Streit über Schuld an Ölkatastrophe voll entbrannt
Die Spitzenmanager der drei in das Unglück verstrickten Unternehmen schieben sich die Verantwortung für den verheerenden Ölunfall im Golf von Mexiko gegenseitig in die Schuhe.
12.05.2010
Von Marco Mierke und Gabriele Chwallek

Drei Wochen nach dem verheerenden Ölunfall im Golf von Mexiko ist der Streit über die Schuld an der Katastrophe voll entbrannt. Die Spitzenmanager der drei in das Unglück verstrickten Unternehmen schoben sich am Dienstag die Verantwortung gegenseitig in die Schuhe. Gleichzeitig sucht der Ölkonzern BP als Betreiber der nach einer Explosion gesunkenen Bohrinsel weiter verzweifelt nach Wegen, den anhaltenden Ölaustritt ins Meer zu stoppen. Als nächstes will das Unternehmen noch bis Ende dieser Woche eine kleine Stahlkuppel über das Haupt-Leck in 1.500 Metern Tiefe stülpen.

Es geht um die Verantwortung für eine Umweltkatastrophe, und es geht um mögliche Milliardenforderungen von geschädigten Unternehmen und Privatleuten. Wer muss am Ende die Zeche für die wirtschaftlichen Spätfolgen der Ölpest zahlen?

Anhörung von BP, Transocean und Halliburton

Bei einer Anhörung im Energieausschuss des US-Senats am Dienstagnachmittag (Ortszeit) zeigte der Chef von BP Amerika, Lamar McKay, eindeutig auf den Eigner der Ölplattform Transocean, von dem BP die Bohrinsel geleast hatte. "Der Blowout Preventer von Transocean hat nicht funktioniert", sagte Lamar laut einer vorab verbreiteten Erklärung, aus der die Wirtschaftsagentur Bloomberg zitierte. Der Blowout Preventer, eine Kombination von Sicherheitsventilen, sollte eigentlich garantieren, dass nach dem Sinken der Plattform kein Öl ins Meer gelangt. Nach der Explosion funktionierte er aber nicht, beharrliche Versuche, die Ventile mit Hilfe von Robotern zu schließen, scheiterten.

Das in der Schweiz ansässige Unternehmen Transocean sieht die Verantwortung hingegen eindeutig bei BP, immerhin habe der britische Konzern das alleinige Sagen auf der Plattform gehabt. Es sei sinnlos, "den Unfall auf den Blowout Preventer zu schieben", sagte Transocean-Chef Stephen Newman in einer für die Anhörung vorbereiteten Aussage. Die Bohrung sei bereits abgeschlossen und das Bohrloch mit Zement verschlossen gewesen, so dass der Blowout Preventer nicht mehr benötigt worden sei.

Gegen diese Behauptung stemmt sich nun das dritte beteiligte Unternehmen, der Ölfeldausrüster Halliburton, der unter anderem mit den Zementarbeiten auf der "Deepwater Horizon" beauftragt war. Nach US-Medienberichten glauben Experten, dass diese Arbeiten zum Unglück beitrugen. Der Konzern habe zwar noch einen Tag vor der Explosion auf der Plattform gearbeitet, allerdings habe er das Bohrloch niemals endgültig versiegelt, weil die Bohrung schlicht noch nicht beendet gewesen sei, sagte Halliburton-Präsident Tim Probert nach Angaben von Bloomberg. Sein Unternehmen habe dabei strikt nach Anweisungen von BP gehandelt.

Ölpest beschäftigt US-Senat

Neben der Anhörung im Senatsausschuss begann in einem Vorort von New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana eine Prüfung zum Untergang der Bohrinsel. Der Kapitän der US-Küstenwache Hung Nguyen, einer der Co-Vorsitzenden der Untersuchung, versprach zu Beginn der Anhörungen eine intensive Aufarbeitung des Geschehens. Man werde sich "jedes auffindbare Beweisstückchen" genau anschauen, um herauszufinden, was zu der Ölkatastrophe und dem Tod von elf Menschen geführt habe. Zunächst wurden Zeugen von der Küstenwache befragt, die am Rettungseinsatz nach der Explosion am 20. April beteiligt waren. An der Anhörung nahmen auch Angehörige der Opfer teil.

