Papst in Portugal: "Angriff von innen" gegen Kirche
Der Papst hat zum Auftakt seines Portugal-Besuchs die Diskussion um die Missbrauchsfälle in ein neues Licht gerückt: Allein die Verursacher einer schlechten Nachricht seien als Übeltäter zu bezeichnen.

Papst Benedikt XVI. hat zum Auftakt eines viertägigen Portugal-Besuchs nachdrücklich die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche beklagt und "Buße und Reinigung" gefordert. "Der größte Angriff auf die Kirche kommt heute aus dem Innern der Kirche selbst - durch die Sünde", sagte der Papst auf dem Flug von Rom nach Lissabon. "Heute sehen wir das in wirklich erschreckender Weise", betonte er. In Lissabon rief dann am Abend ein sichtlich entspannter Benedikt in einer ersten Messe am Tejo die Katholiken dazu auf, den Glauben zu stärken und zu erneuern. Er ließ sich bei der Messe im Freien von den Hunderttausenden von Gläubigen feiern.

Benedikt antwortete im Flugzeug vor Journalisten auf eine Frage zu den Missbrauchsskandalen vor allem in Irland und Deutschland, die seit Monaten die katholische Kirche schwer belasten. Die Kirche müsse durch "Sühne, Gebet, Akzeptanz und auch Vergebung" einen Weg aus den Skandalen finden. Aber: "Die Vergebung ersetzt nicht die notwendige Gerechtigkeit", sagte der Papst.

"Portugal-Besuch steht im Zeichen der Hoffnung"

Benedikt war auf dem Militärflughafen Figo Maduro in Lissabon von Präsident Anibal Cavaco Silva sowie von Ministerpräsident José Sócrates und den Spitzen der portugiesischen Kirche empfangen worden. Eine "Botschaft der Hoffnung" sei in "diesen Zeiten der Ungewissheit" nötig, sagte Cavaco Silva in seiner Begrüßungsrede in Anspielung auf die schwere Wirtschaftskrise in Portugal.

Sein Portugal-Besuch stehe im Zeichen der Hoffnung, sagte der Papst, er komme als Pilger auf dem Weg zur Marienwallfahrtstätte Fátima. Die katholische Kirche sei offen und bereit, mit all denen zusammenzuarbeiten, die den wesentlichen Sinn des menschlichen Lebens nicht an den gesellschaftlichen Rand oder ins Private abdrängen wollten. "Aus einer weisen Lebens- und Weltsicht erwächst die gerechte Gesellschaftsordnung", erklärte das Kirchenoberhaupt.

Auf dem Flug nach Lissabon hatte Benedikt auch die Finanz- und Wirtschaftskrise angesprochen und eine "globale Verantwortung" zur Bewältigung der Probleme gefordert. Nach Ansicht des Papstes schafft ein rein pragmatisch ausgerichtetes Wirtschaftssystem ohne ethische Verankerung "unlösbare Probleme".

Besuch des Wallfahrtsorts in Fátima

Der Besuch Benedikts, der fünfte eines Papstes im ärmsten westeuropäischen Land, läuft unter bislang dort noch nie gesehenen Sicherheitsvorkehrungen ab. Tausende Menschen säumten die Straßen und jubelten, als der Papst im "Papamobil" zunächst zur Nuntiatur und am frühen Nachmittag zum Präsidentenpalast fuhr. Medien sprachen jedoch von einer zunächst "eher geringen Präsenz" der Portugiesen.

Im Mittelpunkt der 15. Auslandsreise von Benedikt steht der Besuch in Fátima. Der Wallfahrtsort etwa 120 Kilometer nördlich von Lissabon zählt neben Lourdes in Frankreich und Santiago de Compostela in Spanien zu den bekanntesten katholischen Pilgerstätten. Dort will der Papst an diesem Donnerstag zusammen mit Zehntausenden von Pilgern an den Feiern zum Jahrestag der Marienerscheinung von 1917 teilnehmen.

"Unrealistisch, den Glauben als gegeben hinzunehmen"

"Was wird geschehen, wenn das Salz seinen Geschmack verliert?", fragte das Kirchenoberhaupt bei der Messe am Dienstagabend auf dem Platz Terreiro do Paço am Tejo-Fluss im Zentrum von Lissabon. Zu oft seien die Menschen mit der Frage befasst, was für soziale, kulturelle und politische Auswirkungen der Glaube habe, sagte Benedikt. Es komme aber vor allem darauf an, das Vertrauen in Gott kraftvoll und freudig zu erneuern. "Unglücklicherweise ist es immer weniger realistisch, den Glauben als gegeben anzunehmen", sagte das Kirchenoberhaupt.

Nach Fátima besucht Benedikt zum Abschluss seines Aufenthalts am Freitag auch die nordportugiesische Stadt Porto. Er hat in diesem Jahr noch drei weitere Reisen ins europäische Ausland geplant: nach Zypern, Großbritannien und Spanien.

dpa