Dachauer KZ-Überlebende und das "Wunder der Befreiung"
Vor 65 Jahren befreiten US-Soldaten die verbliebenen Häftlinge im KZ Dachau. Für die Überlebenden ist das Konzentrationslager ein Ort des Schreckens und der Mahnung zugleich. An einer Feierstunde am Sonntag nahm auch Bundespräsident Horst Köhler teil - es war das erste Mal, dass ein amtierendes deutsches Staatsoberhaupt die KZ-Gedenkstätte Dachau besuchte.
02.05.2010
Von Britta Schultejans

32.000 Menschen lebten zum Zeitpunkt der Befreiung, am 29. April 1945, in den Baracken - zu hunderten eingepfercht, hungrig und krank, viele dem Tod ganz nahe. "Es war ein Schock für uns, diese Leidenden zu sehen", erinnerte sich der ehemalige US-Soldat Alan Lukens am Sonntag in der KZ-Gedenkstätte Dachau bei München bei der Gedenkfeier zur Lager-Befreiung. "Doch dann haben wir gesehen, wie sie sich freuen, dass wir da sind. Das war ergreifend."

Die Freude über ihre Befreiung haben die Überlebenden bis heute ebenso in Erinnerung behalten wie die Qualen, die sie unter den Nazis aushalten mussten. "Es war ein Wunder", sagt Eugeniusz Badzynski, der mit 16 Jahren aus Polen nach Dachau deportiert wurde und nur knapp mit dem Leben davonkam. "Ich höre noch das Gebrüll: 'Kein Häftling darf lebend in die Hände des Feindes kommen'", erzählt Badzynski.

Nur Stunden vor der Erschießung gerettet

Am 29. April 1945 um 21 Uhr sollte er erschossen werden, erzählt er. Die amerikanischen Soldaten retteten ihm das Leben - "dreieinhalb Stunden vor der geplanten Erschießung". "Das haben wir dem heiligen Joseph zu verdanken", meint Badzynski. Polnische Geistliche hätten wenige Tage zuvor zu ihm gebetet. "Aus Dankbarkeit habe ich meine Tochter Josephina genannt."

Menschen wie der heute 81 Jahre alte Badzynski sind es, denen Bundespräsident Horst Köhler am Sonntag seinen Dank aussprach. Er ist der erste amtierende Bundespräsident, der die Gedenkstätte in Dachau besuchte. "Sie schenken mir und anderen Mut und Zuversicht, dass wir doch als Menschen in der Lage sind, uns zu versöhnen", sagte Köhler vor hunderten Überlebenden aus aller Welt, die trotz ihres hohen Alters die Reise nach Dachau angetreten hatten. "Sie haben in all den Jahren nie Rache und Vergeltung das Wort geredet, sondern immer Zeichen der Versöhnung gesetzt." Die Zeitzeugen hätten das, was sie erlebt haben, weitergegeben und damit gegen das Vergessen gekämpft.

"Gegen die braune Brut"

Auch Max Mannheimer, der Vorsitzende der Dachauer Lagergemeinschaft, betonte, wie wichtig es sei, die Erinnerungen an die Nazi-Gräueltaten lebendig zu halten und sich "gegen die braune Brut" zu wehren. "Das Vermächtnis der ehemaligen Häftlinge und die Hoffnung, dieses düstere Kapitel der zwölfjährigen Diktatur stets in Erinnerung zu behalten, kann eine Wiederholung der Diktatur in Deutschland möglicherweise verhindern", sagte der 90-Jährige. Auch heute noch gebe es Hass, Gewalt, Terror und Vernichtung: "Wir können und dürfen uns daran nie gewöhnen."

dpa