Konferenz: Atomwaffensperrvertrag auf dem Prüfstand
Im Schatten der Bombe: Überschattet vom Streit um Teherans Atomprogramm trifft sich die Weltgemeinschaft in New York zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags.
03.05.2010
Von Chris Melzer

Eigentlich könnte auf der Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag alles so schön sein. Die USA und Russland haben gerade eine Verringerung ihres strategischen Atomarsenals vereinbart, die USA eine neue, defensivere Nuklearwaffendoktrin vorgelegt, und der Washingtoner Atomgipfel fand fast weltweit Zustimmung. Wenn da nicht Sorgenkinder wären: Iran, Pakistan, Nordkorea, auch Indien und Israel. In den nächsten vier Wochen tagt in New York die weltweite Konferenz zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen. Dass der Sperrvertrag verlängert wird, steht kaum infrage. Dass er seine Aufgabe erfüllt, dagegen schon.

Kriegsentscheidende Waffe

Seit 1968 ist der exklusive Kreis der Atommächte vertraglich festgeschrieben. Nur Länder dürfen "die Bombe" haben, die sie ohnehin schon hatten. Neben den Erstunterzeichnern USA, Sowjetunion und Großbritannien waren das noch Frankreich und China. Alle anderen verzichteten, sicherten sich mit ihrer Unterschrift dafür aber Zugang zur zivilen Nutzung der Atomkraft.

Mit dem Vertrag sollte das Wettrüsten auf die großen Blöcke NATO und Warschauer Pakt begrenzt und eine unkontrollierte Atomrüstung in der Welt vermieden werden. Denn in den unruhigen 60er Jahren mit Konflikten auf praktisch allen Erdteilen gierten weltweit Staaten, Parteien und Despoten nach der kriegsentscheidenden Waffe. Das Kalkül: Wer mit nur einer Bombe ganze Städte auslöschen kann, wird nicht angegriffen.

Fast alle Staaten der Erde unterzeichneten den Vertrag, bis auf drei: Israel - wenn auch unbestätigt - sowie Pakistan und Indien. "Das sind immer noch die Problemfälle", sagt der Kieler Politologe Joachim Krause. "Hinzu kommt natürlich Nordkorea, das sich über das Vertragswerk erst einmal mit Atomtechnologie versorgte und dann austrat."

Zweifelhafte Vertragstreue

Die Nordkoreaner behaupten von sich selbst, zweimal zu Testzwecken Atombomben gezündet zu haben. "Und dann sind da noch die Staaten, bei denen die Vertragstreue immer noch zweifelhaft ist", sagt Krause und nennt Iran und Syrien. Gerade Teheran brüskiert die Weltgemeinschaft immer wieder und hat jetzt sogar die Partner Russland und China verärgert. Seit Wochen wird in New York über neue UN-Sanktionen gegen den Iran verhandelt.

Mehr als 95 Prozent der nuklearen Gefechtsköpfe lauern zwar in amerikanischen und russischen Bunkern, aber die Handvoll in Asien bereitet den Regierungen der Welt weit mehr Kopfzerbrechen. Weder Indien noch Pakistan noch Nordkorea habe das Papier am Bau der Bombe gehindert und im Iran könnte der nächste Sündenfall kommen. "Aber immerhin hat der Vertrag etwa 50 Länder, die Kernwaffen herstellen könnten, dazu gebracht, diese Option nicht weiter zu verfolgen", sagt Krause. Aus seiner Sicht hat die Welt schlicht keine Wahl: "Die Alternativen wären, dass jeder sich Kernwaffen beschaffen darf - oder deren vollständige und kontrollierte Abschaffung."

Atommächte und Atomhabenichtse

So wünschenswert die letztere Variante wäre, so illusorisch ist sie noch. Deshalb bleibt die Welt weiter geteilt in Atommächte und Atomhabenichtse. "Der Vertrag ist zwar ungerecht, aber gerade das hat ihn bisher effektiv gemacht", sagt Krause. "Die meisten der Nichtkernwaffenstaaten fühlen sich nicht benachteiligt, solange das ihre Sicherheit nicht negativ beeinträchtigt. Und das ist weitgehend der Fall." Auf der vierwöchigen Konferenz soll Bilanz gezogen werden. Dass der Vertrag ernsthaft infrage gestellt wird, ist nicht zu erwarten. Dass eine der erklärten oder unerklärten Atommächte auf die Waffe verzichtet, auch nicht.

Krauses amerikanischer Kollege Robert Harkavy glaubt sogar, dass einige Staaten auf die Bombe gar nicht verzichten können. "Israel hat einfach keine andere Wahl, als mit Vernichtung zu drohen", sagt der Professor von der Penn State University in Pennsylvania. "Und Indien könnte Pakistan überrennen, wenn die nicht die Bombe hätten." In der Region habe die Atombombe auf beiden Seiten Kaschmirs so sogar eine stabilisierende Wirkung wie einst im Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion. "Natürlich nur, solange Pakistan weiter auf dem Weg zur Demokratie ist", räumt Harkavy ein. "Wenn sich radikale Elemente in Pakistan durchsetzen, ist die Bombe eine enorme Gefahr."

UN-Atomwaffenkonferenz im Schatten der Iran-Affäre

Überschattet vom Streit um Teherans Atomprogramm trifft sich die Weltgemeinschaft in New York zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags. Zum Auftakt der diesjährigen Konferenz sollte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Montag als einziges Staatsoberhaupt vor Ort das Wort ergreifen. Bis Ende Mai werden Vertreter von fast allen 192 Staaten der Erde am UN-Hauptsitz eine Bilanz des Nichtverbreitungsvertrages von 1968 ziehen und dessen Zukunft diskutieren.

Nach Ahmadinedschad werden sich die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton und ihre Amtskollegen von etwa 30 Ländern zu dem Vertragswerk äußern. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle hatte sich angekündigt, seine Teilnahme wegen der Sondersitzung des Kabinetts zur Griechenland-Hilfe aber in Frage gestellt.

Von Seiten deutscher Diplomaten hieß es dazu: "Für den Erfolg der Konferenz ist entscheidend, ob der Brückenschlag zwischen den zu weiteren Abrüstungsschritten entschlossenen Kernwaffenstaaten und denjenigen gelingt, die weitere Nichtverbreitungsanstrengungen von weiteren Abrüstungsschritten abhängig machen." Deutschland könne als Nicht-Kernwaffenstaat eine wichtige Rolle spielen. "Unsere zentrale Botschaft für die Konferenz: Nichtverbreitung von Nuklearwaffen und nukleare Abrüstung sind zwei Seiten derselben Medaille."

Teheran bemüht sich seit Jahren um Atomtechnologie. Angeblich dient die Forschung friedlichen Zwecken, das Regime lässt aber internationale Kontrollen nicht zu. Ahmadinedschad ist auch deshalb in der Kritik, weil er Israel immer wieder mit Vernichtung droht, gleichzeitig aber die Nuklearforschung seines Landes als rein zivil bezeichnet. Derzeit wird in New York an einer neuen UN-Resolution gegen Teheran gearbeitet. Sie könnte noch während der Konferenz, die bis zum 28. Mai geht, vorliegen.

dpa