"We’re on a mission as a company to put perfect information everywhere." So erklärt Howard Lerman, Gründer und CEO von Yext, was seine Firma eigentlich macht. Yext unterstützt Firmen und Organisationen dabei, die eigenen Informationen über die Organisation in der digitalen Welt korrekt zu halten. Das ist ein Riesengeschäft, besonders für den Marktführer: Im April 2017 ging Yext an die Börse und startete mit einem Gesamtwert von rund 1 Milliarde Dollar. Ralf Peter Reimann (@ralpe), Internetbeauftragter der EKiR, und ich hatten jüngst die Gelegenheit, in Düsseldorf mit Howard Lerman zu sprechen, weil die EKiR mit Yext über ein Pilotprojekt in der EKD im Gespräch ist.
Schwarzer Rollpulli, schwarzes Jacket, schwarze Hose und stechend blaue Augen, das ist der Ersteindruck, den Lerman mitbringt. Er ist der Visionär von Yext, seine Mitarbeiter und Kollegen hängen an seinen Lippen und an seinem Zukunftsblick. Aber was Lerman erzählt, hat Hand und Fuß. Er spricht von einem "tower of knowledge", einem "Turm von Wissen", der heute schon existiert. Man kann jetzt schon unglaublich viel wissen über jede Organisation auf der Welt. Es ist dieser Wissensschatz, den Firmen wie Google, Apple oder Facebook nutzen, um jede Frage ihrer Nutzer*innen zu beantworten – nach außen und nach innen, zur Beantwortung von Suchanfragen oder zum Verkauf von Werbung. Es ist dieses Wissen, das Yext zu organisieren hilft.
Lerman sieht vor allem eine Entwicklung darin, die allen heutigen Entscheidungen zugrunde liegt: den Wandel von vernetzten Dokumenten wie dem WWW über Keyword-Suchen, die daraus relevante Antworten filtern, hin zu einer daten-strukturieren Bereitstellung von Information. Einer der wesentlichen Treiber dieser Entwicklungen sind "voice assistants" wie Alexa und Google Home. Lermans Beispiel komtm aus dem Basketball: Die Frage "Wie viele Punkte erzielt LeBron James im Durchschnitt am Samstag?" lässt sich mit einer einfachen linearen Suche nicht beantworten, weil sie verschiedene Datenpunkte miteinander in Beziehung setzen muss (es sei denn, jemand hat diese Zusammenhänge schon von Hand aufbereitet.) Um auf eine komplexe Anfrage eine kohärente Antwort geben zu können, brauchen die Sprachassistenten eine darunterliegende Datenaufbereitung, die diese Antworten ermöglicht.
Da kommt Yext ins Spiel. Lerman: "Was wir tun, beginnt mit der Erkenntnis, dass die beste Quelle für Information über eine Organisation zunächst die Organisation selbst ist." Für uns hat er das passende Beispiel parat: "Wo eure Kirchen sind, worüber am Sonntag gepredigt wird und wann die Predigt beginnt, sollte nicht von einem Algorithmus erahnt werden, sondern von euch selbst bestimmt werden." Dann können unsere potentiellen Kirchgänger, sei es für Gottesdienste, Konzerte oder Lebensberatung, diese Information auch verlässlich abfragen.
Diese Herausforderung ist, was Howard Lerman antreibt. "Ich will Information demokratisieren", erzählt er uns, "ich will ermöglichen, dass jeder Nutzer immer die beste Information über jeden Dienst auf jedem Gerät in jedem Land der Erde bekommen kann". Auch in zehn Jahren, wenn Menschen in selbstfahrenden Autos unterwegs sind und Künstliche Intelligenzen noch ganz anders in unseren Alltag Einzug gehalten haben, werde diese Herausforderung bleiben, sagt Lerman. Denn jede Form von Input und Output braucht dahinter liegende Wissens- und Informationsquellen, und die müssen organisiert werden.
Wir müssen unsere digitalen Kirchtürme noch bauen
Es ist diese Aufgabe, vor der wir als Kirche auch noch stehen. Alles, was Menschen oder Maschinen über uns als Kirche und über den Glauben wissen können, müssen wir so bereitstellen und in die Welt verteilen, dass alle Menschen oder Maschinen es auch lesen können. Für Menschen haben wir bereits einen Weg gefunden, und das ist das Geschichten erzählen: das ist kirchlicher Journalismus wie evangelisch.de und chrismon ebenso wie die Sonntagspredigt oder der Kindergottesdienst.
Für Maschinen und KI-Systeme stehen wir als Kirchen aber erst am Anfang. Was wissen Google oder Alexa über uns? Welche Daten sind wie miteinander verknüpft, wie sieht unser "knowledge graph" aus, gerade bei so einer großen und komplexen Organisation wie der evangelischen Kirche? Wenn man heute Alexa fragt, was die evangelische Kirche sei, liest Alexa den Wikipedia-Eintrag vor. Wer auf Google Maps nach "evangelischer Kirche" sucht, bekommt zusammengesuchte Informationen aus ganz unterschiedlichen Quellen, deren Qualität die Kirche bisher nicht selbst bestimmt. Dabei hat Howard Lerman Recht, wenn er sagt: Wir selbst wissen am besten, wer, was und wann wir sind.
Die Google- und Alexa-Ergebnisse sind unsere digitalen Kirchtürme. Wir brauchen diese Anknüpfungspunkte, und zwar nicht nur dort, wo wir den Zugang selbst kontrollieren, auf eigenen Webseiten, Apps und Karten. Wir müssen das, was man über uns wissen kann, auch dort verbreiten, wo Menschen es über uns wissen wollen. Und wir müssen unsere Gemeinden und Pfarrpersonen darauf vorbereiten, dass Menschen über diese Kontakte zu ihnen finden werden. Nur so kommen wir mit Menschen in Kontakt, und erst dann können wir über Freiheit und Verantwortung, Jesus und Erlösung mit ihnen reden.
Vielen Dank für’s Lesen & Mitdenken!
(Wer mehr von Howard Lerman hören will, kann sich übrigens dieses Interview im Podcast "20VC" mit ihm anhören, wo er einen Teil dieser Ideen auch erläutert.)
Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.
P.S.: Leser*innen haben mich darauf hingewiesen, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs so - nehmt es als Präparat!