Ermittlungen gegen NRW-CDU: Wahlkämpfer Rüttgers in Not
Knapp eine Woche vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl gerät Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) weiter unter Druck. Seiner Partei werden illegale Finanzpraktiken vorgeworfen. Bundestagspräsident Norbert Lammert ermittelt.
03.05.2010
Von Claus Haffert

Seit Wochen rackern sich Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft im Wahlkampf ab. Der nordrhein-westfälische CDU- Ministerpräsident und die SPD-Spitzenkandidatin besuchen Firmen, verteilen Blumen und streiten sich vor Kameras. Bislang ohne durchschlagenden Erfolg - jedenfalls wenn man die Meinungsumfragen zum Maßstab nimmt. Die Demoskopen verkünden beständig ein Patt zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün. Keines der beiden Lager könnte alleine regieren, wenn die Bürger am kommenden Sonntag tatsächlich so abstimmen, wie sie es in den Umfragen ankündigen.

Rüttgers hatte die CDU bei der Landtagswahl 2005 nach 39 Jahren zurück an die Macht in Düsseldorf geführt. Damals profitierte er vom Unmut der Wähler über Rot-Grün in Land und Bund. Diesmal muss er selbst fürchten, Opfer einer Denkzettel-Wahl zu werden. "Nordrhein-Westfalen ist zu schön, um als Fußabtreter zu dienen", warnt er deshalb in seinen Wahlkampfreden. Rüttgers' Probleme sind aber nicht nur aus Berlin importiert. Mit der Affäre um Gesprächsangebote mit dem Regierungschef gegen Bezahlung hat die CDU selbst für reichlich Negativ-Schlagzeilen gesorgt.

Illegale Spenden?

Und nur eine Woche vor der Wahl bekam er schon wieder Ärger wegen der Finanzpraktiken seiner Partei. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bestätigte am Montag, dass er wegen neuer Vorwürfe illegaler Parteifinanzierung gegen seine Parteifreunde in NRW ermittelt. "Wie immer in solchen Fällen prüfen wir, sobald wir Anhaltspunkte für mögliche Verstöße gegen das Parteiengesetz haben", sagte er im Deutschlandfunk. Die Landes-CDU hatte eingeräumt, im Wahlkampf 2005 die Gründung einer angeblich parteiunabhängigen Wählerinitiative mitfinanziert zu haben. SPD und Grüne werfen der CDU illegale Parteispenden vor.

Nach dem Wahlsieg 2005 hatte sich Rüttgers zum "Vorsitzenden der Arbeiterpartei in Nordrhein-Westfalen" ernannt. Jetzt muss er feststellen, dass es ihm nicht gelungen ist, aus dem SPD-Land Nordrhein-Westfalen ein CDU-Land zu machen. Für die Sozialdemokraten, die noch im vergangenen Jahr bei der Kommunal- und bei der Bundestagswahl ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte des Landes einfuhren, ist die CDU urplötzlich wieder in Reichweite.

Herausforderin Kraft schließt auf

Noch beunruhigender muss für Rüttgers sein, dass er den Umfragen zufolge keinen Amtsbonus mehr besitzt. Herausforderin Kraft hat bei der Frage, wen die Bürger direkt zum Ministerpräsidenten wählen würden, zum Amtsinhaber aufgeschlossen, in einer Umfrage hat sie sogar einen kleinen Vorsprung. Kraft sei im Wahlkampf "erstaunlich stark" bescheinigte selbst der aus der SPD ausgetretene Ex- Ministerpräsident Wolfgang Clement der Rüttgers-Herausforderin. Gute Worte über SPD-Politiker findet er sonst kaum noch.

Bei allen Differenzen in der Sache, an einem Punkt stimmen Rüttgers und Kraft überein. Sie verraten den Wählern nicht, was sie machen werden, wenn es für ihre Wunschkoalitionen nicht reicht. "Ich möchte nicht mit den Grünen koalieren", beantwortet Rüttgers Fragen nach Schwarz-Grün. Gleichzeitig sendet er aber grüne Signale aus. NRW will er zur umweltfreundlichsten Industrieregion machen. Seinen Koalitionspartner FDP hat Rüttgers mit seiner Absage an eine Steuersenkung auch im Jahr 2012 verärgert. Vom Motto des Koalitionsvertrags von 2005 "Privat vor Staat" will er nichts mehr wissen.

Was die Grünen für Rüttgers sind, ist die Linkspartei für Kraft. Ohne die Linke habe die SPD keine Machtperspektive, halten ihr CDU und FDP unablässig vor. Die SPD-Chefin nährt diese Vorwürfe mit nicht eindeutigen Äußerungen über die Linke. Mehr als ein "nicht koalitions- und regierungsfähig" ist ihr im Wahlkampf nicht über die Lippen gekommen. Den ursprünglich Zusatz "derzeit" hat sie mehr und mehr fallen gelassen.

Politisches Laboratorium NRW

Angesichts der Umfragen könnte Nordrhein-Westfalen wieder einmal zum politischen Laboratorium werden. Sozial-Liberal (1966) und Rot-Grün (1995) wurden zunächst in Düsseldorf ausprobiert, bevor diese Koalitionen später auch im Bund an die Macht kamen. Schwarz-Grün am Rhein könnte eine ähnliche Signalwirkung zukommen.

Die Grünen tun sich mit einem solchen Bündnis aber ebenso schwer wie die CDU. Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann gilt als Befürworterin von Schwarz-Grün ("mögliche Zweitoption"). Nach Unmut an der Parteibasis über die Flirts mit der Rüttgers-CDU hat sie sich in den letzten Wahlkampftagen jedoch immer kritischer über die Union geäußert. Ein kleiner Parteitag hat am Sonntag Schwarz-Grüne aber weiter offen gehalten, ebenso wie ein rot-grün-rotes Bündnis.

Die in den Abwärtssog der Bundes-FDP geratenen NRW-Liberalen haben unterdessen ihre Warnungen vor einer Koalition von CDU und Grünen verschärft. Wer CDU wähle, könne am Montagmorgen mit Schwarz- Grün aufwachen, wirbt FDP-Spitzenkandidat Andreas Pinkwart um die Zweitstimmen von CDU-Wählern. Eine Kampagne, die sich in Nordrhein-Westfalen erstmals richtig lohnt. Denn auf Wunsch der FDP hat Schwarz-Gelb für Landtagswahlen die Zweitstimme eingeführt.

dpa