Es gab mal eine coole Kunst-Aktion in Österreich. 2008 konzipierte die Bildhauerin Ursula Beiler ein Schild mit den Worten "GRÜSS GÖTTIN". Heute steht es am Kreisverkehr der Autobahn-Einfahrt Innsbruck Mitte. Es ist ein wunderbares Schild, ich bin schon oft daran vorbeigefahren. Und jedes Mal freue ich mich. Natürlich gab es Zoff in Tirol. Logisch. Welcher Mann will das schon auf sich sitzen lassen?
In Deutschland sind manche Männer genauso spießig. Da klagte doch tatsächlich gerade ein VW-Mitarbeiter gegen das Gendern, bloß weil er in Ruhe gelassen werden wollte, das Gendern verletze ihn in seinen Persönlichkeitsrechten, behauptet er ... Als hätten die Gerichte sonst nichts zu tun. – Natürlich verlor er. (Wer’s genau wissen will: Landgericht Ingolstadt: Az. 83 O 1394/21) Fehlt nur noch, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit der Sache befassen muss.
Das Gendern ist vielen Männern ein Dorn im Auge. Überwiegend ältere Herren bezeichnen es gern "als Wichtigtuerei von Leuten, die von Sprache keine Ahnung haben". Zwischen dem natürlichen und dem grammatischen Geschlecht bestehe nicht der geringste Zusammenhang. Es ist so absurd, dass ich es schon wieder lustig finde.
Dabei ist die Sache durchaus ernst. Sprache ist verräterisch. Sprache sensibilisiert. Sprache bildet. Sprache schafft Wirklichkeit. Ich bin darum unbedingt fürs Gendern.
Nur nicht bei Gott. Göttin hin, Göttin her.
Die Bibel kennt nur einen: Gott. Anders geht es den Menschen. Vor allem Frauen diskutieren darüber, ob Gott als "Gott" genügt. Ob nicht ein Genderstern dazugehört, wahlweise in der Mitte (G*tt) oder am Ende (Gott*). Oder ein Pluszeichen (Gott+). Und viele verwenden die Zeichen. Übrigens auch Männer.
So sehr ich das Anliegen teile, Gendersterne oder -unterstriche zu verwenden, wenn es um politische oder gesellschaftliche Themen geht, so wenig teile ich es, wenn es um Gott geht.
Gott braucht keinen Genderstern, und ich brauche auch keinen für ihn, einmal ganz abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie man Gott mit Gendersternchen in der Mitte oder am Ende ausspricht (und ich rede mit ihm, ich schreibe ihm nicht). Er benötigt auch kein Pluszeichen am Schluss seines Namens. Er braucht überhaupt kein Attribut.
Gott ist weder Mann noch Frau. Er hat gar kein Geschlecht. Und auch keine Gestalt. Er passt in keine Schublade, so sehr wir uns das auch wünschen. Denn er ist ein Geheimnis, das unsere Vernunft und Vorstellungskraft übersteigt. Wir können es nicht lüften, egal, was wir tun oder denken, egal, wie wir ihn nennen. Vor allem aber: Gott wird nicht größer durchs Gendern.
Er wird kleiner.
Ich gendere Gott nicht und verwende auch keine Sonderzeichen für ihn. Nicht, weil im zweiten der Zehn Gebote steht, dass ich mir kein Bildnis von ihm machen soll. Sondern weil es überflüssig ist. Für mich ist Gott „Gott“. Der Fels. Die feste Burg. Mein Hüter.
Und der schläft und schlummert nicht.
Schon gar nicht, wenn es um Fragen der Gleichberechtigung und der Gerechtigkeit geht.