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Notger Slenczka, evangelischer Theologe.
Die Slenczka-Disputation - konstruktiv bis heiter
In Berlin hat es in Strömen geregnet, dennoch strömen die Menschen großteils durchnässt ins Audimax der Humboldt-Universität. Der Saal ist mit ungefähr 600 Gästen gut gefüllt. Viele Theologie-Studierende sind anwesend, auf ihre Initiative hin findet die Podiumsdiskussion statt.
13.07.2015
evangelisch.de
Sarah Salin

Wurde in den vergangenen Monaten die Diskussion teilweise auch mit verletzenden Worten geführt, verläuft die Debatte diesmal in freundlichem Ton, inhaltlich orientiert und konstruktiv. Zu Beginn betont Professor Notger Slenczka, Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Theologie und Dogmatik an der Berliner Humboldt-Universität, allerdings noch einmal: "Ich bin weder Anti-Judaist noch Schlimmeres."

Zum besseren inhaltlichen Verständnis der Disputation, wird Slenczkas Papier "Thesen zur Podiumsdiskussion" am Saaleingang an die Besucher verteilt. Im Kern spricht der Theologe sich dafür aus, die Texte des Alten Testaments als "Zeugnis und Ausdruck vorchristlicher Gotteserfahrung" zu verstehen. Er regt an, die Bedeutung des Alten Testaments für das Christentum herabzustufen. Dabei gehe es nicht um die Frage, ob das Alte Testament einen Platz in der Bibel habe, sondern welchen Platz es im Leben der Kirche heute einnehmen solle.

Seiner Auffassung nach spreche das Alte Testament nicht von Christus, und richtet sich somit nicht an die Kirche sondern an das damals gegenwärtige Judentum. Daher komme ihm eine dem Neuen Testament nachgeordnete Bedeutung zu. Für Slenczka, den systematischen Theologen, sind bei biblischen Texten besonders Fragen relevant wie: "In welchem Sinne können wir die Texte heute verstehen? Wo bin ich Adressat? Was sagt der Text mir?"

Bereits vorab führte er in seinen "Thesen zur Podiumsdiskussion" aus: "Kanonische Texte leben in ihrem Anspruch davon, dass sie von einer gegenwärtigen Religionsgemeinschaft als Anrede erfahren werden." Im klassischen Verständnis finde dies im Gottesdienst statt, mit dem Ziel zur gegenwärtigen Orientierung ausgelegt zu werden.

Zur Disputation ist Professor Markus Witte, Inhaber des Lehrstuhls für Exegese und Literaturgeschichte des Alten Testaments an der Berliner Humboldt-Universität, gekommen. Er widerspricht in vielerei Hinsicht den Thesen Slenczkas. Er sagt beispielsweise, die alttestamentlichen Schriften seien unverzichtbar zum Verständnis des Neuen Testaments. Hermeneutisch sei das Verhältnis beider Testamente komplementär zu sehen. Sie legten gemeinsam den Grund christlicher Theologie. Damit erübrige sich die Frage, ob dem Alten Testament seine kanonische Zugehörigkeit abgesprochen werden könne. Es fällt sogar auch das Wort "kulturgeschichtlicher Gedächtnisverlust".

Witte sagt auch: "Das Alte Testament sei die eine Bibel der frühen Christen." Er weißt auch darauf hin, dass wir aus dem Denken heraus kommen müssten, von einem Gott des Alten und des Neuen Testaments zu sprechen. Das Neue Testament betone schließlich auch die Bedeutung des EINEN Gottes.

Witte: AT "voller Spuren" der Dreieinigkeit

Auch Gedanken der Systematischen Theologie bräuchten die historische Auseinandersetzung, sagt der Alttestamentler Witte. Das Alte Testament sei schließlich "voller Spuren" der Dreieinigkeit Gottes.

Zur Podiumsdiskussion geladen ist auch Professorin Hanna Liss, die den Lehrstuhl für Bibel und Jüdische Bibelauslegung an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg inne hat. Sie sagt: "Ich finde es ein bisschen lustig, dass ich hier bin." Aus jüdischer Perspektive finde sie es verwunderlich, dass die Thesen von Slenczka solch eine Aufregung verursacht haben. In diese inhaltliche Auseinandersetzung wolle sie sich gar nicht einmischen. Allerdings zeichne Slenczka ein Bild der Juden, das sie nicht ganz ohne Kommentar stehen lassen könne. So betonte sie beispielsweise die Bedeutung der mündlichen Thora.

Slenczka: Im Dialog zeigt sich Wahrheit

Das Alte Testament solle jedoch weiterhin im Rahmen der Kirche historisch und auch systematisch reflektiert werden, findet Liss. Auch Slenczka sagt: "Dass diese Diskussion stattfindet, ist ein Zeichen für die Lebendigkeit der Kirche." Im Dialog zeige sich Wahrheit.

Die Atmosphäre während der zweistündigen Disputation ist fast durchgehend angeregt, oft sogar heiter. An mehreren Stellen wird gelacht. Beispielsweise als Professorin Liss als ihr Schlussfazit benennt: "Macht doch, was ihr wollt." Innerjüdisch werde so nun einmal nicht das Verhältnis von Altem und Neuem Testament diskutiert. Damit ihr Schlusswort aber doch nicht nur flapsig ist, fügt sie noch hinzu: Ihr habe die Diskussion gezeigt, dass der christliche Dialog eben nicht gleich dem jüdisch-christlichen sei.

Der Moderator der Runde findet ein schönes Schlusswort: "Sicherlich sind heute längst nicht alle Fragen geklärt worden. Möge der Abend ein fruchtbarer Impuls für das christliche Leben sein."

Notger Slenczka: "Ich bin evangelisch, weil..."