Konfirmation interkonfessionell - Evangelisches Profil in Kairo
Sie bietet Konfirmandenunterricht mit Weitblick im vielfältigen religiösen und politischen Umfeld Kairos. Ihre Konfirmandinnen und Konfirmanden nehmen dafür Anfahrten von bis zu 300 Kilometern in Kauf. Die Auslandspfarrerin Andrea Busse berichtet aus ihrer Arbeit an der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Kairo.
12.05.2010
Von Andrea Busse

„Mir wird schlecht!“ Etwas bleich im Gesicht rettet sich Sophie durch die Kirchentür zurück ins Freie. Wir sind mit unserer Konfirmandengruppe der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Kairo zu Gast in einem koptisch-orthodoxen Gottesdienst. Vorne im Altarraum steigt Weihrauch auf - Symbol für die zu Gott aufsteigenden Gebete. Der starke Geruch ist allerdings nicht jedermanns Sache, vor allem, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Als nächstes gibt Elena auf und verlässt den Kirchraum. Das fällt allerdings nicht weiter unangenehm auf, denn während des zwei- bis dreistündigen orthodoxen Gottesdienstes herrscht ständiges Kommen und Gehen.

Im Gottesdienst ein Kommen und Gehen

Der Rest unserer kleinen Gruppe hält länger aus. Die Jugendlichen beobachten den Priester und seine Assistenten vorne im Altarraum, den sonst keiner betreten darf und der außerhalb der Gottesdienste verschlossen ist. Verstehen können wir leider nichts: Teile des Gottesdienstes sind auf Arabisch, die meisten Gesänge allerdings auf Koptisch, einer Sprache die auch hierzulande keiner mehr spricht. So wie in Deutschland früher das Lateinische, wird sie allein in der Kirche noch benutzt.

Kaum sind wir wieder draußen, kommen die Fragen: Warum tragen die Frauen Kopftuch? Wieso spritzt der Priester mit Wasser? Warum sieht das Kreuz anders aus als unseres? Sind das wirklich Christen wie wir? - Die Gerüche, Gesänge und Riten der größten christlichen Gemeinschaft Ägyptens sind den Konfirmanden und Konfirmandinnen fremd. Genau deswegen gehört ein solcher Gottesdienstbesuch für uns zum Konfirmandenunterricht dazu, denn die Jugendlichen sollen auch etwas über ihr religiöses Umfeld lernen.

Auch ein Moscheebesuch steht deswegen auf dem Programm. Wir beobachten eine Gebetszeit und können anschließend, mit Hilfe eines Übersetzers, mit dem Imam sprechen. Obwohl manche der Jugendlichen hier schon ein paar Jahre leben, ist es meist das erste Mal, dass sie sich so hautnah mit dem Islam beschäftigen. Im muslimischen Kontext werden wir dann immer wieder gefragt: „Glaubt ihr Christen nicht eigentlich an drei Götter – den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist?“ Dadurch spielt das Thema Trinität im Konfirmandenunterricht eine große Rolle – mehr, als das womöglich in Deutschland der Fall wäre. Mit einem Jahrgang haben wir dazu ein Kirchenfenster gestaltet und das auch im Vorstellungsgottesdienst zum Thema gemacht.

Politische Lage Nahost als Thema im Konfirmandenunterricht

Wenn wir uns schon im religiösen Umfeld umschauen, dann lassen wir auch die Synagogen Kairos nicht aus. Es gibt zwar kaum noch Juden in Kairo, aber zahlreiche Synagogen. Die meisten verfallen, da sie nicht mehr genutzt werden und von der kleinen jüdischen Kultusgemeinde nicht alle in Stand gehalten werden können. Man erkennt die Synagogen am besten am massiven Sicherheits-Personal vor der Tür. Auch das wirft bei den Konfirmanden Fragen auf, so dass auch die politische Situation der Region Nahost im Konfirmandenunterricht nicht außen vor bleibt.

Überhaupt zeichnen sich die Konfirmandentreffen durch lebhafte Diskussionen aus, was sicher auch daran liegt, dass in der Regel nur kleine Gruppen zusammenkommen. Manchmal müssen wir bangen, ob überhaupt ein Jahrgang zustande kommt. Obwohl viele Deutsche hier leben, schätzungsweise um die 5.000, ist das Gedränge bei der Konfirmandenanmeldung nicht gerade groß. Das liegt nicht am Desinteresse: In dieser tief religiösen Umwelt fragen Jugendliche sogar vermehrt nach ihren eigenen christlichen Wurzeln.

Vielmehr vermeiden es deutsche Familien scheinbar doch eher, mit pubertierenden Jugendlichen im arabischen Ausland zu leben. Besonders für Mädchen ist es nicht einfach, sich an die Grenzen zu gewöhnen, die den meisten ägyptischen Altersgenossinnen gesetzt werden - oder die Blicke auszuhalten, wenn sie diese Grenzen nicht wahren. Ein für uns „Westler“ selbstverständlicher Umgang zwischen den Geschlechtern wird spätestens ab dem Konfirmandenalter schwieriger.

