Sprechen die Kirchen bald über gemeinsames Abendmahl?
Unmittelbar vor dem Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in München kommt Bewegung in den Dialog der Konfessionen: Der evangelische Braunschweiger Bischof Friedrich Weber wirbt für Gespräche über ein gemeinsames Abendmahlsverständnis - und sein katholischer Amtsbruder Gerhard Ludwig Müller aus Regensburg überrascht mit positiven Äußerungen über den Protestantismus: Auch eine evangelische Abendmahlsfeier sei für ihn ein "religiöser Vollzug".
29.04.2010
Von Bernd Buchner

Landesbischof Weber, der auch Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD)  und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) ist, nutzte das erste "Frankfurter Konfessionsgespräch", um in Sachen Abendmahl Tacheles zu reden. Laienkelch, Transsubstanziation, Messopfer - alles Begriffe, mit denen nur Theologen etwas anfangen können. Doch das unterschiedliche Verständnis ist neben der Amtsfrage der Grund dafür, warum Katholiken und Protestanten seit einem halben Jahrtausend getrennt voneinander zum Tisch des Herrn gehen.

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Das will Weber ändern und strebt - nach dem Vorbild der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung von 1999, mit der ein zentraler Streit aus der Reformationszeit beigelegt wurde - eine Erklärung der Kirchen zum Thema Abendmahl an. Einen ersten Entwurf dafür hat der renommierte lutherische Theologe Gunther Wenz aus München erarbeitet. Die Erklärung könnte nach den Worten von Weber (" Ich würde mir wünschen, dass der Vorschlag weiterverfolgt wird") zeigen, dass der Streit um den Laienkelch, also das Abendmahl in beiderlei Gestalt, im Wesentlichen behoben ist - und dass es auch in der Frage der Gegenwart Christi in Brot und Wein sowie beim Messopfer "grundsätzliche Übereinstimmung" gibt.

Bewegung in der Ämterfrage

Entsprechende Gespräche, so die Hoffnung des Braunschweiger Bischofs (Foto rechts: epd-bild), könnte auch in die festgefahrenen Fronten in der Amtslehre Bewegung gebracht werden. Die katholisch-sakramentale Priesterweihe und die evangelische Ordination sind nicht wirklich kompatibel. Nach Ansicht des Vatikan stehen die Amtsträger des Protestantismus nicht mehr in der apostolischen Sukzession, die von einer ununterbrochenen Kette von Handauflegungen von der Zeit der Apostel bis heute ausgeht. Die fehlende Anerkennung der evangelischen Ämter ist auch eine der wesentlichen Ursachen für die Differenzen beim Abendmahl.

Beim bevorstehenden ÖKT wird es kein gemeinsames Abendmahl geben - die Unterschiede zwischen den Konfessionen seien bekannt und zu respektieren, betonte Weber. Bei den evangelischen ÖKT-Gottesdiensten seien allerdings alle getauften Christi zum Tisch des Herrn geladen. "Wir wollen unseren Überzeugungen treu bleiben", sagt Weber. "Das geht mir zu weit", sagt demgegenüber der Regensburger Bischof Müller, Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz. Zugleich betont er allerdings: "Wenn evangelische Christen bei uns zur Kommunion gehen, weisen wir sie nicht ab."

"Ein religiöser Vollzug"

Und dann schildert Müller, der als Vertreter der konservativen Fraktion unter den katholischen Bischöfen gibt und in seiner Zeit als Theologieprofessor in München ein Standardwerk zur katholischen Dogmatik schrieb, durchaus Erstaunliches. Er selbst fühle sich, wenn er gelegentlich bei einer evangelischen Abendmahlsfeier teilnehme, "nicht als Beobachter oder Gast. Das ist für mich ein religiöser Vollzug." Er empfange aber nicht den Leib des Herrn, da dies eine Einheit darstellen würde, "die sakramental nicht vorhanden ist".

Der Regensburger Bischof vergisst nicht, die offizielle Haltung seiner Kirche zu der Frage zu betonen, gerade mit Blick auf den Kirchentag: "Für einen katholischen Laien ist es nicht erlaubt, zum evangelischen Abendmahl zu gehen." Er schränkt das aber zugleich ein: Bei konfessionsverschiedenen Ehepaaren, so Müller, sei eine katholische Teilnahme am Abendmahl nicht nur akzeptabel, sondern "von geistlicher Fruchtbarkeit". Ökumenische Ehepaare leiden bisher besonders an den rigiden Bestimmungen des Kirchenrechts, die in der Frage des Abendmahls nur wenige Ausnahmen zulassen.

Die Entscheidung hat Gott allein

Auch in Sachen Kirchenverständnis überwiegen beim Regensburger Oberhirten ("Die Ökumene in Deutschland ist auf einem guten Weg") die moderaten, ausgleichenden Töne. "Wir sind uns einig in der Grundgestaltung von Kirche" sagt er und fügt mit Blick auf die teils harschen vatikanischen Papiere, in denen von "kirchlichen Gemeinschaften" im Protestantismus die Rede ist, hinzu: "Wir sind nicht in der Lage und sehen auch keine Verpflichtung, den Kirchenstatus des anderen zu beurteilen." Wer Kirche sei oder nicht, "das können wir gar nicht beurteilen. Die Entscheidung darüber hat Gott allein."

Zwar hinterfragt Müller (Foto links: dpa) unmittelbar darauf flugs den ekklesiologischen Charakter von evangelischen Landeskirchen, doch insgesamt überwiegen bei diesem "Frankfurter Konfessionsgespräch", das zum ersten Mal stattfand, die positiven Eindrücke. "Es ist noch viel zu klären", so Weber. "Doch es hat sich schon viel getan, die ökumenische Uhr ist nicht mehr zurückzudrehen." Es gebe auf beiden Seiten ein "massives Interesse daran, dass die Ökumene in Deutschland weitergeht".

"Hand in Hand"

Dabei sollten, so die einhellige Meinung der Bischöfe, die verschiedenen Ebenen nicht gegeneinander ausgespielt werden: Die Ökumene der Basis und das Theologengespräch haben ihre je eigene Funktion und Berechtigung, "das muss Hand in Hand gehen", unterstreicht Müller. Auch die bisher im Dialog der Konfessionen angewandte Methode halten die leitenden Geistlichen für unverzichtbar. Der differenzierte Konsens sei "sehr hifreich", sagt Weber. In diesem Modell werden zunächst die bereits erzielten Gemeinsamkeiten gesucht und festgehalten, ehe die Gegensätze auf den Punkt gebracht werden.

Beim Ökumenischen Kirchentag soll nicht zuletzt deutlich werden, welche Sprache die Kirchen in der Gesellschaft sprechen und wie stark sie mitreden wollen. Ein "besonderer Akzent" werde in München auf dem gemeinsamen Bekenntnis in der Welt von heute liegen, so Müller. Sein Amtsbruder Weber nennt Unterschiede und Gemeinsamkeiten in ethischen Fragen und fordert mit Verve eine Fortschreibung des gemeinsamen Sozialwortes der Kirchen aus dem Jahr 1997. Es gibt noch viel zu tun, nicht nur mit Blick auf ein mögliches gemeinsames Abendmahl.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de mit Zuständigkeit für die Ressorts Politik und Religion.