Manny Pacquiao schaut nach oben
Foto: dpa/Francis R. Malasig
Manny Pacquiao hat Gott gefunden.
Manny Pacquiao: Evangelikal boxen
Psalmen und Pastoren: Der Boxer Manny Pacquiao steigt in der Nacht zum Sonntag mit Gott in den Ring zum Boxkampf des Jahrhunderts gegen Floyd Mayweather. Aus dem Katholiken ist ein evangelikaler Christ geworden.

Den Boxkampf zwischen den mehrfachen Weltmeistern Manny "Pacman" Pacquiao und Floyd Mayweather haben die Boxfans in aller Welt lange herbeigesehnt. An diesem Samstag ist es soweit: erstmalig stehen sich die Boxgiganten im Ring gegenüber. Beide können auf eine höchst beachtliche Karriere stolz sein. Mayweather, 38, hat alle seiner 47 Profikämpfe gewonnen. Der 36 Jahre alte Pacquiao musste in 57 Profikämpfern nur fünf Mal den Ring als Verlierer verlassen. In der Kategorie 'Weltmeistertitel' in verschiedenen Gewichtsklassen liegt der Filipino jedoch mit acht Titeln klar vor den fünf des Amerikaners.

Schon bevor die beiden Kontrahenten sich die ersten Haken verpasst haben, gilt das Boxspektakel im MGM Kasino in Las Vegas als Kampf der Superlative. Zusammen verdienen Pacquiao und Mayweather garantierte 250 Millionen Dollar. Mayweather, dessen vielsagender Spitzname Money lautet, erhält 150 Millionen Dollar. Pacquiao geht mit dem Rest, immerhin noch 100 Millionen Dollar, nach Hause. Dagegen wirkt der eigens vom Weltverband WBC für den Kampf kreierte Champions-Belt, der mit 3000 Smaragden und einem Kilo Gold bestückt ist, fast schon mickrig.

Selbst die Guerilla sitzt vor dem Fernseher

Der Supersuperlativ aber ist – zumindest auf den Philippinen -  Manny Pacquiao. Für die Filipinos ist Pacman einfach der Größte. Ob Katholik oder Protestant, Muslim, Atheist oder Animist, ob Bettler oder Millionär, Mann oder Frau, Pazifist oder Terrorist, Rebellenmilizionär oder Armeesoldat – einfach alle verehren, lieben, vergöttern den Mann aus General Santos City auf Mindanao. Wenn Pacman kämpft, stehen die Philippinen still. Seit selbst die kommunistischen Guerilla der Neuen Volksarmee und die Rebellen der diversen islamischen Milizen auf Mindanao sich bei Pacman-Kämpfen in ihren Dschungelcamps lieber vor dem Fernseher versammelten, als sich Gefechte mit der Armee zu liefern, gilt Pacquiao als "Friedensapostel".

Wenn Pacquiao im Ring seine Gegner niederstreckt, vergessen die Filipinos für einen Moment lang Demütigungen wie jene Karikatur über die unverschämte Habgier der politischen Elite, die im Januar während des Besuches von Papst Franziskus die Runde machte. Ein Filipino mit einer gewissen Ähnlichkeit mit dem als äußerst gierig geltenden Vizepräsidenten Jejomar Binay verneigt sich vor dem Papst und küsst dessen Ring. Dann sagt der Heilige Vater lächelnd: "Kann ich bitte meinen Ring wiederhaben?" Der Filipino grinst verlegen und man sieht zwischen seinen Zähnen den funkelnden Fischerring.

Das Konterfei von Manny Pacquiao auf einem Airbus A320 der AirAsia

Pacquiao gibt seinen Landsleuten etwas, was sie im von Korruption, Willkür und Armut geprägten Alltag schmerzlich vermissen: Stolz. Wenn Pacman mit seiner Aggression, seinem Killerinstinkt, den Gegner im Ring niedermacht, dann sind sie wer, gerade so wie wir Deutschen 1954 nach dem "Wunder von Bern" wieder "wer waren".

Für dieses Gefühl des Stolzes, der nationalen Identität verzeihen die Filipinos ihrem Supermann einfach alles. Seinen Hang zum Protz, seinen Suff, seine Frauenaffären, seine wilden Nächte an den Spieltischen der Kasinos zwischen Manila und Las Vegas - und auch seinen Tiefschlag gegen die katholische Kirche durch seinen Übertritt zum evangelikalen Christentum.

