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Eltern, die ihr Kind segnen, geben ihm viel mit auf den Weg. Hier erfahren sie Hintergründe und Gestaltungsmöglichkeiten - dem Segen auf der Spur!

Darf ich Sie mal was fragen? Sie haben eben 'gesegnete Feiertage' statt schönes Fest gesagt – was meinen Sie eigentlich damit?" Die Frage der jungen Frau an der Supermarktkasse lässt mich vom Einpacken meiner Feiertagseinkäufe hochschauen. Ach du Schreck! Wie soll ich das in wenigen Sätzen erklären?

"Das hier ist Segen", sage ich und deute auf meinen vollen Warenkorb. "Fülle, Überfluss, dass das alles gewachsen ist und dass ich es mir kaufen kann." Der abwartende Blick der Kassiererin lässt mich einen zweiten Anlauf machen: "Segen heißt für mich auch, dass ich das Gefühl habe, so wie ich bin, bin ich gut genug, ich bin gewollt und geliebt. Ein Fest ist für mich gesegnet, wenn alle das spüren: Wir leben von dem, was uns geschenkt ist."

Auf dem Nachhauseweg sinniere ich: War das eine verständliche Erklärung – oder hätte ich besser kurz erzählt, dass wir unsere vier Kinder kurz nach ihrer Geburt gesegnet haben? Weil wir spürten: Wir Eltern können unsere Kinder nicht so beschützen, wie wir es gerne wollen. Und weil wir ahnten: Von Anfang an müssen wir unser Kind freigeben. Kinder sind ein unverfügbares Geschenk Gottes. Und Segen ermächtigt ein Kind, es selbst zu sein. Eltern, die ihr Kind segnen, können ihm das Grundgefühl vermitteln: "Ich bin willkommen auf der Welt." Segen eröffnet Zuversicht und einen bergenden Ort – bei Menschen und bei Gott.

Versöhnen und ermutigen

Aber vielleicht hätte ich der Kassiererin auch erzählen sollen, dass wir seit fast 25 Jahren in unserer Familie jede Woche ein Sonntagsbegrüßungsfest feiern, bei dem wir uns am Ende der kleinen Liturgie und vor dem leckeren Essen eine "gesegnete Woche" wünschen. Zuvor kann noch einmal in liebevoller Atmosphäre "auf den Tisch" kommen, was in der Woche nicht rund gelaufen ist. Segnen hilft, sich zu versöhnen.

Oder hätte ich erzählen sollen, dass ich unserem erwachsenen Sohn, ehe er für unbestimmte Zeit nach Kalifornien aufbrach, wortlos ein kleines Kreuz als Reisesegen auf die Stirn gezeichnet habe, das er verstand als Ermutigung, Freigabe und das Hineinstellen in Gottes Schutz?

Fülle, Schutz und Gedeihen

Vielleicht hätte ich auch beim allgemeinen Sprachgebrauch ansetzten sollen: "Ein Segen, dass du kommst", "Erntesegen", "Kindersegen", "Meinen Segen habt ihr", "Gesegnete Mahlzeit", "Viel Glück und viel Segen". Da wird etwas gut geheißen, als Glück empfunden. Da ist Fülle, Schutz und Gedeihen. Und es klingt auch an: Segen hat mit Unverfügbarkeit zu tun, da ist etwas der menschlichen Machbarkeit entzogen. Denn nichts, was wirklich wichtig ist, können wir kaufen: Geld, Beziehung, Gesundheit, Frieden.

Und wenn der "Haussegen schief hängt"? Dann gibt es kein gedeihliches Zusammenleben, es wachsen weder Frieden noch Glück. Segnen hieße da, einen Menschen, der seine Situation als Unheil erlebt, hineinzustellen in die heilvolle Beziehung zum Gott des Lebens.

Gottes Augenmerk

Niemand kann sich selbst segnen, aber jeder kann einen anderen Menschen segnen. Segen wird immer geschenkt! Und das Erstaunliche: Für beides, das Segnen und das Gesegnet-Werden, ist der Glaube nicht die Voraussetzung. Wer sich auf den Segen einlässt und ihn einübt, wird womöglich erleben, dass der Glaube leise hinzutritt.

