Wer in einer Kirche Mitglied sein will, muss auch Kirchensteuern zahlen. Das bestätigte heute der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof. Grund war die Klage der Erzdiözese Freiburg gegen den emeritierten Kirchenrechtler Hartmut Zapp. Dieser wollte die Kirche als rechtliche Institution verlassen, aber weiterhin Mitglied der Kirche als Versammlung der Gläubigen bleiben.
Unscharfer Kirchenbegriff
Dass es diese Unterscheidung innerhalb des Begriffs "Kirche" überhaupt gibt, ist vielen Christen gar nicht bewusst. Dahinter steht die Vorstellung, dass Gott am Ende der Zeiten alle Gläubigen zu sich ruft – das "Gottesvolk", wie es im Neuen Testament heißt, die "Gemeinschaft der Heiligen", wie sie im Glaubensbekenntnis genannt wird.
Wer dazu gehören wird und wer nicht, kann natürlich nur Gott entscheiden. Auf Erden bleibt das Gottesvolk in seiner genauen Zusammensetzung "unsichtbar" – Protestanten sprechen deshalb auch von der unsichtbaren Kirche. Wenn sie im Hier und Jetzt zusammenkommen, müssen sie sich aber auch eine Form geben: Die einer Institution, in Deutschland einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Dreifacher Kirchen-Eintritt
Diese zweite Größe nennt man dann "sichtbare Kirche" und gesteht ein, dass diese mit der "unsichtbaren" nicht identisch sein muss. Und noch ein Drittes versteht man unter dem Begriff "Kirche": Die Versammlung der gläubigen Christen vor Ort, also das, was man klassisch die "Ortsgemeinde" nennt. Nach Überzeugung der Reformatoren erkennt man die letzten beiden übrigens als der "rechten Verwaltung der Sakramente" und der "lauteren Verkündigung des Evangeliums.
Dreimal Kirche – und wie wird man da Mitglied? Christinnen und Christen glauben, dass ein Mensch durch seine Taufe in die Kirche aufgenommen wird. Egal, wie alt er zu diesem Zeitpunkt bereits ist. Umgekehrt gilt: Ohne Taufe kann niemand, unter keinen Umständen, Kirchenmitglied sein. Und damit sind alle drei Facetten von Kirche zugleich gemeint: das Gottesvolk, die Institution und die Ortsgemeinde.
Keine Zusätze gestattet
Der Eintritt in die Kirche ist also relativ einfach. Sie zu verlassen hingegen nicht. Denn wer in Deutschland seien Austritt erklärt, tut dies vor dem Standesamt (oder je nach Bundesland: Amtsgericht) und beendet damit definitiv seine Mitgliedschaft in der Institution Kirche. Das Gericht entschied nun, dass diese Entscheidung nur glaubhaft sei, wenn damit auch die Trennung von der Ortsgemeinde verbunden sei, also von der Versammlung der Gläubigen.
Im Zusammenhang seines Austrittsverfahrens hatte Zapp geäußert, es handele sich nicht um eine „innere Entscheidung, die Kirche zu verlassen“ (Radio Vatikan). Vielmehr sei und bleibe er gläubiger Katholik; sein Austritt sei ein lediglich staatlicher Akt. In der Argumentation des Gerichts gegen diese Auffassung spielte der Text des Kirchensteuergesetzes Baden-Württemberg eine Rolle, das verlangt, eine Austrittserklärung müsse eindeutig und ohne Zusätze sein.
Innerkirchliche Klärung erwartet
Damit hat der Verwaltungsgerichtshof freilich nicht über die Zulässigkeit von Kirchensteuer oder über die Möglichkeit einer steuerfreien Kirchenmitgliedschaft entschieden, sondern nur über die Gesetzmäßigkeit des Zusatzes auf der Austrittserklärung des Kirchenrechtlers. Darüber zu entscheiden, sei eine innerkirchliche Angelegenheit, so die Richter.
Der unterlegene Kirchenrechtler hofft, dass auf das Gerichtsurteil eine innerkirchliche Klärung erfolgt. Zwar sieht es derzeit nicht danach aus, aber langfristig könnte es tatsächlich auch in Deutschland eine Aufhebung der vom Staat eingezogenen Kirchensteuer geben. Dann wäre auch das Anliegen von Hartmut Zapp erreicht. Er zahlt nämlich statt der missliebigen Kirchensteuer zurzeit ohnehin, wie in Italien üblich, eine Kultursteuer. Deren Empfänger darf man sich aussuchen. Zapp wählte – die katholische Kirche.
Sollte sich dieses Modell durchsetzen, wäre es möglich, offiziell Mitglied der Kirche als Versammlung der Gläubigen zu sein, ohne ihr zugleich als Institution anzugehören. Die Mitgliedschaft in der Kirche als "Gemeinschaft der Heiligen" hingegen kann kein deutsches Gericht mit der Zugehörigkeit zur Körperschaft Kirche verknüpfen. Sie bleibt für den Glaubenden allezeit bestehen und lässt sich nicht aufheben. Schließlich kann man sich nicht "enttaufen" lassen.
Ingo Schütz ist angehender Pfarrer der EKHN und absolviert zurzeit ein Praktikum bei evangelisch.de. Seine Kirchensteuern zahlt er - ehrlich! - gerne.