"Tatort: Todesbrücke", 11. Mai, 20.15 Uhr im SWR
Es soll Menschen geben, die ihren Krimikonsum auf den Anfang und den Schluss beschränken. Es genügt ihnen, die Tat zu erleben, den Kreis der Verdächtigen kennen zu lernen und einen Tipp abzugeben; später überzeugen sie sich dann bloß noch, ob sie richtig lagen. Die obligate falsche Fährte, auf die die Autoren die Ermittler und damit auch das Publikum gern locken, schenken sie sich einfach. Bei "Todesbrücke", einem "Tatort" aus Berlin, haben sie mit dieser Methode gute Karten. Die Polizei hingegen tappt viel zu lange im Dunkeln, und damit verstößt Autorin Frauke Hunfeld gegen die oberste Regel für Autoren: Unterschätze niemals dein Publikum.
Mit Herbert Trattnigg und Christine Reinhart
Zunächst ist der Fall tatsächlich verzwickt, wie alle Morde ohne offensichtliches Motiv: Von einer Autobahnbrücke aus ist ein Pflasterstein auf ein Auto geworfen worden; der Fahrer ist beim anschließenden Unfall ums Leben gekommen. Unmittelbar zuvor hatten die Kommissare Ritter (Dominic Raacke) und Stark (Boris Aljinovic) an der selben Stelle ein ähnliches Erlebnis: Kinder hatten eine Wasserbombe geworfen, doch die Jungs haben ein Alibi. Der nächste Verdacht fällt auf den Nachbarn des Toten, einen notorischen Querulanten (Herbert Trattnigg), der schon lange Streit mit dem Mordopfer hatte. Krach gibt’s auch ein paar Häuser weiter. Dort wohnt die Chefin (Christine Reinhart) des Ermordeten; sie untersagt ihrem geschiedenen Mann (Florian Martens) den Kontakt zu den gemeinsamen Kindern. Kurz drauf trifft ein gleicher Stein ein weiteres Auto derselben Marke; nun stirbt die Chefin des ersten Opfers.
Kommissare ziehen zunächst falschen Schluss
Hunfeld selbst liefert den entscheidenden Hinweis auf den Täter: Ritter testet, ob man ein Auto bei hoher Geschwindigkeit überhaupt treffen kann. Mit ein bisschen Übung ist das kein Problem; den Fahrer jedoch kann man von der Brücke herab unmöglich erkennen. Allerdings lässt Hunfeld ihre Kommissare daraus einen völlig falschen Schluss ziehen: Ritter und Stark vermuten, dass es jemand auf den Betrieb abgesehen haben könnte, für den die beiden Ermordeten gearbeitet haben, zumal beide einen Firmenwagen fuhren. Die Unternehmensberatung ist gerade mit der Abwicklung einer Speditionsfirma beschäftigt. Deren Besitzer (Götz Schubert) scheint tatsächlich jedes Mittel Recht, um die Pleite abzuwenden.
Parallelhandlung nur bedingt gelungen
Nur bedingt gelungen ist Autorin Hunfeld und Regisseurin Christine Hartmann, die den Film für einen Metropolen-Krimi überraschend ruhig und unaufgeregt inszeniert, auch die harmonische Integration der Parallelhandlung mit dem unvermeidlichen privaten Erzählstrang: Der alleinerziehende Stark hat ebenfalls Krach mit seiner Ex, die ihm den Sohn wegnehmen will. Immerhin gibt es einige hübsche Details. Starks Kollege flirtet hemmungslos mit dem neuem Babysitter, die Jungs von der Brücke verlangen als erstes einen Anwalt, und Ritter, nomen est omen, offenbart Beschützerinstinkte, als er sich hingebungsvoll um die hochschwangere Frau (Isabella Parkinson) des ersten Toten kümmert.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).