sagt auch der Psychologe Lermer. Die Forschung kenne "sieben Quellen des Glücks". Dazu gehörten Selbsterkenntnis und Dankbarkeit. Man sollte sich vorstellen, was man erreichen möchte und dies dann aktiv umsetzen. Glücklicher wird auch, wer aus sich herausgeht, Netzwerke aufbaut und offen für das Neue ist. Lermer: "Die sechste wichtige Quelle ist die Freundschaft und die siebte Liebe und Partnerschaft". Der Königsweg zum Glück aber liege darin, "andere glücklich zu machen."

"Nach oben ist die Skala offen"

"Glücklich wird nur, wer lernt, wie man glücklich ist", betont der Hamburger Psychologe und klinische Psychotherapeut Rainer Tschechne ("Die Angst vor dem Glück - Warum wir uns selbst im Weg stehen"). Man müsse nach Glücksmomenten in den gegenwärtigen Lebensumständen suchen. Tschechne: "Nur wenn wir unseren Blick schärfen für die Glücksbausteine, die bereits jetzt in unserem Leben zu finden sind, können wir Wege finden, in der Zukunft von Tag zu Tag etwas glücklicher zu werden."

"Glücks-Coach" Lermer bekräftigt: "Es kann einem nicht zu gut gehen, nach oben ist die Skala offen". Für Glück als Unterrichtsfach in der Schule plädiert der österreichische Medizin-Professor Stelzig. So wie der Mensch des 20. Jahrhunderts gelernt habe, dass er nach einem ganzen Tag im Büro regelmäßig etwas für seinen Körper tun müsse, so werde der Mensch des 21. Jahrhunderts lernen müssen, dass es ohne eine regelmäßige Pflege der Seele nicht mehr gehen werde. Stelzig: "Glücklichsein heißt, sich in seiner eigenen Haut wohlzufühlen."

Wer will, nimmt sich Gustav Gans zum Vorbild. Das Motto des Glückspilzes aus Entenhausen und Erz-Rivalen von Donald Duck lautet: "Das Glück liegt auf der Straße, man braucht es nur aufzuheben!"