TV-Tipp des Tages: "Tatort: Schatten der Angst" (ARD)
Der Besitzer eines türkischen Imbisses ist vorsätzlich überfahren worden, mit seinem eigenen Lieferwagen zudem. Das LKA vermutet dahinter eine Schutzgelderpressung und schaltet sich ein.
30.04.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Schatten der Angst", 7. Mai, 21.45 Uhr im Ersten

"Schatten der Angst" war vor zwei Jahren schon der zweite "Tatort" innerhalb weniger Monate, der für öffentliche Diskussionen sorgte. Zuvor war es um die Aleviten gegangen ("Wem Ehre gebührt"), in dieser Geschichte um den Themenkomplex Kopftuch, Zwangsehe und Ehrenmord ein. Selten jedoch hat sich ein populärer TV-Film dieses Themas so differenziert angenommen.

Mit Ferhat Kaleli und Sesede Terziyan

Die Geschichte beginnt wie ein gewöhnlicher Krimi. Der Besitzer eines türkischen Imbisses ist vorsätzlich überfahren worden, mit seinem eigenen Lieferwagen zudem. Das LKA schaltet sich ein: Es gab zuletzt eine ganze Reihe von Morden im Rhein/Main-Gebiet, stets waren die Opfer Betreiber kleiner Betriebe; das riecht nach Schutzgelderpressung. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) von der Kripo Ludwigshafen vertraut jedoch ihrem Instinkt, und der führt sie zum Kompagnon des toten Celik, einem windigen Burschen, der auch schon mal in Drogendelikte verwickelt war. Tatsächlich betreibt Önder Sahin (Ferhat Kaleli) einen schwunghaften Handel mit Anabolika. Allerdings war Celik nicht nur sein Partner, sondern auch sein Schwager – und nun kommt die Ehre ins Spiel: Die schöne Witwe Derya (Sesede Terziyan) führte für den Geschmack des Mordopfers ein allzu freizügiges Leben, weshalb er sie auch schon misshandelt hat.

Verständnis für muslimische Frauen

Das Drehbuch von Annette Bassfeld-Schepers und Regisseur Martin Eigler macht es sich alles andere als leicht. Den Dialogen ist anzumerken, dass man die üblichen Klischees auf jeden Fall vermeiden wollte. Trotzdem, und das ist vielleicht seine größte Qualität, wird der Film nicht zum Lehrstück. Die Autoren wecken mit ihrem Erklärungsversuch, warum muslimische Frauen zwischen dem Bedürfnis nach Freiheit und dem Pflichtgefühl gegenüber ihrer Familie so hin und hergerissen sind, dennoch viel Verständnis; allerdings vor allem für die jungen Frauen, weniger für die Verbrechen, die von den männlichen Familienmitgliedern im Namen der so genannten Ehre begangen werden.

Geschichte stammt von Ulkrike Folkerts

Die Idee zu der Geschichte stammt übrigens von Ulrike Folkerts, deren diesmal betont frauliche Lena Odenthal hier ganz ähnliche Erfahrungen macht wie Charlotte Lindholm in "Wem Ehre gebührt": Sie sieht sich mit einer Welt konfrontiert, in der andere Regeln gelten; und wer diese Regeln verletzt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Das gilt vor allem für Frauen, wenn ihnen offenkundig der nötige Respekt vor der Familie fehlt; und was könnte in dieser Welt größere Schande bedeuten als ein außereheliches Kind, noch dazu von einem deutschen Vater.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).