"Lüg weiter, Liebling", 3. Mai, 20.15 Uhr im Zweiten
Man sieht es ihnen nicht an, und das ist ja auch der Sinn der Sache. Aber da Götz George (71) und Hannelore Elsner (67) längst im Seniorenalter sind, ist "Lüg weiter, Liebling" eine veritable Rentnerromanze. Boshaft könnte man anmerken, das Liebespaar entspreche damit ziemlich exakt dem Zuschaueralter, das bei Filmen und Serien noch über dem Senderschnitt des ZDF liegt. Allerdings sind Hape und Martha von einer Vitalität, um die sie die meisten Gleichaltrigen beneiden werden. Martha ist zudem derart wohlhabend, dass sie offenbar nicht weiß, wohin mit all’ ihrem Geld. Überhaupt scheint sich die Witwe nicht allzu viele Gedanken zu machen. Das ändert sich schlagartig, als sie den verkrachten Ökologen Hape kennen lernt, einen Grünen der ersten Stunde, der sich derzeit allerdings in ganz erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befindet.
Über Nacht wird aus dem Umweltaktivisten ein Hochstapler
Die Voraussetzungen für eine Romanze sind also bestens. Allerdings ist der Sinneswandel des Umweltaktivisten nicht ganz nachzuvollziehen, denn aus dem aufrechten Hape wird quasi über Nacht ein Hochstapler: Er gibt sich Martha gegenüber als Diplomat aus, der permanent in geheimer Mission rund um den Globus reist. Außerdem leiert er ihr 25.000 Euro für angeblich nachhaltige Aktien aus den Rippen; dabei hat sie ihn längst durchschaut. Die doppelt erfundene Geschichte wirkt ohnehin bloß wie ein Vorwand, um George und Elsner bei ihrem ersten Zusammenwirken überhaupt eine gemeinsame Plattform zu geben.
Die Dialoge hingegen sind recht hübsch, auch wenn es mitunter allzu tiefsinnig klingen soll, wenn das Paar über den Sinn des Lebens und das Glück sinniert. Einige Aussagen wirken zudem wie Sätze, die beflissene Menschen bei der Lektüre zu markieren pflegen ("Durst beweist die Existenz von Wasser"). Der ursprüngliche Stoßseufzertitel "Ach, Glück..." wäre der Geschichte dennoch deutlich gerechter geworden als "Lüg weiter, Liebling"; der Titel weckt völlig falsche Erwartungen (Buch und Regie: Gabriela Zerhau).
Interessante Nebenfiguren
George spielt den charmanten Schwindler genauso, wie man das erwarten durfte, und Hannelore Elsner fügt den vielen Charakterstudien attraktiver, aber auch leicht flattriger Damen eine weitere hinzu. Trotzdem ist es durchaus kurzweilig, den beiden zuzuschauen. Beinahe interessanter sind allerdings die weiteren Figuren, weil die Darsteller aus dem Klischee der Nebenrolle eine Menge machen: Oliver K. Wnuk als Hapes Hallodri-Sohn, Ludger Pistor als sehr energisch um Marthas Gunst bemühter Steuer- und Finanzberater, Bibiana Zeller als ihre leicht verwirrte Mutter und Eva Löbau als männerhassende Tochter. Die gemeinsame Reise des Paares nach Nizza dagegen scheint in erster Linie dem pittoresken Drehort geschuldet.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).