Warum die Kirchen gemeinsam Buße tun könnten
Pointierte Anmerkungen zu Politik und Zeitgeschehen: Als erfahrener Journalist ist Ernst Elitz gewohnt, den Mächtigen kritisch auf die Finger zu schauen, harte Worthülsen zu knacken und das Zeitgeschehen bisweilen bissig zu kommentieren - diesmal nimmt er mit Blick auf Griechenland das "obszöne Verhalten" der Finanzwirtschaft aufs Korn, rechnet in NRW auch nach überstandenem Wahlkampf mit nur wenig neuen Politikimpulsen, und vom Ökumenischen Kirchentag erwartet er sich eine neue Sachlichkeit sowie etwas mehr kirchliche Demut. Jede Woche beantwortet Ernst Elitz drei Fragen für evangelisch.de.
07.05.2010
Die Fragen stellte Bernd Buchner

evangelisch.de: Griechenland wird nach dem knapp vermiedenen Staatsbankrott zur Zielscheibe deutscher Boulevardmedien. Wie viel Schaumschlägerei und Neidkomplexe stecken dahinter, und wie viel echte Angst in der Bevölkerung?

Ernst Elitz: Zu jeder Familienerzählung gehören zwei Katastrophen: Die Inflation in den 1920er Jahren, die viele Vermögen vernichtete, und und der Zusammenbruch 1945. Damals wurde die starke D-Mark zum Gründungsmythos der Bundesrepublik. Nachdem uns im vergangenen Jahr schon die Finanzkrise eine enorme Schuldenlast aufgebürdet hat, ist die Sorge berechtigt, dass Deutschland und die EU nach dem Euro-Betrug der letzten griechischen Regierung nun in eine ernsthafte Krise geraten könnten. Das wäre eine schwere Belastung auch für künftige Generation. Dass die EU im "Schuldensumpf" versinkt, ist keine Übertreibung des Boulevards, sondern die Erkenntnis höchst seriöser Medien. Da schlägt keiner Schaum, da geht es um höchst handfeste existenzielle Probleme. Wer da zu beneiden wäre, weiß ich nicht. Die von vorigen konservativen Regierung belogenen und betrogenen Griechen sicher nicht. Und wenn sich Banken und Spekulanten weiter eine goldene Nase an der Krise verdienen, haben die Attacken auf sie nichts mit Neid zu tun, sondern geißeln das obszöne Verhalten eines Gewerbes, das mit seiner Gier andere zugrunde richtet.

evangelisch.de: Egal wie sie ausgeht, die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wird eine Zäsur in der deutschen Politik dieses Jahres. Können wir danach mit einem neuen Politikansatz rechnen, oder geht das übliche Hauen und Stechen weiter?

Ernst Elitz: Eine Landtagswahl – auch wenn sie zu einer neuen Koalition führen sollte – wird die Grundreflexe der Politik nicht verändern. Wie schnell ein neuer Politikansatz wieder im Orkus verschwindet, ist in der Berliner CDU-FDP-Koalition zu besichtigen. Wo ist da außer einigen rhetorischen Aufwallungen noch ein erkennbarer Ansatz der FDP? Die beiden großen Parteien haben sich ohnehin so aufgestellt, dass letztlich jeder mit jedem kann. Ob bei der Laufzeit der Kernkraftwerke, in der Bildungspolitik oder bei Hartz IV - immer lässt sich ein Kompromiss finden, bei dem jeder einen Halbsatz aus seinem Parteiprogramm retten kann. Zu diesen politischen Reflexen gehört auch, dass eine frisch gebackene Opposition sich gelegentlich von sich selber distanziert – wie die SPD von Hartz IV. Also nichts Neues in NRW, außer vielleicht einem neuen Regierungsbündnis. Dass die Grünen entsprechend anpassungsfähig sind, haben sie in Berlin und einigen Landesregierungen auch schon bewiesen. Echte Aufregung könnte es nur geben, wenn Hannelore Kraft plötzlich doch mit den Linken Hochzeit feiern möchte. Aber dieses Feuerwerk sollte sie sich und der SPD ersparen.

evangelisch.de: Der Ökumenische Kirchentag steht vor der Tür, doch die Kirchen haben zurzeit einen schweren Stand in der Öffentlichkeit. Welche Impulse kann das Treffen in München setzen, wo sollten die Christen laut sein und wo leise?

Ernst Elitz: Erst einmal sollten sie gemeinsam Buße tun und der Versuchung widerstehen, sich jeweils für die besseren Christen zu halten. Pharisäer gegen Pädophile aufzurechnen, bringt nicht viel, vor allem keinen Ansehensgewinn in der Öffentlichkeit. Der Ökumenische Kirchentag sollte ein Beispiel geben für sachliche Auseinandersetzungen mit Argumenten, für die Trennung von Urteil und Vorurteil, für die Achtung vor dem anders Denkenden und anders Entscheidenden, auch dafür, dass Pazifisten und Soldaten sich nicht bekriegen müssen, sondern Freunde sein können. Die Gerechtigkeit kennt viele Wege. Keiner hat einen Pachtvertrag für den alleinigen Besitz der Wahrheit. Das alles spricht eher für eine gemäßigte Tonlage.


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete.