Eritreas Regierung: "Hunger? Bei uns nicht"
Das Schweigen macht Angst: Eritreas Regierung will von einer Hungerkrise nichts wissen. Doch viele Flüchtlinge berichten von der wachsenden Hungersnot im Land. Die Dürre hat ganz Ostafrika im Griff.
05.08.2011
Von Bettina Rühl

Wenn Ammanuel mit seiner Familie in Eritreas Hauptstadt Asmara telefoniert, hört er häufig von Hunger. "Alles ist rationiert", sagt Ammanuel, der vor zwei Jahren ins benachbarte Kenia floh und seinen richtigen Namen lieber nicht veröffentlichen will. Er flüchtete vor der Verfolgung durch das diktatorische Militärregime in seinem Land. Jetzt sorgt er sich auch wegen der Dürre, die ganz Ostafrika im Griff hat.

Seit seiner Flucht habe sich sowohl die politische Lage verschlechtert, als auch die Versorgung. Der Eritreer im Exil hat Angst, dass sich die Regierung an seiner Familie in Asmara rächt, falls er im Ausland öffentlich Kritik übt. Oder dass sie ihn durch Agenten entführt und nach Eritrea zurückbringt - ein Alptraum.

In den Telefonaten erfährt er, dass seine Familie und andere Einwohner der Hauptstadt vor den Geschäften vergeblich Schlange stehen - es gibt fast nichts mehr zu kaufen. Hilfsorganisationen befürchten, dass die eritreische Regierung extreme Versorgungsengpässe verschweigt.

"Wir gehen davon aus dass die Notlage in Eritrea ähnlich schlimm ist wie im benachbarten Äthiopien, Kenia, Somalia", erklärt die Gesellschaft für bedrohte Völker. Noch am Donnerstag vergangener Woche hatte aber Yemane Ghebreab, ein enger Vertrauter des eritreischen Staats- und Regierungschefs Isaias Afewerki eine Hungersnot in Eritrea abgestritten: "Im vergangenen Jahr hatten wir eine Rekordernte." Auch mit Importen habe man Vorräte für den Notfall angelegt.

Angst vor Verfolgung und Unterdrückung: Regierung isoliert das Land

Die Regierung schottet das Land schon seit Jahren nahezu komplett ab. Fast alle Hilfsorganisationen mussten ihre Mitarbeiter abziehen, westliche Journalisten bekommen praktische keine Visa. Auch Eritreer im Ausland erfahren kaum etwas. "Bei den Telefonaten musst du unglaublich vorsichtig sein", sagt Ammanuel.

Denn das Unterdrückerregime hat die Überwachung gut organisiert. In einem vor wenigen Tagen erschienenen UN-Bericht wird Eritrea als eins der weltweit repressivsten Regime bezeichnet. Eritreas Regierung wird die Unterstützung von Terroristen vorgeworfen. Auch im Nachbarland Somalia soll sie eine ungute Rolle spielen: Die UN-Experten werfen Eritrea vor, die islamistische Miliz Al Schabaab trotz eines Embargos mit Waffen zu versorgen. Al Schabaab hat Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Kaida. Der UN-Sicherheitsrat verhängte deshalb schon 2009 Sanktionen gegen Eritrea. Dazu gehören Reisebeschränkungen für Regierungsmitglieder und das Einfrieren von Auslandskonten.

"Alles ist politisch", sagt der eritreische Dissident Elias Habteselassie - einer der wenigen, der es wagt, sich offen zu äußern. "Weil die Regierung mich sowieso als Kritiker kennt." Aber in Telefonaten ist auch er vorsichtig und überlegt genau, was er fragen kann. Die Antworten zur Ernährungslage könnten seine Gesprächspartner gefährden.

Die Menschen in Eritrea hungern und verlassen das Land

Die Fakten sprechen für sich: Schon in Zeiten mit normalen Ernten hat etwa ein Drittel der fünf Millionen Einwohner Eritreas nach UN-Schätzungen nicht genug zu Essen. Und Flüchtlinge berichten schon seit Wochen, dass die Bevölkerung infolge der Dürre hungert.

Eritrea hatte sich 1993 von Äthiopien gelöst. Fünf Jahre später kam es wegen eines Grenzkonflikts zu einem monatelangen Krieg zwischen beiden Ländern, die bis heute verfeindet sind. Die eritreische Regierung ging aus einer Rebellenbewegung hervor und investiert fast alle Einnahmen ins Militär. Obwohl das Regime die Flucht mit drakonischen Mitteln zu verhindern sucht, erreichten allein im Juli rund 1.000 Menschen die äthiopische Grenze.

Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge geht davon aus, dass bis zum Ende des Jahres noch mindestens 20.000 Eritreer in Äthiopien Zuflucht suchen werden. "Es beunruhigt uns sehr, dass Eritreas Behörden nicht um Nothilfe aus dem Ausland bitten", erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker. Wer Menschen aus politischen Gründen verhungern lasse, begehe ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

epd