Das Verhalten der Angeklagten erfülle den Tatbestand des Quälens, sagten die Karlsruher Richter. Die Klage der beiden, die sich zu unrecht verurteilt sahen, wurde verworfen. Damit ist das Urteil aus der vorherigen Instanz, dem Landgericht Nürnberg-Fürth, rechtskräftig. Es hatte die beiden wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen jeweils zu drei Jahren Haft verurteilt.
Obwohl der Sohn der Frau an der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose erkrankt ist, war das Paar aus dem fränkischen Lonnerstadt mit dem Jugendlichen drei Jahre lang nicht zum Arzt gegangen. Die Angeklagten hätten gewusst, dass die Erbkrankheit behandlungsbedürftig ist, aber dennoch nicht für notwendige medikamentöse, therapeutische und ärztliche Behandlung gesorgt. Vielmehr habe der als "Guru von Lonnerstadt" bekannte Angeklagte dem Jungen in Aussicht gestellt, dass seine Erkrankung bis zum 18. Geburtstag geheilt werde, wenn dieser täglich mehrmals mit ihm meditiere.
Allerdings habe sich der Zustand des Jugendlichen rapide verschlechtert. Er habe unter Atemnot und Kopfschmerzen gelitten und sei "massiv mangelernährt" gewesen. Der lebensbedrohliche Zustand des Jungen hätte zum Tode geführt, wäre er länger nicht behandelt worden. Das Verhalten der Angeklagten, das "Zuschauen beim Leiden" sei eine Misshandlung Schutzbefohlener, sagten die Karlsruher Richter. Beide hätten die Pflicht gehabt, für die notwendige ärztliche Behandlung des Minderjährigen zu sorgen, notfalls auch gegen dessen Willen.
Kontakte zum leiblichen Vater hatte das Paar unterbunden. Schließlich war der 15-Jährige zu seinem Vater geflohen. Kurz vor der Verjährung hatte der heute 28-Jährige Klage gegen die Mutter und ihren Freund eingereicht.
Der Sektenexperte der bayerischen Landeskirche, Matthias Pöhlmann, begrüßte das Urteil. Es könne Signalwirkung haben, sagte er gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die Rechte von Schutzbefohlenen in solchen Extremgruppen werden damit gestärkt". Er hoffe, dass nun ähnliche Opfer ermutigt werden, sich gegen solche Formen verletzender Religiosität zu wehren und sich Beratung und Hilfe zu suchen.
Das BGH-Urteil ist für den Theologen aber auch ein Hinweis darauf, dass Eltern allgemein eine höhere Fürsorgepflicht für ihre Kinder haben und sie gegebenenfalls auch gegen den eigenen Willen behandeln lassen müssen. Dies bedeute, dass esoterisch orientierte Eltern verpflichtet seien, ihren Kindern bei Krankheiten schulmedizinische medikamentöse und therapeutische Hilfe zukommen zu lassen. Krankheiten dürften von den Erziehungsberechtigten nicht umgedeutet werden, dass sie von "mangelnder Erleuchtung oder vom Schicksal herkommen", warnte Pöhlmann.