Filmtipp der Woche: "Robin Hood" (Ridley Scott)
Diesmal ohne Mission: Mit "Robin Hood" versuchen Regisseur Ridley Scott und Hauptdarsteller Russell Crowe an den Erfolg von "Gladiator" anzuknüpfen - und überspannen den Bogen.
12.05.2010
Von Frank Schnelle

Eigentlich wäre es ja höchste Zeit, dass mal wieder einer rebelliert gegen Missstände und Ungerechtigkeit. Dass einer von oben nach unten umverteilt und dabei Bankern, Bossen und Bösewichten eine lange Nase dreht - oder wenigstens dem Sheriff von Nottingham. Aber entweder sind die Zeiten zu komplex und die Probleme zu global, als dass ein Bogenschütze aus dem Mittelalter noch als ungebrochener Held taugt. Oder die Macher des neuen "Robin Hood" um Regisseur Ridley Scott und Hauptdarsteller Russell Crowe haben das Potenzial des Stoffes, seine mögliche Relevanz gerade in Krisenzeiten, schlichtweg außer Acht gelassen.

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Den "klassischen" Robin Hood, wie ihn Douglas Fairbanks, Errol Flynn oder Kevin Costner verkörperten, mag uns dieser Film jedenfalls nicht vorführen. Er wählt die Strategie, weiter zurückzugehen in der Zeit, die Anfänge und Ursprünge des späteren Volkshelden zu beleuchten: das Prequel zur Legende. Dagegen wäre prinzipiell nichts einzuwenden. Hollywoods Serienhelden und Wiedergänger, von Bond bis Batman, von Jesse James bis Sherlock Holmes, werden regelmäßig erneuert und verjüngt; wie im Genrekino liegt bei diesen Gestalten der Reiz in der Reimagination des Immergleichen.

Ridley Scotts Variante findet leider weder zu einer klaren Haltung noch zu einem schlüssigen Konzept. Sie ist zwar im Ansatz wagemutig, in der Ausführung aber unausgegoren und voller innerer Widersprüche. Einerseits gaukelt der Film historische Akkuratesse vor, wenn er die Story 1099 mit dem Tod von Richard Löwenherz beginnen lässt. Andererseits verbiegt und verdreht er die Fakten der britischen Geschichte, dass sich die mittelalterlichen Balken biegen.

Einerseits strebt er auf der visuellen Ebene einen harten, erdigen Realismus an. Andererseits überlädt er die Bilder und überdreht den Rhythmus so sehr, dass sich ein authentisches Gefühl niemals einstellt. Einerseits will er die vertraute Fabel nicht erzählen, andererseits packt er doch alle Elemente von Lady Marian bis Bruder Tuck hinein. Das ist beinahe so, als hätte Scott ein möbliertes Haus leer geräumt, um dann doch die alten Möbel Stück für Stück wieder hereinzuholen und sie lediglich anders zu positionieren.

"Robin Hood" auf der Suche nach seinem Zentrum

Das alles wäre nur Mäkelei, wäre es Scott gelungen, eine spannende und unterhaltsame Geschichte zu erzählen. Aber gerade am Drehbuch krankt "Robin Hood" am allermeisten. Der Held wird als Söldner und Hütchenspieler eingeführt; "ehrlich, tapfer und naiv" nennt Richard ihn, bevor er ihn an den Pranger stellen lässt. Zugleich ist dieser Robin aber auch unschlüssig, ziellos und langweilig, ein Mann ohne Mission. Nur der Zufall führt ihn in eine neue Heimat und zu einer neuen Identität; er reagiert bloß auf Dinge, die ihm zustoßen. Um ihn herum arrangiert der Film eine unübersichtliche Schar englischer und französischer Adelsleute, dazwischen treibt wahllos ein gedungener Killer sein Unwesen.

"Robin Hood" ist ein Film auf der Suche nach seinem Zentrum, was vermutlich auf die wechselvolle Produktionsgeschichte zurückzuführen ist: Die erste Drehbuchversion verfügte noch über ein innovatives, geradezu radikales Konzept. Sie porträtierte den Sheriff von Nottingham als modernen Ermittler und stellte ihm Robin Hood als Schurken gegenüber. Nach und nach wurde diese Idee in den folgenden Jahren von diversen Autoren immer mehr verwässert, bis schließlich der ursprüngliche Protagonist zur lächerlichen Randfigur eines wirren Plots degradiert war.

Eigentlich sollte Russell Crowe den "Nottingham" spielen, was vermutlich viel besser gepasst hätte. Da er nun einmal mit der Produktion verbunden war und ohnehin Scotts bevorzugter Mime ist, wurde er schließlich als Robin Hood besetzt. Mit seiner uninspirierten Mischung aus Virilität und Stoizismus gelingt es Crowe nicht, die Rolle charismatisch auszufüllen. Aber im Grunde ist er ohnehin eine Fehlbesetzung: Den "jungen" Robin Hood spielt er mit seinen 46 Jahren im gleichen Alter wie seinerzeit Sean Connery den müden und graubärtigen Heimkehrer in Richard Lesters melancholischem "Robin und Marian". Darin lagen die tollkühnen Abenteuer des Helden bereits geschlagene 20 Jahre zurück, hier nun stehen sie erst noch bevor.

Regie: Ridley Scott. Buch: Brian Helgeland. Mit: Russell Crowe, Cate Blanchett, Max von Sydow, William Hurt, Oscar Isaac. 140 Minuten. FSK: 12, ff.

 

epd