"Was die Ost-West-Frage betrifft, sind wir vorangekommen", sagte Klingbeil der Düsseldorfer "Rheinischen Post" mit Blick auf den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober. "Wir haben eine stärkere deutsche Einheit, als es etwa vor zehn Jahren noch der Fall war." Die Industrieansiedlungen von Intel und Tesla zeigten, dass der Osten attraktiv sei "und auch zu Recht deutlich selbstbewusster".
Deutschland befinde sich aber derzeit in einer Zeit der starken Polarisierung, sagte Klingbeil: "Zwei Jahre Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, die Klimakrise - das macht was mit den Menschen." Der SPD-Chef zeigte angesichts der Krisen Verständnis für Proteste von Menschen, die sich sorgen, wie sie angesichts massiver Preissteigerungen über die Runden kommen sollen. Die Regierung nehme dies sehr ernst und habe drei Entlastungspakete geschnürt, den Mindestlohn erhöht und stemme sich mit weiteren Hilfen von 200 Milliarden Euro gegen die Energiepreise.
"Aber es gibt eben unter den Protestlern auch solche, die schon gegen Flüchtlinge, gegen Corona-Maßnahmen, für Russland unterwegs waren", sagte Klingbeil. Diese Menschen versuchten jetzt, die berechtigten Sorgen zu instrumentalisieren und das Land zu spalten. "Das dürfen wir nicht zulassen", forderte der SPD-Vorsitzende. "Das ist auch keine Frage von Ost/West."
Bürgerfest zum Tag der Einheit
Bei Regenwetter sind am Samstagvormittag in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt die zentralen Feierlichkeiten zum diesjährigen Tag der Deutschen Einheit eröffnet worden. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) gaben auf dem Domplatz den Startschuss für ein dreitägiges Bürgerfest. Dort werden bis Montag bis zu 120.000 Menschen erwartet. Thüringen hat aktuell den Vorsitz im Bundesrat inne und richtet daher in diesem Jahr die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit unter dem Motto "Zusammen wachsen" aus.
Erfurts Oberbürgermeister Bausewein lud von der Bühne auf dem Domplatz aus Gäste aus ganz Deutschland in die thüringische Landeshauptstadt ein. Ministerpräsident Ramelow sagte, in Erfurt solle gefeiert, aber auch auf Sorgen aufmerksam gemacht werden. Auch solle eine "solidarische Brücke in die Ukraine" gebaut werden, fügte der Thüringer Regierungschef hinzu. Erfurt stehe für herausragende Ereignisse der deutschen Geschichte, sagte Ramelow unter Hinweis auf den Besuch von Bundeskanzler Willy Brandt 1970 und den Sturm auf die Stasi-Zentrale am 4. Dezember 1989.
Auf dem Bürgerfest präsentieren sich alle Bundesländer sowie die Verfassungsorgane. Rund 60 Institutionen und Aussteller haben ihre Teilnahme angekündigt. Auf einer Ländermeile zeigen alle 16 deutschen Länder ihre kulturellen und kulinarischen Besonderheiten.
Der offizielle Staatsakt am 3. Oktober im Erfurter Theater und zuvor der Gottesdienst im Dom werden live im Fernsehen übertragen. Die Festrede hält Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD).
Seit 1990 ist der 3. Oktober ein gesetzlicher Feiertag und erinnert an die Deutsche Wiedervereinigung. Der epd erklärt im Video, wobei es beim Tag der Deutschen Einheit geht: