Zwölf Uhr mittags im Goldsteinpark auf der Landesgartenschau: Gesang ist zu hören, eine bekannte Melodie, mit der einst Cat Stevens unter dem Titel "Morning has broken" einen Hit landete. Der deutsche Text "Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang …" soll "die Sonne herbeisingen", sagt Pfarrerin Anja Schwier. Sie ist als sogenannte Lichtkirchenpfarrerin sechs Tage in der Woche bis Oktober auf der Landesgartenschau präsent. 13 ältere Damen singen mit, lauschen den Worten der Geistlichen zum Thema Schöpfung und beten gemeinsam das Vaterunser.
Die Frauen aus der Begegnungsstätte Winkelsmühle der Diakonie in Dreieich sind häufig zusammen unterwegs. Den Ausflug zur Landesgartenschau hat Ilse Fink organisiert. "Der Besuch in der Lichtkirche war fest eingeplant", sagt die 78-jährige "Chefin" der Gruppe. Wie diese fröhlichen Seniorinnen kommen auch andere Gruppen angereist und lassen sich bei ihrem Landesgartenschaubesuch die Lichtkirche erklären. Und zu erklären ist einiges an dieser ungewöhnlichen Kirche.
Aus Holz, Plexiglas und Stahl
Das schlichte Gebäude (Foto: Albrecht Haag) steht zwischen grünem Rasen und üppigen Blumenbeeten unter alten Bäumen. Mit 13 Metern Länge und 4,30 Metern Breite ist es eher klein. Holz, Plexiglas und Stahl sind in einer Form zusammengefügt, die schon von weitem als Kirche erkennbar ist. Das spitzgiebelige Dach erinnert aber auch an zwei zum Gebet zusammengeführte Hände.
Zwei Besonderheiten weisen diese Kirche aus. Zum einen ist sie wirklich "mobil". Dank einer von Jens Gommel entworfenen Konstruktion kann sie in fünf Tagen auf- beziehungsweise abgebaut werden. Zum anderen nimmt das satinierte Plexiglas, das zwischen Holzrahmen vom Dach bis zum Boden eingefügt ist, das Licht auf und bringt es in der Kirche zum Leuchten: tagsüber das Sonnenlicht, nachts farbige Strahler, die am Fuß der Glasplatten eingelassen sind.
Hochzeiten und Taufen möglich
Zwei einfach aus Lärchenbrettern zusammengefügte Altäre machen innen wie außen Andachten und Gottesdienste möglich. Und davon gibt es einige auf der Landesgartenschau – auch ganz besondere. So wird am 7. August EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung in der Lichtkirche ein Paar trauen. Weitere Hochzeiten und auch Taufen sind möglich, sagt Lichtkirchenpfarrerin Anja Schwier. Sie freut sich, dass sich auch zwei ältere Paare zu ihrer bevorstehenden Goldenen Hochzeit einen besonderen Segen in dem lichtdurchfluteten Raum wünschen.
Täglich um zwölf Uhr sind die Besucher zu "Mittagsgedanken" und um 16 Uhr zum Reisesegen eingeladen. Jede Woche steht unter einem anderen Motto – etwa "Leise Töne, gute Worte" oder "Mit allen Sinnen" und wird von einer anderen kirchlichen Gruppierung verantwortet. Auch Konzerte. Musikkabarett und Lesungen stehen auf dem Programm.
Immer jemand zum Reden da
Über die ganze Dauer der Landesgartenschau - sie endet am 3. Oktober - sind 50 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer für die Besucher ansprechbar (Foto: Albrecht Haag). Barbara Bruns-Kittlaus kommt aus der Dankeskirchengemeinde in Bad Nauheim und ist ein- bis zweimal in der Woche im Dienst. Bei einer Schulung für diese Aufgabe hat sie gelernt, wie sie zum Beispiel erkennt, ob jemand angesprochen, oder lieber in Ruhe gelassen werden möchte.
Ist es nicht anstrengend, ständig fremde Menschen anzusprechen? "Mir macht es Freude, auf die Menschen zuzugehen, ich kann auch gut zuhören", sagt Bruns-Kittlaus. Viele interessante Gespräche hat sie schon geführt, auch viele Bekannte aus ihrer Heimatstadt in der Kirche empfangen. Und die Hintergrundarbeit – aufräumen, Liedblätter verteilen und anderes – müsse schließlich auch noch gemacht werden, sagt sie.
Ein Tagebuch reist mit
Wie kommt die mobile Kirche bei den Menschen an? Ein Blick ins "Reisetagebuch", das vor der Kirche ausliegt und auch künftig mit der Kirche reisen soll, zeigt es. "Endlich eine evangelische Kirche, wie ich sie mir wünsche", freut sich jemand. Und: "Schön, wenn nicht nur die Kirche wandert, sondern wir Menschen auch ein wenig Licht weitertragen".
Lieselotte Wendl ist freie Journalistin und schreibt für evangelisch.de.