Die Ölkatastrophe vor der Küste der USA droht nach Ansicht von Umweltschützern noch verheerender zu werden als das Tankerunglück der "Exxon Valdez" 1989. Empfindliche Naturschutzgebiete im Mississippi-Delta sind von der Ölpest gefährdet, die am frühen Freitagmorgen (Ortszeit) die Küstengewässer Louisianas erreichte. Der für Tiere und Pflanzen tödliche Ölteppich könnte sich nach Berechnungen der Behörden am Wochenende seinen Weg bis nach Florida bahnen. Die US-Küstenwache und der britische Konzern BP überflogen seit Tagesanbruch das Gebiet, um nach ersten Ölspuren an Land zu suchen. US-Präsident Barack Obama geriet unterdessen wegen seiner Umweltpolitik in die Schusslinie.
Täglich laufen 700 Tonnen aus
Obama reiste zunächst nicht selbst in die Region, sondern schickte Heimatschutzministerin Janet Napolitano, Innenminister Ken Salazar und die Chefin der US-Umweltbehörde EPA, Lisa Jackson. Sie sollten sich einen Überblick über das Ausmaß des Desasters verschaffen, das am Vortag als Katastrophe "nationalen Ausmaßes" eingestuft worden war.
Auslöser der Ölpest ist der Untergang der BP-Bohrinsel "Deepwater Horizon" vor gut einer Woche. Seitdem tritt das Rohöl in 1.500 Metern Meerestiefe aus mehreren Lecks aus. Nach Schätzungen der US-Behörde für Ozeanographie laufen täglich etwa 700 Tonnen aus. Wenn es weiter in diesen Mengen sprudelt, dauert es keine zwei Monate, bis das Ausmaß der "Exxon-Valdez"-Katastrophe an der Südküste Alaskas erreicht ist. Das Tankerunglück gilt als die bisher schlimmste Ölpest in der US-Geschichte. Damals flossen 40.000 Tonnen Rohöl aus.
Umweltschützer zeigten sich besorgt über die Lage im Golf von Mexiko. "Das ist ein Desaster, jenseits jeden Ausmaßes, das ich je erlebt habe", sagte ein Experte der Ozean-Gesellschaft in San Francisco, Stan Minasian, in US-Medien. Die Vogelexpertin Laura Deslatte von den Wildschutzbehörden Louisiana sagte der dpa: "Wir sind auf das Schlimmste gefasst - und hoffen das Beste." Auch die Fischerei- und Tourismus-Industrie verfolgen die Entwicklung mit Sorge, fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Die US-Bundesstaaten Louisiana, Mississippi, Florida, Georgia und Alabama waren erst im August 2005 von dem Hurrikan "Katrina" heimgesucht worden.
Wetter behinderte Helfer
Tausende Helfer an Land waren im Einsatz, das Wetter unterstützte sie nicht: Starke Winde und raue See trieben den Ölteppich voran und blockierten die Säuberungsarbeiten auf dem Meer. "Auch heute wird es nicht möglich sein, mit dem Abfackeln des Ölfilms fortzufahren", sagte ein Sprecher der Küstenwache, Michael Abendhoff, der Nachrichtenagentur dpa.
Bereits am Vortag hatten die Helfer Pläne verwerfen müssen, den auf die Küste zutreibenden Ölteppich stückweise durch kontrollierte Brände abzutragen. Er war am Freitag an den äußersten Stellen 72 Kilometer breit und 160 Kilometer lang. Fast der gesamte Ölfilm sei glücklicherweise "sehr dünn", erklärte Abendhoff.
Angetrieben von hohen Wellen bewegte er sich auf das von Menschen unbewohnte Wildschutzgebiet Pass-A-Loutre am Mississippi-Delta zu. Nach Berechnungen der Nationalen Meeresbehörden, könnte der Ölteppich über das Wochenende die Küsten Mississippis und Alabamas erreichen. Umweltexperten befürchteten katastrophale Folgen für alle betroffenen Staaten.
Obama wegen Ölbohrungen unter Druck
Die bislang verlegten Barrieren in einer Länge von 61 Kilometern reichten nach Angaben der Experten längst nicht aus, um das Öl von Louisianas Küste fernzuhalten. Weitere 90 Kilometer der orange-gelben Schläuche seien zum Auslegen vorbereitet, erklärte die Küstenwache.
75 Schiffe waren am Morgen bereit zum Ausfahren, um die verschmutzte Masse aus Wasser und Öl aus dem Meer abzusaugen. Fraglich war allerdings, ob sie angesichts der hohen Wellen etwas ausrichten konnten. Bislang hätten diese Schiffe rund 2.800 Tonnen der verschmutzten Masse sicherstellen können, so die Küstenwache. Hilfstrupps haben nach Angaben des Heimatschutzministeriums bis Freitag 380.000 Liter an chemischen Mitteln ins Meer gekippt, um das Öl zu zersetzen. Wie Abendhoff erklärte, sollte im Laufe der Tages versucht werden, mit diesen Dispersionsmitteln unter Wasser, direkt an den Lecks, zu arbeiten.
In Washington geriet Präsident Obama mit seinen Ölbohrplänen in die Schusslinie. Kongressabgeordnete forderten ihn auf, sein Vorhaben für weitere Bohrungen vor der Küste zu verwerfen. Genau vor einem Monat hatte Obama das jahrelange Für und Wider beendet und Ölbohrungen vor den Küsten des Landes genehmigt, um es unabhängiger von Importen zu machen. "Wir müssen nun herausfinden, was passiert ist", erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, vor Journalisten. Möglicherweise könnten die Erkenntnisse über das Unglück im Golf von Mexiko die Pläne beeinträchtigen, sagte Gibbs auf Nachfrage.