Auferstehung
Foto: fotolia/Tran-Photography
Auferstanden auf Transparentpapier
"Christus ist auferstanden" - was für eine Botschaft! Sie zu verkündigen, ist für Pfarrerinnen und Pfarrer am Ostersonntag in der Kirche immer wieder eine Herausforderung. Es gibt keine Beweise – die Erzählungen von der Auferstehung müssen am Ende offen bleiben.

Das Grab war leer. Der Auferstandene ist einigen erschienen, so berichten die Evangelien und die Paulusbriefe im Neuen Testament. Zeugen werden benannt – doch Beweise gibt es nicht. Wer heute Jesu Auferstehung predigt, kann sich auf nichts anderes berufen als auf die 2000 Jahre alten Zeugnisse. Für Ostersonntag 2015 werden zwei Predigttexte vorgeschlagen: Die neue Perikopenordnung, die sich in einer Testphase befindet, bietet das Zeugnis von Paulus aus dem ersten Korintherbrief an (1. Korinther 15,1-11). Wer in der bisherigen Perikopenordnung fortfährt, darf die Ostererzählung aus dem Markusevangeliums auslegen (Markus 16, 1-8).

Michael Greßler ist Gemeindepfarrer in Camburg an der Saale. Als Neutestamentler liebt er das Markusevangelium und predigt schon zum vierten Mal über den Abschnitt, der ursprünglich das Ende des Evangeliums war, "ein sehr schöner herausfordernder Text mit dem offenen Schluss, das gefällt mir sehr". An der Stelle, wo die Frauen zitternd vom leeren Grab weglaufen, muss man sich ja fragen: Wie ist es weitergegangen, wenn sie niemandem etwas gesagt haben? "Da kommt eigentlich an dem offenen Markusschluss genau meine eigene Geschichte", sagt Michael Greßler – und die vielen eigenen Geschichten der Zuhörenden. Anstatt den kompletten Predigttext zu analysieren, bietet er seiner Gemeinde jeweils ein Bild an, das sie mit eigenen Erfahrungen und Erinnerungen ausmalen können. Dieses Jahr wird er über Engel an Gräbern sprechen – auch auf dem Camburger Friedhof gibt es uralte Grabsteine mit Engeln. Die setzt Greßler in Beziehung zu dem Engel in der Ostererzählung, weil er findet, "dass man eigentlich genau diesen Engel braucht, der sagt: Fürchtet euch nicht in all dem Zittern und Entsetzen, was ihr da an den Gräbern spürt."

"Schillernd und nicht festlegbar"

Die Engel als Hoffnungsboten, das ist sein Bild für dieses Jahr. "Die Herausforderung ist, wenn man zum vierten Mal in der Gemeinde denselben Text hat, dass man es nochmal anders sagt", sagt Greßler. Die letzte Markus-Osterpredigt hielt er vor sechs Jahren, damals war das Umkehren der Frauen vom Grab Thema seiner Predigt. "Sie gehen auf den Friedhof und kommen zwar zitternd und entsetzt zurück, aber sie gehen eben zurück ins Leben." Die Zuhörenden konnten also für sich bedenken: Wo gehe ich hin und wie geht mein Leben weiter, wenn etwas Neues, Unfassbares passiert ist?  

In den Osterpredigten geht es Michael Greßler niemals darum, die Auferstehung Jesu plausibel zu machen. "Ich würde mich hüten, das irgendwie definieren zu wollen, auch gegenüber Gemeindegliedern", sagt er. "Ich weiß nur: Man hat ihn gesehen und er war identifizierbar, und das war für die, die ihn gesehen haben, so wichtig, dass sie das weitergesagt haben." Deswegen gilt auch heute: Weitersagen. Möglichst immer wieder mit einem anderen, verständlichen und ausmalbaren Bild.

Auch Pfarrerin Annika Marte aus der Dornbuschkirchengemeinde in Frankfurt am Main verwendet dieses Jahr im Ostergottesdienst Bilder, und zwar echte aus Farbe, Papier und Pappe. Sie stellt vorn im Altarraum vier schwarze Kisten auf, jeweils mit einer Fensteröffnung, in die ihre Konfirmanden Transparentpapier geklebt haben. Darauf sind Bilder zu vier biblischen Auferstehungs-Erzählungen zu erkennen, die von hinten von Kerzen ausgeleuchtet werden. Mit Hilfe dieser Konfi-Arbeiten hat Pfarrerin Marte "die Möglichkeit zu sagen, dass wir diese Ostererscheinungen und -geschichten eben nicht klar und greifbar vor Augen haben, sondern sie sind schillernd und nicht festlegbar, so wie das Kerzenlicht durch das Transparentpapier durchscheint."

