"Stell dir vor, Mama wird konfirmiert"
Mit Konfirmandenkursen für Erwachsene hat eine Frankfurter Kirchengemeinde eine Lücke entdeckt: Sie bietet einen Rahmen, um die eigene Biografie und den christlichen Glauben zusammenzubringen.
17.05.2010
Von Christian König

"Wichtig ist, dass ihr für die Freizeit die Bettwäsche nicht vergesst. Und bitte denkt an Eure Hausschuhe." Großes Gejohle in der Konfirmandengruppe. Pfarrer Nulf Schade-James (51) verschränkt gelassen die Hände hinter dem Kopf. Konfirmanden-Freizeiten ist er gewohnt und die Kommentare der Konfirmandinnen und Konfirmanden sowieso. "Dann lasst uns mal eine Zigarettenpause machen, damit hier auch die Raucher zu ihrem Recht kommen." Großes Stühlerücken, Stimmengeraune, Kaffeeduft, Tassengeklapper, und draußen, vor dem Gemeindehaus der Frankfurter Kirchengemeinde "Frieden und Versöhnung", schnippen die Feuerzeuge.

Dürfen in Frankfurt am Main jetzt auch schon die Konfis an den Glimmstängel? Ja, sie dürfen, denn die meisten der 18 Konfirmandinnen und Konfirmanden sind zwischen 20 und 60 Jahre alt, einige noch älter. Erstmals haben sich in der Mainmetropole Erwachsene zu einem Konfirmandenkurs zusammengefunden.

"Wir alle sind gefühlte 14 Jahre alt"

Freiwillig noch mal die "Schulbank im Gemeindehaus" drücken? Texte lernen und Arbeitsaufgaben lösen? Das klingt ein bisschen nach der "Feuerzangenbowle", jenem Rühmann-Film, der einen Mittvierziger noch einmal in die Schule gehen lässt. Und da ist was dran: "Wir alle sind gefühlte 14 Jahre alt", sagt Sascha Biemüller (30). "Mein Vater heiratet in einigen Monaten, und ich habe allen erzählt, dass ich in meinem neuen Konfirmanden-Anzug dabei bin. Da denken viele, ich veräppele sie. Aber ich bin Konfirmand!"

Anneli Ullrich (63) schätzt die neuen Unterrichtsmethoden: "Wir haben vor kurzem das 'Vaterunser' gemalt. Das war für mich eine besondere Erfahrung. So kannte ich dieses Gebet noch gar nicht."

"Meine Eltern sind evangelisch und katholisch und deswegen wurde ich damals nicht konfirmiert. Ich wollte aber mehr über das Christentum erfahren, weil ich vieles einfach nicht wusste", erzählt Nicole Fiebrich (30). Mehr erfahren über die eigene Religion wollte auch Michael Sistig (43): "Ich war früher katholisch und bin dann in die evangelische Kirche eingetreten. Da dachte ich mir: Wenn, dann richtig."

"Wertschätzung der Menschen und ihren Fragen"

Geleitet wird die Erwachsenen-Gruppe von Pfarrer Nulf Schade-James und Gemeindepädagogin Monika Kittler. "Ich beobachte bei vielen Menschen eine Art spirituellen Hunger", sagt Nulf Schade-James. "Die Lebenssituationen werden unübersichtlicher und lassen wieder neu nach Antworten des christlichen Glaubens fragen. Der Konfi-Unterricht für Erwachsene hat deswegen für mich auch etwas mit der Wertschätzung der Menschen und ihren Fragen zu tun."

Irgendwann, vor Jahren, hatte die Mutter eines Konfirmanden bei ihm angefragt: "Warum gibt es so einen Unterricht eigentlich nicht für mich?" Diese Anfragen häuften sich, so dass er sich zu einem Erwachsenen-Kurs entschloss. Die Unterrichtsthemen unterscheiden sich vom klassischen Konfirmanden-Unterricht nur wenig: Die Zehn Gebote werden vor ihrem historischen Hintergrund erläutert, Gliederung und Inhalt der Bibel vorgestellt, Taufe und Abendmahl besprochen und die Wundergeschichten Jesu interpretiert und in Szene gesetzt.

"Wissen soll bei uns nicht aufgesetzt wirken, sondern zugleich auch spirituell erlebt werden", sagt Monika Kittler. Wenn die Konfirmanden am Gottesdienst teilnehmen, zünden sie spezielle Kerzen im Altarraum an. "Sozusagen als Anwesenheitsnachweis", sagt die Gemeindepädagogin. "So machen sie sich für die Gemeinde und für sich selbst nochmals sichtbar."

Eigene Biografie und christliche Religion zusammenbringen

Das Symbol wirkt, auch nach außen. "Für den neuen Kurs führen wir schon jetzt eine Warteliste", sagt Nulf Schade-James. Und auch der scheint im evangelischen Raum wieder ziemlich einzigartig zu sein: Jedenfalls verfügt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), was den Konfi-Unterricht für Erwachsene betrifft, über keine Untersuchungen und Erfahrungen, sagt EKD-Pressesprecher Reinhard Mawick. Was es in vielen Gemeinden gibt, sind hingegen Glaubenskurse für Erwachsene. Sie tragen Titel wie "Christ werden, Christ bleiben" und viele sind konzipiert von der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste.

Mit den Konfi-Kursen für Erwachsene hat die Frankfurter Kirchengemeinde scheinbar eine Art Lücke entdeckt: Wo die moderne Lebenswelt mehr Fragen aufwirft als die Menschen individuell beantworten können, findet sich hier ein Rahmen, der eigene Biografie und christliche Religion zusammenbringen möchte. Das zeigt sich deutlich in den Unterrichtspausen: Nulf Schade-James und Monika Kittler führen, ein wenig abseits, vertrauliche, seelsorgerliche Gespräche mit einigen Teilnehmern, die sich an sie gewandt haben.

"Bei uns daheim heißt es: Mama wird konfirmiert. Und meine Familie kommt sogar aus Magdeburg angereist, um dabei zu sein", sagt Karina Lutter (37). Am 30. Mai um 18 Uhr ist Konfirmation in der Frankfurter Friedenskirche. Falls nötig, sogar mit Zigarettenpause. Hinterher.

epd