Gericht prüft Strafbarkeit von Dumping-Löhnen
Das Landgericht Magdeburg muss prüfen, ob sich Arbeitgeber strafbar machen, wenn sie Beschäftigten keinen Mindestlohn zahlen. Ein Urteil könnte Signalwirkung haben.

In einem Berufungsprozess ist ein 56-jähriger Unternehmer angeklagt, der Arbeitnehmer aus der früheren Sowjetunion an Autobahnraststätten und Autohöfen zu einem Stundenlohn von 1,79 Euro beschäftigt haben soll. Bislang wird die Weigerung, allgemeinverbindliche Mindestlöhne zu zahlen, als Ordnungswidrigkeit gewertet. Das Urteil ergeht voraussichtlich nicht vor dem 17. Juni, da die Richter noch weitere Zeugen befragen wollen.

Ein Sprecher maß dem Verfahren grundsätzliche Bedeutung zu. Bislang werde die Weigerung, allgemeinverbindliche Mindestlöhne zu zahlen, als Ordnungswidrigkeit gewertet, für die Bußgelder zu zahlen seien. Wenn dies ein Straftatbestand sei, drohten härtere Sanktionen wie Geld- oder sogar Haftstrafen bis zu fünf Jahren.

Der Angeklagte setzte von 2002 bis 2007 bis zu 40 Arbeitnehmerinnen aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion an Rasthöfen, Autohöfen und in einem Schnellrestaurant in mehreren westdeutschen Bundesländern ein. Dort waren sie in Zwölf-Stunden-Schichten dafür zuständig, Toiletten und Duschen sauber zu halten oder Geld für die Benutzung einzusammeln. Sie arbeiteten bis zu 14 Tage am Stück und erhielten dafür 60 bis 300 Euro - bei freier Kost und Logis.

Nach Auskunft von Staatsanwalt Andreas Strauß betrug der Mindestlohn für Gebäudereiniger zu der Zeit wenigstens in einigen Bundesländern 7,68 Euro. Der Arbeitgeber zahlte die Sozialversicherungsbeiträge für Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nur auf den tatsächlich ausgezahlten, geringeren Lohn und nicht auf Grundlage des eigentlich gültigen Mindestlohns. Nach Angaben des Landgerichts Magdeburg soll den Sozialkassen daraus ein Schaden von über 100.000 Euro entstanden sein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass in diesem Fall durch Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt ein Straftatbestand erfüllt ist.

Vor Gericht äußerte sich der inzwischen insolvente Unternehmer zunächst nicht. Sein Anwalt Osmar Christmann argumentierte am Rande der Verhandlung, tatsächlich hätten die Beschäftigten nur zwei bis drei Stunden täglich gearbeitet und ansonsten eine Art von Bereitschaft gehabt.

Im Oktober 2008 und März 2009 hatten das Amtsgericht und das Landesgericht Magdeburg die Auffassung vertreten, dass sich der Arbeitgeber nicht strafbar gemacht hatte und sprachen ihn deswegen frei. Die Staatsanwaltschaft war daraufhin in Revision beim Oberlandesgericht Naumburg gegangen, das den Freispruch aufhob.

dpa/fra