Unabhängig - wie Bonhoeffer im Gefängnis

So ist die Osterbotschaft offensichtlich: Nicht fest und starr, nicht mit Beweisen abgesichert. Das Durchscheinende, Offene, nicht Greifbare gehört dazu. Annika Marte hat für ihren Familiengottesdienst den Korinthertext gewählt und stellt dabei Vers 10 besonders heraus: Durch Gottes Freundlichkeit bin ich geworden, was ich jetzt bin. "Ich versuche zu sagen, dass bei uns Menschen auch der Tod und die Brüche und das ganze Schwierige im Leben dazugehören", sagt die Pfarrerin. "Trotzdem kann Paulus diesen Satz sagen. Das feiern wir eigentlich an Ostern, dass es eben nichts so ganz Klares oder Helles oder Starkes ist, sondern eben auch was sehr Zartes oder Zerbrechliches."

Gerade in den Zeiten, in denen im Leben etwas zerbrochen ist, gibt die Osterbotschaft Halt, davon ist auch Pfarrer Henning Hinrichs aus Reppenstedt bei Lüneburg überzeugt. Und zwar gerade weil die Auferstehungserzählungen so ungesichert und unbeweisbar sind. "Man kommt im Leben immer wieder an Punkte, die einen so durcheinander rütteln können, dass man gerade in den Botschaften des christlichen Glaubens, die sperrig sind – dazu gehört der Karfreitag ja ebenso – eine Hoffnung finden kann", sagt Henning Hinrichs, "weil man sonst keine Hoffnung mehr hat." Die Botschaft von der Auferstehung müsse unerklärt und unverfügbar bleiben, meint der Pfarrer. Nur so mache sie "unabhängig", das ist Hinrichs‘ zentraler Begriff, wenn er am Ostersonntag in seiner Auferstehungsgemeinde über den Korinthertext predigt.

"Diese Unabhängigkeit bekommt man in manchen Situationen eben gerade nur dadurch, dass es eine Botschaft gibt, die ich mir nicht herleiten kann", erklärt Hinrichs und nennt als Beispiel Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis: "Wenn der in dieser Situation schreiben kann 'Von Guten Mächten wunderbar geborgen', wenn er selbst seine Peiniger versucht zu lieben oder anzunehmen als seine Nächsten, dann bekommt er eine Unabhängigkeit von dieser Situation, die ihn ganz anders leben lässt." Dazu muss die befreiende Osterbotschaft einem Menschen allerdings erst zugesprochen werden, auch die Gemeindeglieder können sich den Zuspruch am Ostermorgen nicht selber holen. "Man braucht jemanden von außen, der einem das sagt" - damit meint Hennig Hinrichs wohl das gleiche wie sein Kollege Michael Greßler, wenn der vom "Hoffnungsengel" spricht - einen Boten, "der es auch mit Vollmacht sagen kann."

Weglaufen oder springen?

Dann allerdings kommt der Glaube der Zuhörenden ins Spiel, sie müssten quasi vom Bekannten ins Unbekannte "springen", sagt Pfarrer Hinrichs und erzählt aus seinem privaten Umfeld: "Mein Vater hat früher immer gesagt, er fänd' das mit dem christlichen Glauben ja ganz schön, aber das mit der Auferstehung, das könne er nicht glauben. Da geht es genau um diesen Sprung, den er nicht gemacht hat. Weil er guckt: Was finde ich selbst in meinem Leben wieder? Was kann ich verstehen?" Beim Springen müsse man sich sagen: "Es gibt etwas, das ich nicht verstehe und das mir trotzdem in meinem Leben Hoffnung geben kann. Das ich eben nicht vereinnahmen kann, sondern was ich erwarten, erhoffen, im Grunde glauben muss."

Wären die biblischen Ostererzählungen mit Beweisen unterfüttert und notariell beglaubigt, dann wäre solche Osterpredigt nicht möglich, nicht in der Auferstehungsgemeinde Reppenstedt, nicht in Camburg und nicht in Frankfurt. Die Botschaft muss unverfügbar bleiben, sie lässt absichtlich den Raum zum Sprung, zum Glauben. Deswegen liebt Pfarrer Michael Greßler den offenen Markusschluss: Bleiben die Zeuginnen in der Angst oder lassen sie sich trösten? Laufen sie weg oder zurück in ihr Leben? Und auch in der Dornbuschkirche in Frankfurt suchen die Gottesdienstbesucher ihren eigenen Weg, wenn sie nach der Predigt um die Kisten mit den Transparentbildern herumlaufen und die Ostererzählungen zu sich durchscheinen lassen.