Schweiz baut Finanz- und Bankensystem um
Die Schweiz will ein Land werden, das von außerhalb nicht mehr als Steuerparadies gebrandmarkt und dessen Finanzsystem nicht den gesamten Staat bedrohen kann.
30.04.2010
Von Heinz-Peter Dietrich

Die in diesen Tagen vorgelegten Pläne einer Expertenkommission sowie der Regierung werden nun in den Gremien diskutiert und müssen durch das Parlament. Fest steht aber nach Ansicht von Beobachtern schon jetzt, dass die seit fast zwei Jahren anhaltende Finanzkrise einen deutlichen Wandel im Schweizer Finanz- und Bankensektor bewirken wird.

Hohe Boni sollen versteuert werden

Mit Erstaunen registrierte die Öffentlichkeit, dass Finanzminister Hans-Rudolf Merz sich die weitgehenden Kritik an den hohen Sondervergütungen, die Boni, von Bankmanagern zu eigen machte. "Die hohen Vergütungen gefährdeten den gesellschaftlichen Zusammenhalt und deuteten auf ein Marktversagen hin", meinte der eigentlich den Finanzinstituten nahestehende Liberale. Und so legte die gesamte Regierung Vorschläge für ein Besteuerungssystem vor, mit dem etwa die sozialdemokratische Außenministerin Micheline Calmy-Rey wohl selber nicht gerechnet hatte, wenn man ihre Körpersprache auf einer Pressekonferenz richtig deutete.

Bei Boni über zwei Millionen Franken (1,4 Mio Euro) sollen Banken und Versicherungen künftig Steuern zahlen, da es um eine Gewinnverteilung gehe und Unternehmensgewinn versteuert werden muss. Und Banken, die etwa Staatshilfe in Anspruch genommen haben, wie die Nummer eins der Schweiz, die angeschlagenen UBS, sollen ihr Gehaltssystem der Regierung vorlegen und billigen lassen. Merz schließt sogar nicht aus, solchen Banken die Auszahlung von Boni ganz zu verbieten. Seine eigene Partei lehnt die Pläne übrigens ab: Diese seien "zwar gut gemeint", aber nicht praxistauglich und einfach zu umgehen.

Großbanken nicht mehr um jeden Preis retten

Die Regierung schließt sich auch den Vorstellungen einer Expertenkommission an, die Vorschläge erarbeitet hat, damit der Staat künftig Großinstitute nicht mehr um jeden Preis retten muss. Diese "Too-big-to-fail"-Problematik (zu groß, um pleite zu gehen) hatte etwa dazu geführt, dass die UBS mit fast 60 Milliarden Franken aus Staatsmitteln gestützt werden musste. Mit verschärften Anforderungen bei den Eigenmitteln und der Liquidität und einem Umbau des Banken- und Finanzsystems soll dem entgegengewirkt werden.

Nationalbank-Vizepräsident Thomas Jordan gab schon mal die Marschrichtung vor. Er würde die Großbanken UBS und Credit Suisse bei einer neuen Krise Konkurs gehen lassen. "Wenn das Management einer Bank entscheidende Fehler macht, die große Verluste zur Folge haben, soll dies nötigenfalls im Konkurs abgewickelt werden können",sagte er der Zeitung "Sonntag". Die Kommission will die Großbanken nicht zerschlagen, aber volkswirtschaftlich relevante Funktionen sollen sich im Krisenfall ohne größere Eingriffe abtrennen lassen, damit der Staat nicht den Konzern in seiner Gesamtheit retten muss.

"Fürs Gemüt des Volkes gedacht"

In der Schweizer Öffentlichkeit wird kaum die Notwendigkeit eines Umbaus des Finanzplatzes - zu der auch eine neue Gesetzgebung zur Steuerhinterziehung und zum Schwarzgeld gehören soll - bestritten, wenn er denn eine Zukunft haben soll. Immerhin trägt die Finanzwirtschaft fast 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Es sei durchaus kein Verrat an der Marktwirtschaft, was die Regierung beschlossen habe, kommentiert die "Basler Zeitung".

Doch es gab auch Häme. Die Boni-Regelung etwa sei "fürs Gemüt des Volkes gedacht. Denn die Branche wird Alternativen finden, ihre Manager zu vergolden, wenn sie hohe Boni künftig versteuern muss", meinte der "Tages-Anzeiger". Und die Boulevardzeitung "Blick" reibt sich die Augen: "Verblüffend, wie sich plötzlich alle bewegen", stellt sie fest. Für die "Neue Zürcher Zeitung" sind Teile der Banken- und Wirtschaftswelt selber schuld, dass der politische Druck für Maßnahmen gegen Lohnexzesse zu groß wurde und die Politiker deshalb handelten. Dies entbinde aber nicht davon, überzeugendere Lösungen zu finden, schreibt das Blatt.

dpa