15.8., ARD, 21.45 Uhr: "Ob ihr wollt oder nicht"
Bei seiner Kinoauswertung hatte dieses vorzüglich besetzte tragikomische Krebsdrama über eine unheilbar kranke junge Frau, die die Chemotherapie abbricht, nicht mal 10.000 Besucher; das typische Schicksal vieler Kinofilme, die nicht konsequent Komödie sein wollen. Dabei steht der Holländer Ben Verbong für die gelungene Kombination von Qualität und Anspruch. "Ob ihr wollt oder nicht" überzeugt vor allem als Ensembleleistung.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
15.8., Bayerisches Fernsehen, 20.15 Uhr: "Dreiviertelmond"
Das Drama erzählt vom widerwilligen Beginn einer wunderbaren Freundschaft: Seit ihn seine Frau verlassen hat, ist der Nürnberger Taxifahrer Mackowiak ein Menschenfeind, wie er im Buche steht. Das Leben des Grantlers ändert sich von Grund auf, als eines Tages die kleine Türkin Hayat in seinem Auto sitzt: Das Mädchen spricht kein Wort deutsch und sucht seine Mutter. Wie der Misanthrop nach und nach auftaut und seine Vorurteile verliert, ist großartig erzählt und von Elmar Wepper grandios gespielt.
16.8., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt"
Der Film beleuchtet ein groteskes Kapitel der düsteren Nazi-Geschichte: Im Konzentrationslager Sachsenhausen mussten Häftlinge auf einer speziell angelegten "Schuhprüfstrecke" deutsches Schuhwerk testen. Sie wurden gezwungen, bis zu 48 Kilometer am Tag auf einer 700 Meter langen Strecke zurückzulegen, die abwechselnd mit Split, Schotter, Lehm und Schlacke ausgelegt war. Das "Schuhläuferkommando" war als Strafkommando unter Häftlingen besonders gefürchtet. Hunderte starben hier aus Erschöpfung oder durch Folter der SS-Wachmannschaften. Trotzdem machte fast die gesamte damalige Schuhindustrie Gebrauch von dieser preiswerten Möglichkeit, ihre Produkte zu testen.
16.8., Arte, 18.15 Uhr: "Nie wieder Krieg!"
Die Dokumentation beschreibt historische Stationen der europäischen Friedensbewegung. Ihre Wurzeln führen zurück bis in die Fünfzigerjahre, als die Menschen vor allem in Großbritannien und Westdeutschland gegen die Atombombe demonstrierten. Bis in die Achtziger gingen Hunderttausende auf die Straße; unvergessen sind die Bilder der riesigen Menschenmenge, die 1982 im Bonner Hofgarten gegen den Nato-Doppelbeschluss protestierte. Abgerundet wird der Film durch neue Formen des Protestes im digitalen Zeitalter.
16.8., Arte, 20.15 Uhr: "Schrei nach Freiheit"
Richard Attenboroughs Meisterwerk aus dem Jahr 1987 ist der Klassiker des Anti-Apartheid-Kinos. Der Film erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen dem Journalisten Donald Woods (Kevin Kline), Chefredakteur einer südafrikanischen Zeitung, und dem schwarzen Bürgerrechtler Steve Biko (Denzel Washington), der schließlich verhaftet wird und an den Folgen der Folter stirbt; nun ist auch Woods’ Leben in Gefahr. Das Drama basiert auf der Autobiografie des Journalisten.
16.8., Arte, 22.50 Uhr: "Woodstock"
Drei Tage lang "Peace and Music": Der legendäre Dokumentarfilm von Michael Wadleigh über das noch legendärere Festival im 1969 gehörte jahrzehntelang zum festen Repertoire der Sommerfilmfestivals in den Programmkinos. Die drei Stunden lange Hommage an die Hippiebewegung ist 1971 mit dem "Oscar" ausgezeichnet worden. Das Open-Air-Konzert versammelte auf einer Farm im US-Bundesstaat New York eine unfassbare Anzahl der größten Rock- und Folk-Musiker ihrer Zeit: Jimi Hendrix, Joan Baez, Joe Cocker, Crosby, Stills & Nash, Jefferson Airplane, Santana, The Who, Canned Heat und viele, viele mehr. "Woodstock" ist dank der Blicke hinter die Kulissen jedoch mehr als bloß ein Konzertfilm, von der politischen Botschaft des Ereignisses ganz zu schweigen.
17.8., ARD, 20.15 Uhr: "Miss Sixty"
Die Handlung dieser Komödie mit ernstem Hintergrund ist zunächst nicht immer plausibel, gewinnt aber mit zunehmender Dauer an Tiefe. Sehenswert ist "Miss Sixty" jedoch wegen der beiden Hauptdarsteller. Neben Iris Berben in der Titelrolle gilt das vor allem für Edgar Selge, der sich als alternder Liebhaber einer viel jüngeren Frau zum Narren macht; die Dialoge sind zum Teil famos. Aus ethischer Sicht ist vor allem der Kern der Geschichte interessant: Eine sechzigjährige Wissenschaftlerin will ein Kind zur Welt bringen.
17.8., ARD, 21.45 Uhr: "Nigerias gestohlene Kinder"
Seit dem letzten Jahr hat die islamistische Terrorgruppe Boko Haram angeblich fast 2.000 nigerianische Mädchen entführt. Die meisten sind immer noch in Gefangenschaft. Wer fliehen konnte, berichtet von grausamen Gräueltaten. Viele Teenager werden einer Gehirnwäsche unterzogen und zum Kampf ausgebildet, andere zu Selbstmordattentäterinnen umerzogen. ARD-Korrespondentin Shafagh Laghai und ihr Team sind durch Nigeria gereist und haben furchtbare Geschichten gehört, darunter auch von Mädchen, die als Vergewaltigungsopfer schwanger geworden sind und nun in ihren Heimatdörfern diskriminiert werden.