Eine weitere Anhörung im Umweltausschuss des Senats am Nachmittag sollte weitere Klarheit über die Ursachen und Folgen der Ölpest bringen.

Als Konsequenz aus dem Ölunfall plant US-Präsident Barack Obama nach einem Online-Bericht der "New York Times" (Dienstag), die US-Rohstoffbehörde MMS zu zerschlagen. Er wolle künftig die Aufsichtsfunktion der Behörde von ihrer zweiten Aufgabe trennen, staatliche Gebühren von der Ölindustrie einzusammeln. Das werde Innenminister Ken Salazar am Nachmittag bekanntgeben. Mit dem Schritt solle die Situation beendet werden, dass eine Behörde die Ölindustrie gleichzeitig kontrollieren und unterstützen soll.

Bisherige Rettungsmaßnahmen gescheitert

Seit die Bohrinsel am 22. April versunken ist, sprudeln täglich mindestens 700 Tonnen Rohöl aus zwei Lecks am Meeresboden ins Wasser aus. Um das Übel bei der Wurzel zu packen, war in der vergangenen Woche eine mehr als 100 Tonnen schwere Stahlkuppel, so hoch wie ein vierstöckiges Haus, über die größere der beiden undichten Stellen gesenkt worden. Das im Container eingefangene Öl sollte dann abgesaugt und auf ein Bohrschiff geleitet werden. Wegen der großen Kälte so tief im Meer bildeten sich aber Kristalle aus gefrorenem Naturgas in dem Behälter, die die Öffnung an der Spitze verstopften. Dadurch wurde ein Absaugen verhindert.

BP hofft nun, dass das Problem in der viel kleineren Kuppel-Variante nicht auftaucht - schon deshalb nicht, weil er weitaus weniger Raum bietet. Der "Top Hat" (Zylinder) genannte Container wiegt etwa zwei Tonnen und ist etwa so groß wie ein Ölfass - 1,20 Meter lang und breit und 1,50 Meter hoch. Der Behälter ist mit inneren und äußeren Leitungen ausgestattet: zum Absaugen des Öl-Wasser-Gemischs und zum Einleiten von heißem Wasser und Methanol, um eine Kristallbildung zu verhindern.

BP arbeitet weiter mit Hochdruck daran, den Ölteppich auf dem Wasser in Schach zu halten. So wurden bis Dienstag rund 15 kontrollierte Brände zum Abfackeln von Teilen des schmierigen Films gelegt. Außerdem schoss ein Roboter-Fahrzeug Chemikalien zum Aufbrechen des Öls direkt in das Haupt-Leck am Meeresboden. Auch das Abschöpfen des Öls auf dem Wasser geht weiter, mittlerweile mit Unterstützung durch die US-Marine.

Die Uhr tickt immer lauter

Der Ölkonzern arbeitet außerdem an einem Plan zum Verstopfen der Öl-Quelle. Dabei sollen Gummistücke wie zum Beispiel Holzstücke, Teile alter Autoreifen oder Golfbälle unter Hochdruck in die Sicherheitsventile auf der Quelle geschossen werden. Diese Methode wird als "Junk Shot" (Müll-Beschuss) bezeichnet. Sie könnte nach BP-Angaben in zehn bis 14 Tagen zum Einsatz kommen.

Dabei tickt die Uhr immer lauter: Heftige Winde könnten in den kommenden Tagen Teile des Ölteppiches in Richtung Mississippi-Delta drücken. Bislang waren die Küsten der südlichen Bundesstaaten am Golf vom Ölteppich so gut wie verschont geblieben.

dpa