Protestanten aus aller Herren Länder

Bei weitem nicht alle unsere Konfirmanden sind Deutsche. Da sitzt beispielsweise ein Junge aus niederländisch-ägyptischem Elternhaus neben dem Sohn eines Österreichers und einer Norwegerin und einem Mädchen mit englischem Vater. In Ausnahmefällen hatten wir auch schon deutschsprachige ägyptische Kinder mit dabei, die zur koptisch-evangelischen Kirche gehören, unserer Partnerkirche vor Ort. Diese kennt die Tradition der Konfirmation nicht und bietet auch keinen Unterricht an. Jugendliche, die gezielt daran Interesse haben, kommen dann in die deutsche evangelische Gemeinde.

Weil auch die Firmgruppen der deutschsprachigen katholischen Gemeinde nie besonders groß sind, bemühen wir uns um eine enge Zusammenarbeit. Viele klassische Themen lassen sich schließlich gut gemeinsam erarbeiten und auch eine Freizeit wird für alle attraktiver, wenn nicht nur eine Handvoll Teenies mitfährt. Vielen Jugendlichen, die im Ausland leben, sind die konfessionellen Unterschiede auch gar nicht klar, weil der Religionsunterricht anders organisiert ist als in Deutschland.

An der Deutschen Evangelischen Oberschule beispielsweise gibt es muslimischen Religionsunterricht auf Arabisch, christlichen Religionsunterricht für die Kinder der koptisch-orthodoxen Kirche auf Arabisch und Religionsunterricht für die „westlich-christlichen“ Kinder auf Deutsch. In diesen Klassen, zu denen dann auch unsere Konfirmanden gehören, sitzen also Kinder evangelischen und katholischen Glaubens, aber auch viele Konfessionslose. Einen wirklich evangelisch geprägten Religionsunterricht erleben unsere Konfirmanden also nicht. Bei den gemeinsamen Nachmittagen mit den Firmlingen nutzen wir die Gelegenheit, evangelisches und katholisches Profil aufzuzeigen.

300 Kilometer Anreise zum Unterricht

Das Schwierigste am Konfirmandenunterricht in Kairo sind aber weder das kulturelle und politische Umfeld oder das Problem der Gruppengröße, sondern Zeit und Ort, an dem alle zusammen kommen können. Kairo ist riesig - man schätzt zwischen 20 und 25 Millionen Einwohner - und die Straßen sind ständig verstopft. Da die Kinder bis in den Nachmittag Schule haben und dann mitunter zwei Stunden im Schulbus sitzen ist es unmöglich, an einem Schultag auch noch Konfirmandenunterricht anzubieten. Die freien Tage am Wochenende aber werden von den Schulen und Unternehmen unterschiedlich verteilt auf die Tage Freitag, Samstag und Sonntag. Daher planen wir gewöhnlich Konfirmanden(halb)tage am Samstagnachmittag, was für Einzelne mit Unterrichtsverpflichtungen am Samstag eine ziemliche Belastung ist. Andere wiederum müssen extrem weite Anfahrten auf sich nehmen: Im letzten Jahr kamen zwei Brüder einmal im Monat per Bus aus El Gouna, 300 Kilometer von Kairo entfernt, angereist! Im Notfall gibt es deshalb auch mal Unterricht per Email.

Und dann kommt der Tag der Konfirmation - da holt uns schon wieder das Wochenendproblem ein: Sonntagmorgens ist an den meisten Schulen Unterricht, ein Gottesdienst am Sonntagabend ist aber für die aus dem Ausland angereisten Gäste ungünstig, weil die Feier dann sehr kurz ausfällt. Als pragmatische Lösung haben wir uns für den schulfreien Pfingstsonntag als Konfirmationstag entschieden, was der Gemeinde auch recht gut gefällt.

Gerangel im Altarraum mit den Fotografen

Für die Zeremonie selbst müssen wir als Pfrarrer vorher das typisch ägyptische Dokumentationsbedürfnis der Eltern bändigen. Für wichtige Ereignisse wie Kindergeburtstage, Schulfeiern und eben auch Konfirmationen werden in der Regel professionelle Fotografen oder Kameraleute gebucht, die in der Kirche keine Rücksicht darauf nehmen, ob sie dem Pfarrer oder der Pfarrerin im Weg stehen. Im Zweifelsfall müsste der Gottesdienst unterbrochen werden - doch um das zu vermeiden, haben wir uns mit entsprechenden Einschränkungen schon recht unbeliebt gemacht. Dafür können wir ungestört festliche Konfirmationen feiern – und alle Fotos später gerne nachstellen.

Trotz aller organisatorischer Schwierigkeiten und kultureller Unterschiede geht es bei der Vorbereitung und der Feier der Konfirmation in Kairo oder Kaiserlautern doch um ein und dasselbe: um Jugendliche, die oft sehr ehrlich und engagiert ihren Glauben diskutieren oder noch auf der Suche nach dem sind, was ihnen Halt geben kann. Für sie ist der Segen dann immer ein bewegender Moment, der sie hoffentlich ein Leben lang begleitet.


Andrea Busse lebt seit vier Jahren mit ihrer Familie in Kairo uns teilt sich dort mit ihrem Mann die Pfarrstelle an der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde. Zuvor war sie als Journalistin im kirchlichen Bereich tätig und hat ehrenamtlich als Pastorin in einem ökumenischen Gemeindezentrum in Kiel gearbeitet.