17.8., WDR Fernsehen, 22.00 Uhr: "Mission Tierschutz"
Die Reportage aus der Reihe "die story" begleitet Tierschützer bei verschiedenen Undercover-Ermittlungen. Der ehrenamtlich tätige Aktivist Friedrich Mülln hat mit seiner Gruppe Tiertransporte verfolgt und zeigt, wie die Hühner eingepfercht 14 Stunden ohne Pause quer durch Deutschland gefahren werden. Erlaubt sind maximal 8 Stunden. Müllns „Soko Tierschutz“ filmte außerdem über Jahre hinweg, wie Rinder in einem Schlachthof in Österreich an der Grenze zu Bayern bei lebendigem Leib zerlegt werden. Dieses Fleisch landet vermutlich in deutschen Metzgereien.
18.8., Sat.1, 20.15 Uhr: "Die Welle"
Dennis Gansels beklemmendes Drama aus dem Jahr 2008 basiert auf dem "Third Wave"-Experiment, dass ein kalifornischer Lehrer 1967 durchgeführt hat. Der Film ist eine faszinierende und von damals noch kaum bekannten jungen Schauspielern wie Frederick Lau, Max Riemelt, Jennifer Ulrich, Jacob Matschenz und Elyas M'Barek großartig verkörperte Parabel über die Verführbarkeit des Individuums. Die Hauptrolle als charismatischer Lehrer, der die meisten seiner Schüler in fanatische Faschisten verwandelt, spielt Jürgen Vogel.
20.8., ARD, 22.45 Uhr: "Fünf Jahre Leben"
Kaum zu glauben, dass dies ein Debütfilm ist; das Drama über die willkürliche Inhaftierung des Deutschtürken Murat Kurnaz auf Guantánamo ist von herausragender Qualität. Angesichts der unmenschlichen Bedingungen, der beiläufigen Brutalität der Aufseher und vor allem der kompletten Willkürlichkeit ruft "Fünf Jahre Leben" die gleichen Emotionen hervor wie viele andere Filme dieser Art: Das Unrecht schreit zum Himmel. Stefan Schaller ist ein bemerkenswertes Regiedebüt gelungen, das den Vergleich mit vielen besser budgetierten Gefängnisfilmen nicht scheuen muss.
20.8., ZDF, 20.125 Uhr: "König von Deutschland"
Die Geschichte, die Helmut Dietls Sohn David in seinem Langfilmdebüt erzählt, erinnert an Peter Weirs Medienkritik "Die Truman Show": Auch der von Olli Dittrich großartig glaubwürdig verkörperte Thomas Müller findet sich irgendwann in einer Kunstwelt wieder, aus der es für ihn offenbar kein Entkommen gibt. Zunächst aber kann er sein Glück kaum fassen: Als er seine Arbeit verliert, erscheint aus heiterem Himmel der sympathische Stefan Schmidt (Wanja Mues) und bietet ihm einen neuen Job an. Das weitläufige Betriebsgelände wirkt allerdings seltsam leer, und eine richtige Aufgabe hat Müller auch nicht. Um so verwirrter stellt er fest, dass seine Vorlieben plötzlich Trends auslösen. Als er das Spiel schließlich durchschaut und aussteigen will, lässt Schmidt ihn kurzerhand entführen. Fortan muss der personifizierte Querschnitt sein Leben in einem originalgetreuen Nachbau seiner Wohnung verbringen.
20.8., Arte, 22.10: "Die Lebenden"
Vor dem Hintergrund entsprechender eigener Erfahrungen erzählt die Österreicherin Barbara Albert (Jahrgang 1970) die Geschichte der Berliner Germanistikstudentin Sita (Anna Fischer), die eines Tages durch Zufall rausfindet, dass ihr aus Siebenbürgen stammender geliebter Opa bei der SS war. Der hochbetagte und etwas verwirrte Mann (Hanns Schuschnigg) will die Erinnerungen nicht zulassen, und ihr Vater Lenzi (August Zirner) beschwört sie, die Vergangenheit ruhen zu lassen; aber Sita lässt nicht locker. Im Rahmen ihrer Recherche reist sie zunächst nach Warschau, wo sie im eine schockierende Entdeckung macht: Großvater Gerhard war Obersturmbannführer. Die Spur führt nach Auschwitz.
21.8., Arte, 20.15 Uhr: "Nachspielzeit"
Andreas Pieper ist mit seiner Berliner Milieustudie ein beunruhigend realitätsnahes Drama gelungen. Weil die Kamera oft ganz eng an den Protagonisten ist, vermitteln die Bilder eine direkte Emotionalität. Auf diese Weise wird auch die aggressive Atmosphäre sehr gut eingefangen, was dem Film dokumentarische Züge verleiht. Trotzdem lebt "Nachspielzeit" vor allem von den beiden Berliner Hauptdarstellern Frederick Lau und Newcomer Mehmet Atesci. Aus der ersten Begegnung des Deutschtürken mit dem Arbeitslosen, der "den Ausländern" die Schuld an seinem sozialen Scheitern gibt, entwickelt sich eine hasserfüllte Beziehung mit überraschendem Schluss.