Bischof Weber: Die Abendmahlsfrage nicht länger hinausschieben
Nach wie vor gehen die Christen getrennt zum Tisch des Herrn - auch beim Ökumenischen Kirchentag nächste Woche in München. Doch es wird Zeit, die Abendmahlsfrage zu klären, findet der evangelische Bischof Friedrich Weber. Er setzt sich für Gespräche zwischen Lutheranern und Katholiken über das Thema ein. In einem Interview mit evangelisch.de spricht der Bischof, der zu den wichtigsten lutherischen Ökumenikern in Deutschland gehört, ferner über seine Hoffnungen für das bevorstehende Christentreffen, verteidigt selbstbewusst das evangelische Kirchenverständnis - und erläutert, warum die theologischen Fachdiskussionen auch für die "normalen" Christen von Bedeutung sind.
04.05.2010
Die Fragen stellte Bernd Buchner

evangelisch.de: "Damit ihr Hoffnung habt" lautet das Motto des Ökumenischen Kirchentags. Welche Hoffnung haben Sie?

Weber: Ich fahre in der Hoffnung nach München, dass das, was wir ökumenisch erreicht haben, nicht vergessen, sondern neu belebt und gefeiert wird – und Gestalt bekommt auch in einer sich verändernden äußeren Form unserer Kirchen. Sie sollten näher zusammenkommen, sollten nicht das Trennende beschreien, sondern das Verbindende leben bis in die praktischen Vollzüge hinein.

evangelisch.de: Das Trennende ist zum Beispiel das Abendmahl.

Weber: Ja, das trennt uns ohne Frage, auch das Amt und das Verständnis von Papst, Bischof oder Priester, daraus abgeleitet bestimmte Ansichten über das Wesen der Kirche. Dass die evangelische Kirche immer noch als mit Defekten ausgestattet beschrieben wird, muss uns aber nicht kümmern. Denn wir kommen durch einen Blick in die Schrift, ins Neue Testament, zu einer anderen Selbstbeschreibung, und das macht uns selbstbewusst. Doch es ist schade, dass man nicht zu einem anderen Reden und Denken über den ökumenischen Partner kommt. Das ist betrüblich. Doch es beschädigt uns nicht in unserem Kirchesein – denn das bestimmen wir schon selbst.

evangelisch.de: Die wahre Kirche ist nach lutherischem Verständnis unsichtbar. Was wird die sichtbare Kirche sein, die in München zu sehen ist?

Weber: Sie wird bunt und lebendig sein, mit sehr vielen jungen Leuten. Wir werden sicherlich über empfindliche Fragen streiten – über gerechten Frieden etwa, Afghanistan spielt eine Rolle. Wir werden über Armut in Deutschland reden, über Teilhabemöglichkeiten auch im Bereich der Bildung. Aber auch ganz fromme Themen spielen eine Rolle, etwa die Frage, wie mein eigenes spirituelles Leben aussieht.

evangelisch.de: Sind Sie betrübt, dass es kein gemeinsames Abendmahl geben wird?

Weber: Ja, bin ich. Natürlich haben wir gewusst, dass sich die Verantwortlichen letztlich nicht anders verhalten können. Ich bin dennoch betrübt, weil das ein Thema ist, das Jahr für Jahr und Dekade für Dekade immer wieder hinausgeschoben wird. Wenn man sich bewusst macht, wie die ersten Christen täglich zusammenkamen, das Herrenmahl feierten und damit Gemeinschaft konstituierten, dann ist das ein großer Defekt, den wir heute haben.

Ein Impuls von Gunther Wenz

evangelisch.de: Sie wollen eine Gemeinsame Erklärung zum Abendmahl.

Weber: Ich habe mir einen Impuls des Münchner Theologen Gunther Wenz zu eigen gemacht. Es geht um die Frage, ob wir evangelische und katholische Christen nicht mittlerweile theologisch so weit sind, gemeinsam zu beschreiben, was wir über Abendmahl und Eucharistie denken – und das in einer Erklärung festhalten. Diese muss dann auch rezipiert und wahrgenommen werden. In der wissenschaftlichen Arbeit sind wir schon so weit, doch sehr wichtig ist die kirchenamtliche Rezeption solcher Ergebnisse. Eine Gemeinsame Erklärung zum Abendmahl wäre ein wichtiger Schritt – gegenwärtig ist eine Erklärung zur Taufe in Arbeit, dann könnten solche zum Amt und letztlich zur Kirche und zum Kirchenbegriff folgen.

evangelisch.de: Wie weit wäre dann noch die Kircheneinheit?

Weber: Es wäre zunächst eine großer Schritt zu einer größeren sichtbaren Einheit in Lehrfragen. Die sichtbare Einheit muss gar nicht so aussehen, dass sich evangelische und katholische Kirche innerhalb von 15 Jahren organisatorisch verbinden. Es werden immer Unterschiede bleiben – in der Mentalität, in der Liturgie. Diese Unterschiede müssen wir gar nicht einebnen, denn das ist ja auch ein großer Reichtum. Aber wir müssen öffentlich bekunden können, dass wir uns in den Grundfragen nicht nur je und dann einig sind, sondern dass wir übereinstimmen.

"Um welche Sachen kümmert ihr euch eigentlich?"

evangelisch.de: Wie erklären Sie den "normalen" Christen diese theologischen Unterschiede?

Weber: Die sagen uns doch, um welche Sachen kümmert ihr euch eigentlich? Sorgt lieber dafür, dass die Kirchen wieder voll werden und dass die Predigten ordentlich sind! Viele unserer Gemeindemitglieder interessieren diese Fragen überhaupt nicht. Sie spüren aber an den Wirkungen, wie schädlich es ist, wenn die Fragen nicht geklärt sind – etwa bei den bekenntnisverschiedenen Ehen. Mir sagte neulich ein Katholik, er würde gerne zur Eucharistie gehen. Aber da er geschieden sei, darf er nicht und bleibt mit sehr trauriger Miene sitzen.

evangelisch.de: Zwischen dem ersten ÖKT 2003 in Berlin und dem nun folgenden Treffen in München lagen sieben Jahre – rein kalendarisch müsste der nächste ÖKT 2017 stattfinden. Ein Ökumenetreffen im Lutherjahr?

Weber: Das wäre eine große Sache, der Ökumenische Kirchentag als Abschluss der Reformationsdekade und zugleich als Beginn einer ökumenischen Dekade.


Prof. Dr. Friedrich Weber (61), seit 2002 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig, ist Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) sowie Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). Weber lehrt als Honorarprofessor an der Technischen Universität Braunschweig. Beim Ökumenischen Kirchentag in München nimmt er unter anderem an der Podiumsdiskussion "Im Dienst des einen Herrn - das kirchliche Amt in der ökumenischen Diskussion" (Samstag, 15. Mai, 16 Uhr) teil. Der Münchner Theologieprofessor Gunther Wenz wird bei der Veranstaltung ein Kurzreferat halten.