Die ökumenische Bewegung hängt in der Steilwand fest
Vor rund 30 Jahren schien die Abendmahlsgemeinschaft zwischen Katholiken und Protestanten zum Greifen nah. Am Beginn des 21. Jahrhunderts scheint allerdings wieder Stillstand zu herrschen. Der katholische Kurienkardinal Walter Kasper sagt, die ökumenische Bewegung sei an einer Steilwand angelangt: Viele Fragen sind gelöst, nun geht es an die zentralen Probleme wie Abendmahl oder Ämterfrage.
06.05.2010
Von Stephan Cezanne

Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nähern sich die über Jahrhunderten getrennten christlichen Kirchen schrittweise wieder an. Sie schließen sich in regionalen, internationalen und weltweiten Organisationen zusammen, wie etwa im 1948 gegründeten Ökumenischen Rat der Kirchen - Weltkirchenrat -, der 1959 gegründeten Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) oder konfessionell gemischten Kirchenbünden auf nationaler Ebene.

Abendmahlsgemeinschaft zum Greifen nah

Vor rund 30 Jahren schien sogar die Abendmahlsgemeinschaft zwischen Katholiken und Protestanten zum Greifen nah. Rom hatte sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Mitte der 1960er Jahre gegenüber der Ökumene geöffnet. Die katholische Kirche trat der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Weltkirchenrates bei. Frucht dieser Zusammenarbeit war das Anfang 1982 im peruanischen Lima vorgelegte Dokument zu den Streitpunkten Taufe, Eucharistie und kirchliche Ämter.

Die daraus entstandene Limaliturgie steht für eine Art Super-Gottesdienst. Darin werden anglikanische, katholische, lutherische und orthodoxe Traditionen gemischt. Mit ein Vorbild war die seit fast 40 Jahren bestehende volle Gemeinschaft unter den aus der Reformation des 16. Jahrhunderts entstandenen Kirchen. Schließlich hatten auch die lutherischen und evangelisch-reformierten Kirchen mehr als 400 Jahre gebraucht, bis sie in der Leuenberger Konkordie von 1973 ihre Streitigkeiten überwanden und miteinander Abendmahl feiern konnten.

"Jahrhundert der Ökumene"

Mit den Limadokumenten wurde ein erster Anlauf unternommen, diese Gemeinschaft auf die katholische und orthodoxe Kirche zu erweitern - doch zunächst vergebens. Heute ist die Limaliturgie in der ökumenischen Bewegung in den Hintergrund getreten: Rom und auch die orthodoxen Kirchen erkennen das Dokument nicht an. 2003 hatten drei hochrangige Ökumeneinstitute beider großen Kirchen in Tübingen, Bensheim und Straßburg diese Abgrenzung beklagt: "Nicht die Zulassung getaufter Christen zum gemeinsamen Abendmahl, sondern deren Verweigerung ist begründungsbedürftig."

Dennoch, betonen Kirchenhistoriker, wurde in den vergangenen rund 50 Jahren in der Ökumene mehr erreicht, als in den 450 Jahren seit der Reformation davor. Vor allem das 20. Jahrhundert gilt heute als das "Jahrhundert der Ökumene". Meilensteine waren unter anderem die drei Europäischen Ökumenischen Versammlungen - Basel 1989, Graz 1997 sowie zuletzt im rumänischen Hermannstadt (Sibiu) 2007 - und natürlich die beiden deutschen Ökumenischen Kirchentage 2003 in Berlin und nun in München.

Streit um Rechtfertigung beigelegt

Am 31. Oktober 1999 stand Augsburg im Mittelpunkt der christlichen Welt: Fast 500 Jahre nach der Kirchenspaltung unterzeichneten Vertreter des Lutherischen Weltbundes (LWB) und des Vatikan die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre". Sie ist das Ergebnis rund 30-jähriger internationaler Gespräche zwischen lutherischen und katholischen Theologen und sollte einen Jahrhunderte alten Kirchenstreit offiziell beenden. Damit hoben die Kirchen auch ihre gegenseitigen Lehrverurteilungen aus der Reformationszeit auf. Praktische Auswirkungen bleiben allerdings bis heute aus.

Repräsentanten fast aller christlichen Kirchen Europas unterzeichneten 2001 die Charta Oecumenica in Straßburg. Optimisten vergleichen das Dokument mit der UN-Charta der Menschenrechte. Andere meinen, die Charta sei zwar kein Durchbruch, aber doch ein neuer Aufbruch in der Ökumene. Darin verpflichten sich Protestanten, Orthodoxe und Katholiken zur Mitarbeit am Aufbau eines sozialen Europas und zu mehr Einheit unter den Christen. Das Papier hat allerdings keinen kirchenrechtlichen Anspruch und wird auch nicht vom Vatikan mitverantwortet.

Heute eher Stillstand

Am Beginn des 21. Jahrhunderts scheint vor allem in der Frage des gemeinsamen Abendmahls und der Anerkennung der kirchlichen Ämter Stillstand zu herrschen. So wertete der Vatikan in einigen Grundsatz-Dokumenten wie "Dominus Iesus" aus dem Jahr 2000 andere Kirchen ab. In dem umstrittenen Papier werden die protestantischen Kirchen nicht als Kirchen, sondern nur als kirchliche Gemeinschaften angesprochen. Ungekehrt ruft das im Protestantismus geprägte Motto "Ökumene der Profile" bei vielen Katholiken Stirnrunzeln hervor. Es bringe nichts, sich voneinander abzugrenzen. Man solle sich mehr auf das Gemeinsame berufen, heißt es.

Der deutsche Kurienkardinal und "Ökumeneminister" des Papstes, Walter Kasper, äußerte sich zuletzt mehrfach kritisch zum Stand der Ökumene zwischen Protestanten und Katholiken: "Wir sind auf unserem Weg an der Steilwand angekommen." Zugleich warnte er bei anderer Gelegenheit vor Gejammer über einen vermeintlichen Stillstand in der Ökumene. Zur ökumenischen Bewegung gebe es keine Alternative, sagt Kasper.

epd