Zwei Mormonen wollen US-Präsident werden
Ein Mormone als US-Präsident? Diese Vorstellung ist gar nicht so ungewöhnlich und könnte nächstes Jahr wahr werden, denn gleich zwei Mormonen bemühen sich um das Präsidentenamt. Allmählich wird die Glaubensgemeinschaft akzeptiert.
26.05.2011
Von Konrad Ege

Als mit John F. Kennedy 1960 erstmals ein Katholik Präsident wurde, war in den mehrheitlich protestantischen USA das Jahr der Katholiken. 2012 könnte so etwas wie das Jahr der Mormonen werden. Erstmals in der Geschichte der USA bemühen sich zwei Mormonen um das Präsidentenamt - der Republikaner Mitt Romney, Ex-Gouverneur von Massachusetts, und sein Parteikollege Jon Huntsman, Ex-Gouverneur von Utah, dem einzigen mehrheitlich mormonischen US-Bundesstaat.

Romney werden für den Vorwahlkampf zur Präsidentschaftswahl 2012 gute Chancen eingeräumt. Es ist bereits sein zweiter Anlauf, 2008 unterlag er Senator John McCain bei den republikanischen Vorwahlen trotz Erfolgen in elf der 50 Bundesstaaten. Für Huntsman, Miteigentümer des gleichnamigen US-Chemieunternehmens, sind seine gegenwärtigen Reisen durch wichtige Vorwahlstaaten der erste Abstecher in die große Politik.

Wenig Aufsehen um die Religion der beiden

Die früher als Sekte betrachtete "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" wird in den USA anscheinend zunehmend akzeptiert. Das sah auch kürzlich der Pressesprecher der Mormonen, Michael Otterson, so: Es gebe Anzeichen, dass das Thema "ein Mormone als Präsidentschaftskandidat" gar nicht mehr viel Aufsehen errege. Fünf der 100 US-Senatoren sind Mormonen, obwohl die Glaubensgemeinschaft nur knapp zwei Prozent der US-Bevölkerung stellt.

[listbox:title=Mehr zu Mormonen[Die "Kirche Jesu Christi" sieht sich selbst als wiederhergestellte Form des Neuen Testaments. Ihre Mitglieder glauben, dass Gott weiterhin zu den Menschen spricht und sich in Offenbarungen zeigt, unter anderem an Kirchengründer Smith 19. Jahrhundert. Der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen zufolge ist die mormonische Lehre mit der biblisch-christlichen Theologie nicht vereinbar. Nach Auffassung der ökumenischen Kirchen ist sie weder eine christliche Kirche noch eine Sekte, sondern vielmehr eine Mischform aus mehreren Religionen.]]

Die weltweit 14 Millionen Gläubige zählende Glaubensgemeinschaft wurde 1830 in den USA gegründet. In ihren Anfangsjahrzehnten praktizierten die Mormonen Vielehe. Die mormonische Lehre basiert auf der angeblich "unvollständigen" Bibel und dem Buch Mormon. Dem "Jahrbuch Amerikanischer Kirchen" zufolge verzeichnen die Mormonen im Gegensatz zu den meisten protestantischen Kirchen Zuwachs. Für den sorgen junge Mormonen, die bis zu zwei Jahre lang missionieren - Romney und Huntsman haben das auch getan.

Beide Politiker gelten als ausgesprochen wirtschaftsfreundlich und sozial konservativ, wie es von den Mormonen erwartet wird. Huntsman hat sieben Söhne und Töchter, Romney fünf. Wegen der mormonischen Theologie stieß Romney 2008 besonders bei Evangelikalen auf Argwohn. Sie betrachteten die missionierenden Mormonen als "Konkurrenten", schrieb der Politikwissenschaftler John Green.

Politische Unterstützung der einstigen Gegner

Doch die evangelikale "Ablehnungsfront" bröckelt. Bei der Kampagne gegen die Homoehe in Kalifornien im Jahr 2008 standen Evangelikale, Katholiken und Mormonen Schulter an Schulter. Erst kürzlich warnte der evangelikale Publizist Mark DeMoss, Medienberater der baptistischen Star-Prediger Billy und Franklin Graham, vor einem automatischen "Nein" zu Romney. Bei einer Wahl gehe es um Politik und Werte, nicht um Theologie. Romney vertrete diese konservativen Familienwerte.

Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Public Policy Polling" im März sagten 20 Prozent der befragten Republikaner, sie würden nicht für einen Mormonen stimmen. Allerdings gelten die erklärten republikanischen Kandidaten im Vorwahlkampf nicht gerade als evangelikale Traumpolitiker. Bei Meinungsumfragen unter Republikanern liegt Romney vorne, Huntsman eher hinten. Viele US-Amerikaner kennen Letzteren nicht einmal.

Huntsman aber will sich anscheinend als "Mormone light" darstellen. "Ich bin ein sehr spiritueller Mensch", sagte er kürzlich im Wochenmagazin "Time", und er sei stolz auf seine "mormonischen Wurzeln". Unter seinen Vorfahren seien Betreiber von Saloons und Verkündiger - er schöpfe aus beiden Quellen. Als Gouverneur von Utah hatte Huntsman die strikten Alkoholgesetze des Bundesstaates gelockert und sich für "eingetragene Partnerschaften" für gleichgeschlechtliche Paare eingesetzt - nicht eben typisch für das Mormonentum.

epd