Die Solarförderung wird gekürzt - den Umweltminister freut's
Die Fördersätze für Dachanlagen sinken um 16 Prozent, für Solarparks auf Äckern gibt es künftig gar kein Geld mehr: Der Bundestag hat mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen eine Kürzung der Solarförderungen beschlossen, so wie es ein Koalitionsbeschluss vom Februar vorsah. Wirtschaftspolitisch ist das diskutabel - was fehlt, ist ein glaubwürdiges Energiekonzept.
06.05.2010
Von Thomas Östreicher

Weil die Preise für Solarmodule im vergangenen Jahr teils um 30 Prozent gefallen sind, ist es in Mode gekommen, auf die staatliche Unterstützung für Fotovoltaikanlagen einzuprügeln. Allen voran: der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Norbert Röttgen.

Mal so gefragt: Irritiert es eigentlich noch jemanden, wenn ein Bundesumweltminister dafür eintritt, die umweltfreundlichste Energie überhaupt weniger zu fördern als bisher? Oder ist inzwischen sowieso alles egal, solange es mit dem Allheilmittel und Selbstzweck des Sparens begründet wird?

Röttgen wiegelt ab. Es sei keineswegs geplant, die Solarbranche völlig auszubremsen. Die Kürzungen könnten zwar einige Firmen hart treffen (und nebenbei Tausende Arbeitsplätze kosten, was er dabei elegant verschweigt). Aber es dürfe sich auch niemand "auf dem Subventionsbett" ausruhen. Der Minister wörtlich: "Wir wollen keine Traumrenditen garantieren."

"Traumrenditen": mal willkommen, mal nicht

Die Argumentation des Ministers klingt vernünftig. Die Hersteller haben schließlich selbst eingeräumt, die Förderung könne maßvoll zurückgefahren werden, und eine "Überförderung" ist in niemandes Interesse. Aber leider handelt die Bundesregierung völlig inkonsequent. Misst man sie an ihren eigenen Worten, kommt Bizarres zutage.

"Niemand" dürfe sich auf staatlicher Hilfe ausruhen, behauptet Minister Röttgen – mit Verlaub, das ist geradezu ein Verdummungsversuch angesichts der Milliarden für den Kohle- und den Agrarsektor. Und seit wann hat die schwarz-gelbe Regierung etwas gegen Traumrenditen, etwa bei den Stromkonzernen oder der 100-prozentigen Staatstochter Deutsche Bahn AG, die pünktlich in jedem Herbst ihre Preise erhöht, aber die Strecken- und Flottenmodernisierung vernachlässigt?

Dass ausgerechnet unsere Bankenretter und Förderer von Unternehmensgewinnen um fast jeden Preis der Privatwirtschaft Gewinne missgönnen, das erstaunt dann doch. Seltsam auch, dass sich die großen Stromkonzerne bislang überhaupt nicht in der Solarbranche für Kleinanwender engagieren – so riesig können die Margen dort demnach kaum sein.

Fakten geschaffen

Fest steht: Unsere Standortpolitiker argumentieren, wie es ihnen gerade passt, und wenn sie ihre Klientel - etwa die Hotelbranche - bedienen können, dann verschenken sie auch mal gern zehnstellige Summen. Meinte es die aus Stockholm faktisch mit leeren Händen zurückgekehrte "Kimakanzlerin" freilich ernst mit der Umweltpolitik, dann würde sie konsequent auf die Energiewende setzen, den Autoverkehr nicht weiter nach Kräften mit der Kilometerpauschale fördern und vor allem die Kosten der alten Energieträger nicht weiter sozialisieren, während deren Gewinne privatisiert werden.

Eine Greenpeace-Studie beziffert die umweltschädlichen Subventionen im Energiesektor auf etwa 35 Milliarden Euro im Jahr - 35 Milliarden Steuergelder für lebensfeindliche Technologie. Dazu passt, was der neue Eon-Chef Johannes Teyssen fordert: Weil Atomkraft "ein stabiler Faktor der Stromversorgung" sei, verlangte Teyssen eine Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Kernkraftwerke. Wenn die Fakten sich änderten, müsse man den Mut haben, Vereinbarungen zu überprüfen. Da hat der Mann recht. Und die erforderlichen Fakten schafft die Bundesregierung nach dem Motto: Wir ändern nichts, weil sich nichts ändert - auch eine Form der Nachhaltigkeit.

Wo bleibt die Glaubwürdigkeit?

Die Stromkonzerne sind längst weiter. Sie propagieren zwar öffentlich weiter die Dinosaurier-Technologie Atomkraft, arbeiten aber längst an Megaprojekten, die auf Sonnenstrom aus der Wüste setzen - und dauerhaft prächtige Gewinne verheißen. Eine ernergiepolitische Leitlinie, eine Richtungsbestimmung durch Merkel & Co.? Fehlanzeige.

Zugegeben: Förderungspolitik ist immer ein Streitthema. Wer dem einen gibt, wird den anderen ärgern, und wer kürzt, macht sich unweigerlich unbeliebt. Eine Regierung soll und muss Akzente setzen, gerade in der Umweltpolitik. Ob in der Energie- und Umweltpolitik eine große Linie erkennbar ist, die unserer Verantwortung für die folgenden Generationen gerecht wird, daran entscheidet sich, ob die Bürgerinnen und Bürger diese Akzente glaubwürdig finden. Dafür haben sie momentan nicht den geringsten Grund.


Thomas Östreicher ist freier Journalist in Hamburg und Frankfurt.