Ob sich das Pilotprojekt auf Dauer wirtschaftlich rechnet, muss sich noch zeigen. Die Bauherren zahlten bisher ein hohes Lehrgeld. Denn für Windparks in der Nordsee gelten eigene Gesetze: Die bis zu 155 Meter hohen Konstruktionen stehen in 30 Meter tiefem Salzwasser und müssen Stürmen, Wellen und der Strömung trotzen. Die Bedingungen sind rau, das Wetter wirbelt immer wieder Zeitpläne für Schiffe und Hubschrauber durcheinander.
Am Ende lagen die Stromkonzerne EWE, Eon und Vattenfall in dem gemeinsamen Zusammenschluss "Doti" bei 250 Millionen Euro statt der zunächst geplanten Investitionssumme von 180 Millionen Euro. Die gleiche Summe rechnet Doti-Geschäftsführer Ralf Lamsbach noch einmal als Betriebskosten in den nächsten 20 Jahren. "'alpha ventus' war nie rentabel geplant, aber die Kosten kommen auch wieder rein", ist sich Lamsbach sicher.
Optimistische Prognosen der Regierung
In dem Test-Windpark sehen die drei Energieversorger vor allem ein Zukunftsthema. Sie wollen künftig getrennt weitere Tiefwasserprojekte fern von der Küste in Angriff nehmen. Dabei sollen die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt allen künftigen Offshore-Windparks zu Gute kommen.
Die Chefs der drei beteiligten Energiekonzerne sind ebenso optimistisch wie Minister Röttgen: "Bis zum Jahr 2050 klimaneutrale Stromerzeugung, also praktisch CO2-frei", gibt Röttgen das Ziel der Bundesregierung vor. Allein bis 2030 sollen bereits mehrere tausend Anlagen mit einer Leistung von 25.000 Megawatt installiert sein.
Die Hürden bis dahin sind noch hoch: Umweltfragen beim Bau sind noch ungelöst, und bei Flaute fließt kein Strom durch die Seekabel an Land. "Für jedes Megawatt Windstrom muss auch ein Megawatt an Land als Ausgleich bereit stehen", sagt "alpha ventus"-Chef Lamsbach. Kraftwerke an Land lassen sich also vorerst nicht durch Offshore-Windparks ersetzen – solange keine flexibel regelbaren Energiequellen zum Überbrücken von Netzschwankungen da sind.
Gut 30 Windparks im Meer sind schon genehmigt
Eine Lösung erhoffen sich Energieexperten durch die Vernetzung von großen Windparks oder intelligente Stromnetze in Europa. Diese sollen den Ausgleich von Netzschwankungen ermöglichen. "Die Netzfrage darf nicht zur Achillesferse der regenerativen Energie werden", sagt Röttgens mit Blick auf die Netzbetreiber. Doch auch die Verbraucher sollen umdenken: "Neue Stromnetze brauchen die Akzeptanz in der Bevölkerung."
Insgesamt sieht die deutsche Windindustrie sehr gute internationale Marktchancen für den technologisch anspruchsvollen Offshore-Bereich. Bisher sind in Nord- und Ostsee 29 Windparks mit zusammen 1.894 einzelnen Windrädern genehmigt. Aktuell sind zwei weitere Parks im Bau, darunter "Bard Offshore 1" mit 80 Anlagen (Nordsee) und "Baltic 1" mit 21 Turbinen vor der Ostsee-Insel Darß (Mecklenburg-Vorpommern).
Umweltschutz-Aspekte kommen noch zu kurz
Das Thema Offshore-Windparks spielt aber auch zunehmend eine Rolle in der Umwelt-Debatte um Atomkraft und erneuerbare Energien. Die Grünen sehen die von der Bundesregierung versprochenen 30.000 Arbeitsplätze an Nord- und Ostsee in Gefahr, wenn die Restlaufzeiten für alte Atomkraftwerke verlängert werden. Die Stromkonzerne hätten dann kein Interesse mehr am Ausbau der Offshore-Anlagen, erklärte am Dienstag die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn.
Umweltschützer vermissen eine weitreichende Raumplanung für Meeres-Windparks. Zudem seien die Risiken für die Meeresumwelt zu wenig bekannt, Forscher untersuchen beispielsweise die Auswirkungen des Baulärms bei Rammarbeiten auf Meeressäuger wie Schweinswale. Bisher gebe es auch zu wenig Erfahrungen über Kollisionen von Zugvögeln mit Windrädern.