Die Erwartungen an den Ökumenischen Kirchentag waren hoch – verständlicherweise gerade in den Kernfragen des konfessionellen Dialogs wie Abendmahl, Amtsfrage oder die Rolle des Papstes. Zwar können die Unterschiede zwischen evangelischen, katholischen, orthodoxen oder anglikanischen Christen zuweilen auch als Bereicherung aufgefasst werden. Doch Fragen wie das gemeinsame Abendmahl, das noch nicht möglich ist, sind Schmerzpunkte, die vielen Gläubigen auf der Seele liegen.
"Die ökumenische Leidenschaft ist zurückgegangen", sagt etwa der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, und mahnt dennoch eine Fortsetzung des eingeschlagenen Weges an. Viele kritisieren das langsame Tempo in der ökumenischen Entwicklung, unter ihnen auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, selbst katholischer Christ. Außer Theologengesprächen und Kommissionspapieren, deren praktischer Wert begrenzt ist, scheint wenig Bewegung.
Warnung vor "ungedeckten Schecks"
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, hat Verständnis für die ökumenische Ungeduld, warnt aber zugleich: "Wenn es zu schnell geht, schaffen wir neue Spaltungen." Auch Zollitschs Vorgänger, Kardinal Karl Lehmann, warnt vor "ungedeckten Schecks" in der Ökumene. Der Ökumenische Kirchentag bot eine breite Palette von Meinungsäußerungen zu diesen diffizilen Fragen – und zeigte zugleich, wie verletzend etwa die Verweigerung des gemeinsamen Abendmahl für Gläubige sein kann.
So schilderte Rosemarie Lauber vom "Netzwerk konfessionsverbindender Paare und Familien" in einer Podiumsveranstaltung ihren Schmerz darüber, als protestantische Christin nicht gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern zur Kommunion gehen zu können. Der Theologe Otto Hermann Pesch nannte es ein "seelsorgliches Verbrechen", wenn Kindern konfessionsverschiedener Ehepartnern im Kommunionunterricht die geltenden Bestimmungen erklärt werden müssen.
Der Priester darf niemanden übergehen
Auch Pesch, der als katholischer Wissenschaftler lange an der evangelischen Fakultät in Hamburg lehrte, hält eine große Lösung – also eine Abendmahlsgemeinschaft von Kirche zu Kirche – für nicht rasch machbar. Doch eine einzelne Einladung könne schon jetzt vorweggenommen werden. Zumal ein katholischer Priester bei der Kommunionausteilung niemanden übergehen dürfe. Das stelle das sogenannte "Diffamierungsverbot" im katholischen Kirchenrecht sicher, so der große alte Mann der ökumenischen Theologie.
Pesch sieht die konfessionsverbindende Ehe und Familie als "Keimzelle künftiger Kirchengemeinschaft". Die theologischen Differenzen seien alle geklärt. Aus Sicht Schneiders könnte das gemeinsame Abendmahl von Ehepaaren ein erster Schritt sein. Das Verbot aufrecht zu erhalten, ist für ihn "nicht nachvollziehbar". Auch der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich unterstrich in München, inhaltlich gebe es in dieser Frage keinen Klärungsbedarf mehr. "Es fehlen nur die Taten."
Bisher nur in Einzelfällen
Für die will sich Zollitsch einsetzen. "Ich werde in dieser Frage weiterbohren und nicht nachlassen." In Einzelfällen sei schon heute die Teilnahme evangelischer Partner aus konfessionsverbindenden Ehen an der katholischen Eucharistiegemeinschaft möglich. Aber eben nur in Einzelfällen. Auch Papst Benedikt XVI. sei in diesem Punkt stark an einer Lösung interessiert, berichtete Zollitsch aus dem Vatikan. Auch gegenüber der wieder aufgebrochenen Zölibatsdiskussion zeigte sich der Erzbischof aufgeschlossen. Dies werde allerdings ein langer Prozess.
Nicht mehr lange könnte es dauern, bis die Kirchen Gespräche über eine Gemeinsame Erklärung zum Abendmahl beginnen, analog zur 1999 in Augsburg geschlossenen Erklärung über die Rechtfertigung. Die Streitpunkte wie Laienkelch, Transsubstanziation oder Messopfercharakter seien lösbar, meint der Münchner evangelische Theologe Gunther Wenz. Ein erster Entwurf liegt auf dem Tisch, erarbeitet unter maßgeblicher Mitwirkung des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen, des sogenannten Jaeger-Stählin-Kreises.
