Haushaltsabgabe als Alternative zur Rundfunkgebühr
Der Steuerrechtler Paul Kirchhof empfiehlt eine Haushaltsabgabe zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. In seinem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Gutachten wendet sich der frühere Bundesverfassungsrichter gegen das bisherige Rundfunkgebührenmodell.

Das Gutachten zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hatten ARD, ZDF und Deutschlandradio bei Kirchhof in Auftrag gegeben. Die Ministerpräsidenten der Länder wollen sich im Juni darüber verständigen, wie die Rundfunkgebühr künftig erhoben werden soll.

Die Haushaltsabgabe sei verfassungs-, europa- und abgabenrechtlich zulässig und wünschenswert, sagte Kirchhof. "Sie ist verständlich, unausweichlich und schont die Privatsphäre der Menschen." Die Haushaltsabgabe soll künftig pro Privathaushalt erhoben werden. Sie ist unabhängig davon, ob jemand ein Empfangsgerät hat oder nicht. Unternehmen sollen eine Betriebsstättenabgabe bezahlen, die sich nach der Zahl der Mitarbeiter richtet.

Ausgleich für sozial Schwache

Kirchhof betonte, dass die Privathaushalte nicht stärker belastet werden sollten als bisher. Die Rundfunkgebühr beträgt zurzeit 17,98 Euro pro Monat. In Zukunft solle die Unterscheidung zwischen Grund- und Gesamtgebühr entfallen, so dass für alle Haushalte ein Beitrag von 17,98 Euro anfalle, sagte Kirchhof. Für sozial Schwache empfiehlt er statt der bisherigen Beitragsbefreiung einen staatlichen Zuschuss in Höhe der Rundfunkgebühr auf das Wohngeld.

Kirchhof spricht sich in dem Gutachten auch dafür aus, dass ARD und ZDF auf Werbung verzichten sollten. "Dies wäre ein bemerkenswertes Signal zur Abgrenzung von privaten Anbietern", sagte er. Die dadurch entstehenden Einnahmeausfälle könnten durch eine stärkere Gebührenbelastung von Unternehmen kompensiert werden. Die Justiziare von ZDF und SWR, Carl-Eugen Eberle und Hermann Eicher, widersprachen Kirchhof in diesem Punkt.

Eicher sagte, er rechne zudem mit einem zurückgehenden Gebührenaufkommen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, da durch die Haushaltsabgabe Mehrfachgebühren entfielen. Der SWR-Justiziar sprach sich auch dafür aus, an der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) festzuhalten. Da die Kontrollen in Haushalten jedoch künftig entfielen, werde das "inquisitorische Element" in der bisherigen Arbeit der GEZ deutlich reduziert werden, so Eicher.

Zustimmung aus der ARD

Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust sagte, in dem Kirchhof-Gutachten werde "ein überzeugender verfassungsrechtlich gangbarer Weg beschrieben". Allerdings bedürfe die Ausgestaltung des Modells an vielen Stellen noch der Konkretisierung durch den Gesetzgeber. Erst danach könne die ARD eine belastbare Einschätzung des Reformmodells auch unter finanziellen Aspekten abgeben. ZDF-Intendant Markus Schächter sagte, es sei nun Sache der Politik, "ihre Schlüsse aus der vorliegenden Expertise zu ziehen".

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und der bayerische Medienminister Siegfried Schneider begrüßten das Ergebnis des Gutachtens. Eine Haushaltsgebühr bedeute eine Vereinfachung für die Bürger, teilte Schneider mit. Er forderte, die Tätigkeiten der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) sollten soweit möglich abgebaut werden. Wichtig für die Akzeptanz der neuen Abgabe sei, dass sie nicht höher ausfalle als bisher. Der Medienminister rief die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf, "die notwendige Gebührenstabilität durch Rationalisierungspotenziale und Prioritätensetzung" zu sichern. Er forderte, das neue Gebührenmodell sollte möglichst zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.

Werbefreier öffentlich-rechtlicher Rundfunk?

Schneider und Carstensen sprachen sich dafür aus, die von Kirchhof empfohlene Werbefreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchzusetzen. Die Mindereinnahmen, die ARD und ZDF durch den Wegfall von Werbung und Sponsoring entstehen würden, könnten durch Einsparungen von den Rundfunkanstalten ausgeglichen werden, sagte Carstensen. Auch ein Verzicht auf Angebote sei denkbar.

Auch die für die Medienpolitik federführende Staatskanzlei Rheinland-Pfalz begrüßte das Kirchhof-Gutachten im Namen der Rundfunkkommission der Länder. Die Rundfunkkommission sehe ihre Einschätzung eines grundsätzlichen Reformbedarfs durch das Gutachten bestätigt, teilte die Staatskanzlei mit. Die Rundfunkkommission werde für die Ministerpräsidentenkonferenz am 9. Juni einen Vorschlag für die Ausgestaltung eines neuen Gebührenmodells erarbeiten.

Beitrag der Wirtschaft

Der Vorsitzende der SPD-Medienkommission, Marc Jan Eumann, sagte, das Beitragsmodell mit Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe sei eine gute Grundlage für die weitere Diskussion zur Reform der Rundfunkgebühren. Wichtig sei, dass die neue Gebühr eine breite gesellschaftliche Akzeptanz finde und den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Anstalten decke. Auch die Grünen begrüßten das Gutachten, weil es bestätige, dass die Rundfunkgebühr dringend modernisiert gehöre. Die ungeliebte bisherige Gebühr habe auch die Akzeptanz von ARD und ZDF in Mitleidenschaft gezogen.

Die medienpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken, Kathrin Senger-Schäfer, sagte, ihre Partei lehne das neue Modell ab. Wenn es in Zukunft nur noch eine einheitliche Abgabe gebe, werde die Gebühr de facto für "Millionen Gebührenzahler" steigen, sagte sie.

epd