Posterboy für die katholische Kirche

Bis zu seinem Erweckungsmoment im Jahr 2012 war der Superstar ein Katholik. Was nicht verwunderlich ist in der asiatischen Inselrepublik im Pazifik, wo mehr als 80 Prozent der 100 Millionen Einwohner Katholiken sind und die Kirche eine veritable politische Macht ist. Wie jeder Filipino buhlten auch die katholischen Bischöfe um die Nähe zu Pacquiao. Sie erhoben den für seine zahlreichen Frauenaffären berühmt-berüchtigten fünffachen Familienvater zum Posterboy ihrer Kampagne gegen das Gesetz über reproduktive Gesundheit, das eine Liberalisierung der Verhütungsmethoden zum Ziel hatte. Nach dem Motto "Hauptsache Promi" sah die Kirche großzügig darüber hinweg, dass Pacquiaos Hang zum Ehebruch und seine damals kurz vor dem Kollaps stehende Ehe ihn nicht wirklich zum Bannerträger katholisch-christlicher Familienwerte qualifizierte.

Dann aber sprach Gott zu Pacquiao und aus dem wilden Partyboy wurde über Nacht ein wiedergeborener Christ, aus dem notorischen Frauenheld ein mustergültiger Ehemann. "Als ich die Stimme Gottes hörte, habe ich mich verändert", erzählt Pacquiao in einem ausführlichen Interview mit Dudley Rutherford, Pastor der Shepherd Kirche in Kalifornien, die eine wesentliche Rolle bei Pacquiaos christlicher Wiedergeburt spielt. Sein Leben als Katholik beschreibt Pacquiao in dem vor wenigen Wochen geführten, fast einstündigen Gespräch als oberflächlich. "Ich habe fünf Mal am Tag gebetet. Danach bin ich mit Freunden ausgegangen, um zu trinken und zu spielen. Ich kannte Gott, habe aber nicht an ihn geglaubt", bekennt Pacquiao, der in seinem rot-weißkarierten Hemd, die Hände zwischen die Knie gesteckt, mehr wie ein Schuljunge beim Rapport vor dem Direktor wirkt, als ein millionenschwerer Weltstar mit Killerinstinkt im Boxring.

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Ernst und ruhig spricht der Mann mit dem Fusselbart über sein neu gefundenes Christentum, darüber, wie er sich als Boxer als auch in seinem "Zweitjob" als Abgeordneter im Kongress der Philippinen von Gott leiten läßt. Man nimmt ihm ab, dass er jeden Morgen und jeden Abend mit seiner Frau Jinkee in der Bibel liest und die beiden über das gelesene "meditieren".

Trotz der glitzernden und funkelnden schweren Rolex an seinem Arm – Pacquiao wirkt bescheiden, demütig - und man glaubt ihm, wenn er versichert, dass er seine Herkunft aus ärmsten Verhältnissen nicht vergessen hat. "Ich habe als Zwölfjähriger mit dem Boxen angefangen." Er habe zum Familieneinkommen beitragen müssen. "Ich habe damals für einen gewonnen Kampf zwei Dollar und bei einer Niederlage einen Dollar bekommen", erinnert sich Pacquiao.

Reis, Nudeln und Sardinen für die Armen vom Preisgeld

Als er berühmter wurde und die Preisgelder höher ausfielen, habe er begonnen, Armen zu helfen. "Nach jedem Boxkampf bin ich heimgefahren und habe von dem Preisgeld Reis, Nudeln und Sardinen für die Armen gekauft. Dann sind immer mehr Leute zu mir gekommen, um mich um Hilfe zu bitten. Deshalb habe mich dann doch eines Tages entschlossen, in die Politik zu gehen. Als Politiker hat man die Mittel, um wirklich zu helfen."

Nicht so wirklich jeder ist glücklich über Pacquiaos evangelikale Wiedergeburt. Die katholischen Bischöfe sicher nicht, aber sie sagen es nicht, zumindest nicht öffentlich. Den Nationalheiligen zu kritisieren, geht gar nicht. Wenn überhaupt, dann darf das nur eine – die Mutter.

Mama Dionisia, eine strenggläubige Katholikin, macht keinen Hehl daraus, dass sie über die Absage des Sohns an Kirche und Papst kreuzunglücklich ist. Nach Pacquiaos Niederlage gegen Juan Manuel Marquez schimpfte Dionisia: "Das hat er nun von seinem Glaubenswechsel. Seit die protestantischen Pastoren in sein Leben getreten sind, konzentriert er sich nicht mehr auf das Boxen."

Mit einer Schar Pastoren nach Las Vegas

Nach Las Vegas lässt Pacquiao gleich eine ganze Schar Pastoren von den Philippinen einfliegen. Die Pastoren aus General Santos City und Sarangani, der Geburtsstadt von Pacquiaos Gattin Jinkee, werden vor dem Kampf die philippinische Hymne "Lupang Hinirang" (Auserwähltes Land) singen.

Für den vor Boxkämpfen obligatorischen Psychokrieg der Worte zwischen den Kontrahenten lässt Pacquiao auch seinen Glauben sprechen. Statt durch großmaulige Schmähungen und Verhöhnungen liess er Mayweather über Twitter mit dem Psalm 27,1 wissen, was Sache ist: "Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten?"