Unterdessen gab es in München eine Reihe ökumenischer Mahlfeiern, allerdings ganz unterschiedlichen Charakters. Der Saarbrücker katholische Theologe Gotthold Hasenhüttl veranstaltete, wie schon am Rande des 1. ÖKT 2003 in Berlin, eine Eucharistiefeier, zu der er gegen geltendes katholisches Kirchenrecht auch Nichtkatholiken einlud. Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" organisierte zuvor eine Menschenkette, um gegen die Trennung am Tisch des Herrn zu demonstrieren.
Gegen politische Instrumentalisierung
Die ÖKT-Spitze verurteilte hingegen Aufrufe, an Eucharistie und Abendmahl der jeweils anderen Konfession teilzunehmen, als politische Instrumentalisierung. Gefordert hatte dies auch der Hamburger evangelische Theologe Fulbert Steffensky. Im offiziellen Programm wurde eine sogenannte Artoklasia veranstaltet, ein "Brotbrechen" nach orthodoxem Ritus. 20.000 Menschen versammelten sich dazu am Freitag auf dem Münchner Odeonsplatz – zweifellos ein geistlicher Höhepunkt des Ökumenischen Kirchentags, doch kein Ersatz für das gemeinsame Abendmahl.
Bewegender noch verlief tags zuvor eine Ökumenische Eucharistiefeier von Protestanten, Altkatholiken und Anglikanern nach der sogenannten Lima-Liturgie in der überfüllten Erlöserkirche. "Was man in den nächsten 30 Jahren zu dem Thema sagen könnte, ist alles schon gesagt", betonte der altkatholische Bischof Matthias Ring (dritter von links / Foto: epd-bild). "Deshalb wollen wir es einfach tun." Das Abendmahl verlief in einer feierlichen und höchst würdigen Atmosphäre. "So spricht der Herr: Mit Sehnsucht habe ich danach verlangt, dieses Mahl mit Euch zu feiern", sagte der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber (dritter von rechts). "Kommt, esst und trinkt." Weber ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und hat jüngst eine Initiative für eine Gemeinsame katholisch-lutherische Erklärung zum Abendmahl gestartet.
Vielfach war in den Münchner Tagen vom weiten Abstand zwischen Basis und Theologie in Fragen wie dem Abendmahl die Rede. Die meisten Christen wissen mit Begriffen wie Realpräsenz – die auch für Lutheraner zentral ist – wenig anzufangen. Doch nicht alles ist Theologengeschwätz. "Die ökumenische Theologie ist besser als ihr Ruf", sagte etwa die Münsteraner Forscherin Dorothea Sattler und verwies darauf, dass die Theologie für alle Einigungsbemühungen unverzichtbar ist. So gebe es etwa bereits Überlegungen für ein ökumenisches Papstamt.
Lebendig, kräftig, schärfer
Die Diskussion um das Abendmahl ist, um das Motto des evangelischen Kirchentags 2007 in Köln herbeizurufen, lebendig, kräftig und ein wenig schärfer geworden. Die katholische Kirche rückt stärker in die Rolle des Verweigerers. Harsch fällt etwa das Urteil Hans Küngs aus, der eine "zweite Reformation" verlangt. Der Hamburger Theologe Uwe-Karsten Plisch sieht im verweigerten Abendmahl eine Frage von Macht und Kontrolle. Nicht alle sind dieser Ansicht. "Wir müssen ein Gespräch vermeiden, bei dem wir sagen: Hier sitzt der Gute und dort der Böse", so Präses Schneider.
Wie geht es weiter? Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, der Norweger Olav Fykse Tveit, sagte: "Mauern können wir von einem Tag auf den anderen fallen lassen. Das haben Sie hier in Deutschland erlebt." Er rief zu hartnäckiger Arbeit dafür auf, die Mauern zum Einsturz zu bringen, die vor einem gemeinsamen Abendmahl stehen. Und Zollitsch sagte in einer sibyllinisch klingenden Bemerkung, Gott halte womöglich eine "große Überraschung" für die Kirchen bereit. "Ich hoffe, noch zu meinen Lebzeiten." Im August wird der Freiburger Erzbischof 72 Jahre alt. Nach dem Ökumenischen Kirchentag geht er erst einmal in Kur.
Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de mit Zuständigkeit für die Ressorts Politik und Religion.