Eine Bauersfrau hat mir erzählt, dass ihr Enkelkind morgens vor der Schule -- und besonders gern vor einer Klassenarbeit -- bei ihr klingelt und sie bittet: "Oma, mach mir ein Kreuzchen auf die Stirn." Sie praktiziert den Segen ganz "alltäglich". Und ihr Enkelkind erlebt, dass Segen nichts spektakulär Außergewöhnliches ist: jemanden bewusst unter den Schutz Gottes stellen, ihn an den Kraftstrom Gottes "anschließen" und ihm die Gegenwart Gottes zusprechen. Und das ist nicht die Sache von geistlichen "Fachleuten", das können Eltern und Großeltern selbst. Dabei ist Segnen mehr als ein guter Wunsch. Segnen macht die Zuwendung Gottes "handgreiflich". Segen kommt von "signare" und bedeutet "bezeichnen". Wer gesegnet wird, bekommt zu spüren: Du gehörst zu Gott. Auf dir ruht Gottes Augenmerk.

Segnen heißt: Wir sind handsignierte Unikate

Natürlich sollte man den Segen nicht als magisches Ritual missverstehen. Was, wenn die Arbeit trotz Kreuz auf der Stirn danebengeht? "Dann nehme ich den Enkel in den Arm und sage: 'Macht nix, ich hab dich trotzdem lieb’", erklärt mir die Bäuerin. Segnen heißt: Wir sind handsignierte Unikate – komme was mag.

Wir machen heute dieselben Erfahrungen wie Menschen zu allen Zeiten: Das Leben ist voller Gefahren, es kann jeden Augenblick die Erfahrung mit sich bringen, ausgeliefert zu sein wie ein ausgesetztes Kind. Darum gibt es wohl die Sehnsucht nach Segen auch heute: nach Schutz in ungesicherten Situationen, nach dem Behütet-Werden, nach einem bergenden Ort.

Segen an Schwellen des Lebens

Nicht zuletzt deshalb ist der Segen an Schwellen des Lebens gefragt: Geburt, Erwachsenwerden, Heiraten, Sterben. Wo gibt es im Leben unserer Kinder solche Schwellensituationen? Beim Eintritt in den Kindergarten, zu Beginn des neuen Schuljahres, am Abend, vor dem Einschlafen - lauter Gelegenheiten für Eltern, ihr Kind zu segnen. Ganz "handgreiflich" mit einem Kreuzzeichen, mit dem Auflegen der Hand und mit dem einfachen Satz: "Gott segne dich!"

Wo der Segen ganz selbstverständlich eingeübt wird, werden Kinder ihn auch selbst praktizieren. Da bekommt der Papa vor dem Antritt einer Dienstreise einen Segen, da segnet ein Kind die kranke Großmutter.

Das "Ja" Gottes

Nun gibt es aber eine Bestimmung von Segen, die eine viel tiefere Daseinsebene erreicht: Gesegnet sein ist radikales Bejaht-Sein, und zwar durch Gott selbst. Weil dieses "Ja" Gottes zu uns Menschen in Jesus greifbar ist, wird Jesus als der Segen Gottes schlechthin bezeichnet. Meine Einzigartigkeit ist damit verbürgt -- das Recht so zu sein, wie ich bin.

Darauf müsste auch in einer christlichen Familie alles hinauslaufen, dass die Kinder gestärkt werden und vermittelt bekommen: "Nimm dich genau so an, wie Gott dich gemacht hat! Glaube daran, dass du einzigartig und wertvoll bist!" Diesen Segen sind wir unseren Kindern schuldig. Er macht sie stark.

Buchtipp:

Christiane Bundschuh-Schramm: Kinder stärken – Kinder segnen (Schwabenverlag)

Das Buch ermutigt Mütter und Väter, sich das Segensritual (wieder) anzueignen und zeigt, wo der Segen im Familienalltag Platz haben kann. Die Autorin gibt auf der Grundlage fundierter Theologie eine alltags- und familientaugliche "Gebrauchsanweisung". Sie stellt Segensgebete und Rituale vor, die gut umzusetzen sind - auch für Eltern, die in religiöser Sprache und Ritualen nicht sehr geübt sind. > Leseprobe

Autoren

Karin Vorländer

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Karin Vorländer lebt in Nümbrecht bei Köln. Sie ist freie Journalistin, Religionspädagogin, Autorin und Referentin. Ihre Themenbereiche: Erziehung, Glaube und gesellschaftliche Verantwortung, Spiritualität und Ökologie.