Als Gäste sind unter anderem der westfälische Präses Alfred Buß, der Marburger Theologe Marcel Martin und der Kölner Kabarettist Jürgen Becker dabei.
Hat Gott Humor? "Christentum, gerade auch der Protestantismus, und Humor werden nicht unbedingt in einem Atemzug genannt", gibt Helmut Keus, Assessor des Kirchenkreises Essen, zu. "Aber auch andere Religionen haben ja ihre Probleme mit dem Humor: Als wir anfingen, diese Veranstaltung zu planen, war die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in dänischen Zeitungen überall Gesprächsthema."
Der Evangelische Hochschuldialog zur Kulturhauptstadt solle die mitunter komplizierte Beziehungsgeschichte von Humor und Religion genauer betrachten: "Dabei geht es natürlich um die Frage, wo der Spaß aufhört - noch mehr aber darum, was wir tun können, um die heilsame Kraft des Humors zukünftig besser nutzen zu können."
Humorvolles Leben als Gleichnis des Himmelreichs
Ein Interview mit Präses Dr. h.c. Alfred Buß zum Thema „Humor“
Herr Präses, was bedeutet für Sie Humor?
Humor ist, wenn man trotzdem lacht – er ist die Fähigkeit des Menschen, sich nicht von den Widerwärtigkeiten des Lebens verschlingen zu lassen, vielmehr lachend zu ihnen auf Distanz zu gehen und sie so zu relativieren. Humor ist eine machtvolle Gegenmacht zu Leiderfahrungen aller Art.
Was unterscheidet Humor von Spaß?
Humor geht tiefer als Lachen aus Spaß an der Freud. Solchem Lachen fehlt der Bezug auf das Leid und so die dem Humor eigene Widerständigkeit. Schlichtes Lachen tut gut, es lenkt ab, erfrischt und kann so die Kraftreserven mobilisieren. Humor aber ist erlöstes Lachen. Das ist eine von allen Lebewesen nur dem Menschen gegebene Möglichkeit. Der Mensch kann zum augenblicklichen Erleben auf Distanz gehen, Widersprüchlichkeiten wahrnehmen – in ihnen die Komik entdecken und sich lachend von ihnen distanzieren.
Das Komische hat immer mit Widersprüchlichkeit zu tun: wir lachen über eine Fünfjährige, die in den Schuhen der Mutter daherkommt, über den Studenten, der sich in Rede und Auftreten gibt, als sei er schon Professor, über die Maus, wenn sie dem Elefanten in Größe und Gewicht Paroli bieten will...
Humor lässt uns die Widrigkeiten und Widersprüchlichkeiten unseres Lebens und unserer Welt als komische wahrnehmen; wir können uns davon distanzieren – und wenigstens für einen Moment das Widrige überwinden – in unserem Lachen.
Wann ist Humor besonders wichtig?
Blütezeiten für Humor waren und sind immer Zeiten politischer Unterdrückung. Lachen vertreibt die Angst und den Respekt vor hohen Tieren: „Erich, mach das Licht aus, du bist der Letzte“ liest Honecker am Brandenburger Tor, als er von einer Auslandreise zurückkommt und Ostberlin menschenleer findet. Dieser Witz kursierte ein bis zwei Jahre vor dem Mauerfall. Lachen befreit. Wer über die hohen Herrschaften lacht, nimmt ihnen die Macht, jedenfalls eine Zeit lang.
Was verbindet Humor mit dem Glauben?
Wer ausgelacht wird, kann nicht gleichzeitig ernst genommen werden. Lachen allen Widrigkeiten zum Trotz ist erlösendes Lachen. Deshalb ist Humor dem Glauben ganz nah. Humor ist – wie S. Kierkegaard in einer Tagebucheintragung bemerkt, die „Freude, welche die Welt überwunden hat.“ Das zeigt auch die mittelalterliche Tradition des Osterlachens.
Humorvolle Lebensbewältigung ist ein Gleichnis des Himmelreichs. Sie stellt eine von Gott ins Dasein gerufene Wirklichkeit vor Augen, die wirklicher ist als alle Wirklichkeiten dieser Welt. Ihr geht die Welt entgegen – sagt der Glaube. Humor ohne solchen Glauben distanziert sich von allen Widrigkeiten in der vorfindlichen Wirklichkeit. Er ist also zeitweilige Flucht aus der Wirklichkeit und darin widerständig.
War Jesus ein humorvoller Mensch?
Von Jesus ist kein Lachen überliefert. Wer aber seine Gleichnisse liest und sein Verhalten beobachtet, der entdeckt einen ganz tiefsinnigen Humor: Das Komische hat immer mit Widersprüchlichkeit zu tun. Zachäus, der zu kurzbeinig ist für seine Neugier, Jesus zu sehen, klettert auf einen Baum. So schützt sich der verhasste Steuereintreiber – zugunsten der römischen Besatzungsmacht – zugleich vor dem verständlichen Volkszorn. Jesus aber ruft ihn vom Baum, entlarvt und befreit ihn darin zugleich: bei dir will ich einkehren!
Erlösendes Lachen: Jesus stellt immer wieder die geltenden Gesetzmäßigkeiten, herrschenden Selbstverständlichkeiten und scheinbar fest zementierten Ordnungen auf den Kopf: der Priester und der Levit gehen am unter die Räuber Gekommenen vorbei, aber der missachtete und unreine Samaritaner rettet ihn. Der Sämann sät den Samen und alle wissen, auf den kommt Arbeit zu: jäten, gießen, düngen, Steine sammeln, aber Jesus erzählt: Der Sämann schläft und steht auf, schläft und steht auf. Die Saat aber wächst von selbst. Das kleine Senfkorn wird zum Baum, in dem die Vögel nisten usw. usw. Dieser Humor Jesu provoziert Widerspruch. Sie kostet ihn das Leben. Aber das war nicht sein Ende.... Am Ende steht das Osterlachen.
Gibt es für Humor eine Grenze – und falls ja, wo verläuft sie?
Humor hat dort seine Grenzen, wo Menschen durch vermeintlich komische Zuschreibungen erniedrigt, ihrer Würde beraubt oder in dem, was ihnen unbedingt wichtig ist – in dem, was sie glauben, heiligen, hoch wertschätzen – missachtet und beleidigt werden.