Euro-Krise: Brüssel zwingt Staaten zum Sparen
Brüssel zieht Konsequenzen aus der Euro-Krise: Mit strengen Regeln und harten Strafen will die EU-Kommission die Euro-Länder zum Sparen zwingen.

Die Mitgliedstaaten sollen auch ihre Wirtschaftspolitik stärker als bisher aufeinander abstimmen. Aus Sicht der Kommission kann nur so die Stabilität des Euro auf Dauer gesichert werden. Derzeit laufen gegen 20 von 27 EU-Mitgliedsstaaten Verfahren wegen übermäßiger Haushaltsdefizite - darunter ist auch Deutschland.

Merkel: Vorgeschlagene Kontrollen "nicht schlecht"

Die Kommission trieb mit ihrem Vorschlag einen Keil in die schwarz-gelbe Bundesregierung. Während Bundeskanzlerin Angel Merkel (CDU) gelassen auf die Brüsseler Vorschläge reagierte, sieht Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Souveränität der Länder in Gefahr. "Nicht die Europäische Kommission beschließt die Haushalte, sondern der Deutsche Bundestag, die nationalen Parlamente", sagte Westerwelle am Mittwoch in Berlin. Merkel meinte hingegen: "Das muss man ja nicht gleich so interpretieren." Aus ihrer Sicht sind die vorgeschlagenen Kontrollen "nicht schlecht."

Als Signal für die Attraktivität des Euro wurde die Entscheidung der EU-Kommission gesehen, Estland zum kommenden Jahreswechsel als 17. Mitglied der Eurozone aufzunehmen. Die EU-Staaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen. "Es gibt keine Warteschlange, um den Euro zu verlassen, sondern eine Schlange in den Euro", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn.

Barroso: "Wir müssen  an die Wurzeln des Problems gehen"

Schon von 2011 an will die EU-Kommission in die nationale Etatplanung eingreifen und strenger gegen übermäßig verschuldete Staaten vorgehen. Konkret müssten die Regierungen der Euroländer dann ihre Budgetentwürfe in Brüssel vorlegen, bevor die nationalen Parlamente darüber abstimmen. Sieht die Kommission darin Risiken für die Euro-Zone, will sie einschreiten. Auf diese Weise will die Kommission einen Geburtsfehler des Euro ausmerzen: das Fehlen einer schlagkräftigen politischen Führung für das Eurogebiet.

"Wir müssen jetzt handeln und an die Wurzeln des Problems gehen", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit Blick auf Griechenland, das sich übermäßig verschuldete und den Euro-Raum in die schwerste Krise seit seinem Bestehen stürzte. Auch andere Staaten des Eurogebiets wie Spanien oder Portugal gelten als gefährdet. Europaparlament und der EU-Rat, in dem die Mitgliedsstaaten, vertreten sind, müssen Barrosos Vorschlag noch zustimmen.

Wenn ein Mitgliedsland die Schuldenlimits überschreitet, droht ihm ein Entzug von EU-Geldern aus dem Brüsseler Haushalt. Nach den Plänen sollen etwa Gelder aus dem EU-Fonds für strukturschwache Regionen eingefroren werden. Dabei geht es um große Summen: So erhielt Griechenland 2008 aus dem Fonds für Kohäsion fast 5 Milliarden Euro, Deutschland mehr als 3 Milliarden Euro.

Strafe auch ohne Zustimmung der Euro-Finanzminister

Mit diesen Maßnahmen will die Kommission den Euro-Stabilitätspakt verschärfen. "Der Pakt ist ein robustes Regelwerk, aber er leidet unter dem chronischen Versagen der Staaten, sich an die Regeln zu halten", sagte Rehn. Auf Druck vieler verschuldeter Staaten, vor allem Deutschland und Frankreich, waren die Regeln 2005 gelockert worden.

Wiederholte Schuldensünder könnten nach dem Willen von Rehn künftig automatisch bestraft werden - und zwar ohne mehrheitliche Zustimmung der Euro-Finanzminister. Die Verfahren, die auch Strafzahlungen vorsehen, sollen bereits greifen, wenn Mitglieder in einer vorgeschriebenen Zeitspanne die Ziele nicht erreichen.

Sparpläne für Portugal und Spanien

Hoch verschuldete Länder sollen mit einem dauerhaften Kreditprogramm vor dem Staatsbankrott gerettet werden. Dieser Mechanismus würde zeitlich über das am Wochenende beschlossene 750-Milliarden-Euro schwere Rettungsprogramm für den Euro hinausgehen, das auf drei Jahre befristet ist. Als mögliche Kandidaten gelten Portugal, Spanien und Italien. Die EU-Verträge will die Kommission dafür nicht antasten.

Bereits in der kommenden Woche beraten in Brüssel die EU-Finanzminister über weiterreichende Sparpläne der risikobehafteten Länder Portugal und Spanien. Griechenland bekam unterdessen die erste Finanzspritze von 5,5 Milliarden Euro zur Rettung seiner Staatsfinanzen. Wie der staatliche griechische Rundfunk berichtete, habe der Internationale Währungsfonds (IWF) diese Summe überwiesen.

EZB mahnt zum Sparen und steht hinter Griechen

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Euro-Staaten angesichts der Schuldenkrise zum Sparen ermahnt und die Anstrengungen Griechenlands nochmals ausdrücklich gelobt. "Setzt Griechenland sein ambitioniertes Konsolidierungs- und Reformprogramm entschlossen um, dürften die erforderliche Korrektur der fiskalischen und außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte und die Wiederherstellung des Vertrauens in die längerfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen tatsächlich eintreten", schreibt die Notenbank in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht Mai.

Allerdings müssten "die griechischen Behörden unbedingt bereitstehen ..., gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen". Auch in anderen Staaten dulde die Sanierung der Staatsfinanzen angesichts der Vertrauenskrise keinen Aufschub.

"Je länger die Haushaltskorrektur aufgeschoben wird, desto größer werden der erforderliche Anpassungsbedarf sowie das Risiko von Reputations- und Vertrauensverlusten sein", mahnten die Währungshüter. An den Märkten habe sich die "allmähliche Verschärfung der Vertrauenskrise" in Bezug auf Griechenland unter anderem "in der Flucht der Anleger in qualitativ höherwertige Anlageformen" widergespiegelt: In großem Umfang seien Gelder zugunsten von Staatsanleihen des Euro-Währungsgebiets mit AAA-Rating umgeschichtet worden.

Für die Wirtschaft im Euro-Raum rechnet der EZB-Rat weiterhin mit einer moderaten Erholung in diesem Jahr. Eine Befragung der EZB unter Experten für das zweite Quartal ergaben kaum veränderte Wachstums- und Inflationserwartungen für 2010 und 2011. Die Experten erwarten für das laufende Jahr mit 1,4 (bisher 1,3) Prozent eine etwas höhere Inflationsrate als bisher. Für 2011 wird weiterhin eine Teuerung von 1,5 Prozent veranschlagt. Beim Wirtschaftswachstum zeigen sich die befragten Experten etwas pessimistischer: Für 2010 wird nun ein Plus beim realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,1 (1,2) Prozent prognostiziert, für 2011 ein Wachstum von 1,5 (1,6) Prozent.

dpa