ÖKT: "Wir gedeihen zusammen, wir leiden zusammen"
Trotz der schwierigen Ausgangslage zum 2. Ökumenischen Kirchentag gab es in Müchen Hinweise, wie es in der ökumenischen Zusammenarbeit konkret weitergehen könnte.
17.05.2010
Von Rainer Clos

Der 2. Ökumenische Kirchentag in München begann unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen. Von der größten Krise der katholischen Kirche seit Jahrhunderten war lautstark die Rede, nachdem der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in katholischen Einrichtungen in Deutschland für massenhaft Negativschlagzeilen gesorgt hatte. Der Missbrauchsskandal werde den Kirchentag dominieren, war die Sorge.

Katholiken und Protestanten machten das Beste daraus

Tatsächlich war die Empörung über den sexuellen Missbrauch ein wichtiges Thema auf zwei Podien des Kirchentags und im Gespräch unter Besuchern. Aber es war keineswegs das einzige Thema, das die Christen bewegte. Auch wenn die Ausgangslage schwierig schien, so machten Katholiken und Protestanten doch das Beste daraus.

Die katholische Seite wollte in München zeigen, dass man den Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust ernst nimmt, den ihr das Missbrauchsproblem beschert hat und der katholische Gläubige schmerzt. Wie mutig die Konsequenzen ausfallen werden, auf die sich die Bischöfe verständigen können, ist noch offen. Nicht zufällig wurde am Rande des Kirchentages bekannt, dass eine Arbeitsgruppe mit drei Bischöfen, Reinhard Marx (München), Franz-Josef Bode (Osnabrück) und Franz-Josef Overbeck (Essen), das Verhältnis der katholischen Kirche zum gesellschaftlichen und staatlichen Leben in einem Prozess der Selbstvergewisserung bis 2012 überprüfen wird.

Auf evangelischer Seite vermied man es, die komfortable Situation zu nutzen, die ihr vielleicht durch die Missbrauchsdebatte zugewachsen ist. Denn die Skandale werden ganz überwiegend mit katholischen Einrichtungen in Verbindung gebracht. Doch aus der Einsicht, dass die Kirchen von außen weithin als Einheit wahrgenommen werden, folgen die führenden Protestanten dem Grundsatz "Wir gedeihen zusammen, wir leiden zusammen".

Getrennte Wege bei Sexualethik und Abendmahlsfrage

Wie es in der ökumenischen Zusammenarbeit konkret weitergehen könnte, dafür gab es in München Hinweise. Die Leitungen der evangelischen und katholischen Kirche sind entschlossen, dass als Antwort auf die ökonomischen Krisen ein neues Kirchenwort zur sozialen Lage verfasst werden soll, zusammen mit allen christlichen Kirchen in Deutschland. In den sozialethischen Positionen gibt es eine große evangelisch-katholische Schnittmenge, wie bereits das Sozialwort "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" von 1997 gezeigt hatte. Die weit verbreitete Verunsicherung durch die Banken- und Euro-Krise signalisiert Orientierungsbedarf.

Ob sich die Kirchen darauf verständigen können, die hinter dem Missbrauchsskandal stehende grundsätzliche Frage nach Gewalt in der Erziehung gemeinsam anzupacken, ist ungewiss. Getrennte Wege werden beide Kirchen bei der Revision ihrer Haltung zur Sexualität gehen. Die Evangelische Kirche in Deutschland bereitet mit einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe einen neuen Text zum Umgang mit Sexualität vor. Auch in der katholischen Kirche gibt es Forderungen nach einer veränderten Sexualmoral. Doch im Punkt Sexualethik sind die Unterschiede erheblich. "Das geht mit den Katholiken nicht zusammen", heißt es auf evangelischer Seite.

In der Abendmahlsfrage kam es erwartungsgemäß nicht zu Klärungen. Weitgehend einig sind sich Bischöfe und Theologieprofessoren, dass in nicht allzu ferner Zeit für evangelische und katholische Eheleute der Weg zur Teilnahme an der katholischen Eucharistiefeier frei gemacht werden könnte. Trotz verbreiteter Ungeduld der kirchlichen Basis blieben Provokationen in München aus, eine Vesper nach orthodoxem Ritus fand bei 20.000 Besuchern Zuspruch. Ob dieses Mahl einen derartigen Schub für die Ökumene bedeutet, dass "die Welt nicht mehr so sein wird, wie sie war", wie der evangelische Kirchentagspräsident Eckhard Nagel folgert, scheint vielen mehr als fraglich.

Welle von Sympathie und Zustimmung für Margot Käßmann

Für einen wahre Hype sorgte in München Margot Käßmann, die auf Kirchentagen schon immer ein Star war. Mit der ihr eigenen Authentizität und Offenheit schwamm die evangelische Charismatikerin, die vor drei Monaten als Landesbischöfin und Spitzenrepräsentantin des deutschen Protestantismus nach einer Trunkenheitsfahrt am Steuer ihres Dienstwagens zurücktrat, auf einer Welle von Sympathie und Zustimmung - ohne sich in die Rolle einer "Volkstribunin" zu begeben.

Von Abkühlung und Eiszeit in den ökumenischen Beziehungen ist häufig die Rede. Doch in München, wo zumeist graue Wolken über dem fünftägigen Laientreffen hingen, klangen die Ansagen wieder zuversichtlicher. Die Ökumene habe sich als wetterfest erwiesen, bilanzierte der katholische Kirchentagspräsident Alois Glück im Schlussgottesdienst.

epd