Der "Lenaismus" um Deutschlands Oslo-Star wächst
Natürlichkeit, die begeistert: "Unser Star für Oslo", Lena Meyer-Landrut, wird am Pfingstsonntag 19 Jahre alt. Eine Woche später muss sie sich in Oslo auf internationaler Bühne behaupten.
17.05.2010
Von Charlotte Morgenthal

"Lenaismus" heißt das neue Schlagwort in den deutschen Medien, während die Briten von "Lenamania" sprechen. Die Begeisterung für die 18-jährige Abiturientin Lena Meyer-Landrut aus Hannover schlägt Wellen in Europa. Warum die Gewinnerin der deutschen Vorentscheidung für den Eurovision Song Contest bei so vielen Menschen so gut ankommt, erklärt Medienexperte Helmut Scherer: "Lena ist sehr authentisch, mit ihr kann man sich identifizieren, und das ist heute gefragt."

"Ideale deutsche Gesamttochter unserer Zeit"

Ungeachtet dessen werde der Starkult hauptsächlich von den Medien erschaffen. "Man muss zwischen Lena-Volksmanie und Lena-Medienmanie unterscheiden", sagte Scherer, Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaften aus Hannover. "Vielleicht ist sie nur eine Sternschnuppe, aber vielleicht wird aus Lena ja auch Nena und wir sehen noch, wie sie ihre Kinder großzieht."

Dagegen sagt Eurovisions-Experte Jan Feddersen, Lena reiße selbst diejenigen mit, die sich normalerweise nicht für Popmusik interessierten: "Lena ist die ideale deutsche Gesamttochter unserer Zeit, und sie hat einen Song, der ins Ohr geht." Der Journalist und Autor Feddersen verfolgt den europäischen Musikwettbewerb seit seiner Kindheit und hat mehrere Bücher darüber verfasst.

Auch die Zahlen sprechen für den Erfolg der jungen Musikerin: Lenas Single "Satellite", mit der sie am 29. Mai in Oslo antreten wird, schoss direkt auf Platz eins der deutschen Charts. Das Musikvideo wurde auf Youtube einen Monat nach Veröffentlichung fast acht Millionen Mal abgerufen.

"Pfingstfest tiefergehender als ein kurzlebiger Starkult"

Genauso wie Feddersen ist auch die hannoversche Modedesignerin Rike Winterberg von einem "Lena-Trend" überzeugt. Winterberg hatte im Februar für einen TV-Auftritt von Lena ein gleichnamiges Kleid entworfen. Mehrmals täglich werde bei ihr seitdem das schlichte Modell "Lena" aus Schurwolle für etwa 300 Euro bestellt. "Lena begeistert, weil sie auf der Bühne so ist wie im richtigen Leben: sehr authentisch", sagt die Designerin. Die junge Musikerin selbst gibt sich auf Fragen, wie sie sich die Faszination um ihre Person erkläre, gelassen: "Ich bin immer noch dieselbe Lena."

Am Pfingstsonntag wird sie ihren 19. Geburtstag mit Gesangsproben auf der Bühne in Oslo verbringen. Und Pfingsten ist auch der "Geburtstag der Kirche". In der Bibel heißt es, dass am 50. Tag nach Jesu Tod die Jünger den Heiligen Geist empfingen und begeistert anfingen zu predigen. Auch die Kirche müsse die Beliebtheit von Popmusik aufgreifen, urteilt Oberkirchenrat Thies Gundlach vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): "Wir als Kirche können nicht sagen, wir wollen nah bei den Menschen sein, aber den Zeitgeist finden wir doof."

Doch einen Zusammenhang zwischen der Euphorie um Senkrechtstarterin Lena und der Begeisterung der Jünger Jesu in der biblischen Pfingstgeschichte sieht er nicht. Das Pfingstfest sei tiefergehender als ein kurzlebiger Starkult. "Pfingsten, das war ganz großes Kino", sagt er. "Wer redet denn in über 2.000 Jahren noch von Lena Meyer-Landrut?"

epd